Nachfolgeeinrichtung verhindern

FixStern bleibt!

Die geplante Schließung des Fixsterns zum Ende des Jahres stellt auch für die an irrationalen Entscheidungen nicht arme Hamburger Drogenpolitik ein Novum dar. Zum ersten soll eine Einrichtung geschlossen werden, nicht weil ihre Arbeit als qualitativ schlecht beurteilt wird oder weil fachliche, finanzielle oder sonstige Fehlhandlungen zu verantworten wären, nicht weil ihre Konzeption vermeintlich oder tatsächlich an bestehenden Bedarfen oder Nachfragen vorbeigeht, sondern allein weil mit dieser Schließung eine Partei des derzeitigen Regierungsbündnisses glaubt, einen symbolischen Erfolg ihrer Politik markieren zu können.

Von dem Ziel eines symbolischen Erfolges ist deshalb zu sprechen, weil die Schill-Partei, die die für den Beschluss der Fixsternschließung verantwortlichen Senatoren stellt (Inneres und Gesundheit), im letzten Bürgerschaftswahlkampf als Ein-Punkt-Partei angetreten ist: Bekämpfung der Kriminalität und als deren vermeintlichen Ausdruck die Zerschlagung der offenen Drogenszenen. Hier muss ein Erfolg her, egal wie und mit welchen Konsequenzen. Nachdem entsprechende Überlegungen für St. Georg (Verlegung des Drob Inn in den Freihafen) verworfen wurden, soll nun offensichtlich das Schanzenviertel den erwünschten Erfolg liefern. Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, wird der akzeptanzorientierte Ansatz bekämpft, indem man mit der Schließung des Fixsterns ein Exempel statuiert. Der Hamburger Drogenhilfe wird mit diesem Akt der Weg aufgezeigt, der für die nächsten Jahre vorgesehen ist. Die Folgen dieser Politik sind für jedermann, der sich mit Drogenpolitik und Drogenhilfe auch nur ein wenig beschäftigt hat, absehbar. Die KonsumentInnen werden nicht einfach nur deshalb verschwinden, weil die Hilfeeinrichtung verschwunden ist. Sie werden mit ihren Problemen allein gelassen, genauso wie die AnwohnerInnen mit den ihren. Für die AnwohnerInnen bildete die Existenz des Fixsterns zwar mitunter einen Kristallisationspunkt des Ärgers, aber gerade in dieser Funktion schuf er zugleich auch die Möglichkeit, diesen Ärger konstruktiv zu bearbeiten (z.B. in der Diskussion um eine Verlagerung der Einrichtung).

Zwar könnte dieser Ärger durch massive Polizeipräsenz behoben werden, doch um welchen Preis? Die finanziellen Kosten sind immens (ganz zu schweigen von den sozialen Kosten einer solchen Maßnahme), und das Drogenelend wird lediglich verdrängt. Der Gedanke der Erreichbarkeit der AdressatInnen, eine der zentralen Größen in der sozialen Arbeit, würde dadurch geradezu konterkariert.

Die geplante Nachfolgeeinrichtung des Fixsterns ist in keiner Weise geeignet, den aktuellen politischen Verhältnissen zu begegnen. Dieses Konstrukt, welches zwar medizinische Grundversorgung und Beratung anbietet, aber auf einen niedrigschwelligen Bereich mit Konsumraum verzichten will, ist in allen seinen Ausprägungen das Produkt eines faulen politischen Kompromisses, mit Hilfe dessen das Klientel konsequent ausgeschlossen wird. Ziel der geplanten Einrichtung ist nicht Hilfe für das Klientel, sondern dessen Verdrängung. In „enger Kooperation“ mit der Polizei soll dafür gesorgt werden, dass die Drogenszene bis 2005 aus dem Schanzenviertel verschwunden ist. Ist dieses erreicht, soll der Betrieb der eigens errichteten „Interims“- Einrichtung, so die Planung, wieder eingestellt werden.

Uns ist bewusst, dass die Praxis der Ausschreibung mit der damit verbundenen Trägerkonkurrenz gegenwärtig von den Trägern als politische Realität anerkannt wird und der Appell an eine trägerübergreifende Solidarität innerhalb der Drogenhilfe wenig Widerhall findet. Aber bei der geplanten „Nachfolgeeinrichtung für den Fixstern“ geht es um mehr, als „nur“ um den Wechsel einer Einrichtung von einem Träger zum anderen.

Bei aller Unterschiedlichkeit der Hamburger Träger, ob sie sich nun als niedrigschwellig und/oder akzeptierend und/oder ausstiegsorientiert verstehen, gibt es, folgt man den Selbstdarstellungen aller Träger der Hamburger Drogenhilfe, immer zwei Gemeinsamkeiten: Zum einen den Anspruch, die Arbeit auf einer fachlich fundierten Grundlage zu leisten, zum anderen sich an der Verbesserung der Lebenslagen ihrer KlientInnen zu orientieren, und zwar unabhängig davon, ob diese Orientierung unter den Aspekten der Verbesserung der Lebenslagen, der Vermeidung weiterer gesundheitlicher und sozialer Verelendung, der Reintegration oder der Ermöglichung des Lebensentwurfes zu einem künftig drogenfreien Leben ausgerichtet ist. Beiden Ansprüchen entspricht die geplante Nachfolgeeinrichtung in keinster Weise.

Die Frage, ob sich Träger auf die geplante Beratungsstelle bewerben oder nicht, ist nicht nur eine Frage der Solidarität mit den betroffenen KollegInnen, sondern v.a. auch eine der Zukunft der freien Wohlfahrtspflege innerhalb der Drogenarbeit und damit zugleich nach der zukünftigen Stellung aller bestehenden Trägervereine. Ihre Existenzberechtigung innerhalb dieses Systems speiste sich immer aus genau diesen zwei Aspekten: der in ihnen generierten Fachlichkeit und dem Eingehenkönnen auf die konkreten Problemlagen vor Ort. Eine freie Wohlfahrtspflege, die diese Grundlagen um kurzfristiger „Erfolge“ willen ad absurdum führt, entzieht sich langfristig selbst die Grundlagen ihrer Existenzberechtigung. Sie macht sich in ihrer spezifischen Form schlichtweg überflüssig, da die Aufgaben dann durch kommerzielle Anbieter jeglicher Prägung billiger und effektiver durchgeführt werden könnten. Wir fordern deshalb alle Träger der Hamburger Drogenhilfe auf, sich einer Bewerbung um diese Einrichtung zu enthalten, bzw. schon abgegebene Bewerbungen zurückzuziehen.

Von Erich Kästner stammt die Aufforderung „niemals so tief zu sinken/ von dem Kakao/ durch den man uns zieht/ auch noch zu trinken“.

Ein Appell an die Zivilcourage ist umso wichtiger, je höher der Preis ist, den man für sie zu zahlen hat. Gefährlich bei diesem Kakao: er wird aus einem Gallus-Becher serviert.

Stadtteilbündnis „FixStern bleibt“