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Das steinerne Herz Deutschlands

von Campzeitung - 12.07.2002 16:33

„Das grüne Herz Deutschlands“ nannte die regierende CDU Thüringen im Wahlkampf, „das braune Herz Deutschlands“ ist der Titel eines Buches über Nazi-Umtriebe in Thüringen. Betrachtet man das politische und gesellschaftliche Klima in Thüringen, insbesondere was Randgruppen und unter diesen vor allem Flüchtlinge und MigrantInnen angeht, scheint nur der Titel „das steinerne Herz Deutschlands“ angemessen. Geistige Monotonie, ein hohes Maß an Alltagsrassismus und ein weitgehender Mangel an Vielfalt und Lebendigkeit prägen das Leben in Thüringen. Das schafft die Atmosphäre, in der rechtes Denken und Handeln bis in die gesellschaftliche Mitte wirkt.

Flüchtlinge in Deutschland: Leben in sozialer Isolation und Entmündigung

Asylsuchende in Deutschland sind umgeben von einer feindseligen Bevölkerung(smehrheit),
bedroht von Naziübergriffen, schikaniert durch Behörden und die Polizei. Ihre Lebenssituation spottet jeder Beschreibung und allen menschenrechtlichen Mindeststandards.
Beispiel Unterbringung: Flüchtlinge werden gezwungen in alten, oft baufälligen Gebäuden auf einklagbaren 6 qm zu leben. Auf engstem Raum in großer Zahl, unfähig Kontrolle über ihr Leben auszuüben, entwickeln sie oftmals psychische und/ oder physische Störungen. Durch die Internierung hinter Zäunen werden sie einerseits sichtbar und zu einer problematischen Randgruppe gemacht, andererseits soll diese Behandlung abschreckend auf potentielle Flüchtlinge wirken. Andere deutliche Beispiele sind: Zwangseinkauf in bestimmen Magazinen mit Gutscheinen statt Bargeld, 41 Euro „Taschengeld“ im Monat, keine Arbeits- oder Weiterbildungserlaubnis, Einschränkung der Bewegungsfreiheit.
Aus vielen kleinen Praktiken setzt sich so eine Realität zusammen, die am treffensten als institutioneller Rassismus bezeichnet werden kann und Asylbewerber ihrer Entfaltungsmöglichkeiten und Freiheiten beraubt. Rassistische Kontrollen beispielsweise auf Bahnhöfen sind an der Tagesordnung und dienen der Durchsetzung und Aufrechterhaltung der „sauberen“ Gesetze und Regelungen. Regt sich der schwierigen Situation zum Trotz doch einmal von Flüchtlingen organisierter Widerstand, wird in der Regel rigoros durchgegriffen, etwa durch die Umverteilung der Beteiligten auf verschiedene Heime.

Und Thüringen...

Die eben beschriebenen Verhältnisse gelten mit kleineren Schwankungen für ganz Deutschland. Sie können und müssen also überall thematisiert und überwunden werden. Wir haben uns entschieden, das Grenzcamp in Thüringen durchzuführen, weil erstens die Verwaltungen und Behörden den ihnen gegebenen Spielraum, etwa bei der Ausstellung von Urlaubsscheinen, sehr eindeutig zum Nachteil der Flüchtlinge nutzen. Zweitens die institutionelle Seite sehr gut mit dem Rassismus in der Bevölkerung harmoniert. So passen auch starke Nazistrukturen, die ihren eigenen Jugendclub fordern ins Bild und stoßen auf wenig Widerstand.
Ein Beispiel, welches das Zusammenspiel verschiedener Facetten des Rassismus illustriert, ist Markersdorf: Markersdorf liegt direkt an der Stadtgrenze Geras, jedoch rund 40 Kilometer von der Kreisstadt Greiz entfernt: trotzdem dürfen die Flüchtlinge Gera nicht betreten. Darüber hinaus hat es sich die Greizer Verwaltung offenbar zum Ziel gemacht, die in Markersdorf zwangskasernierten Menschen in einen Stand maximaler Entmündigung zu setzen: auf dem Heimgelände gibt es kein öffentliches Telefon, die nächste Telefonzelle ist auf Geraer Stadtgebiet rund 500 Meter entfernt. Der Weg dorthin, entlang einer Bundesstraße zwischen rasenden Autos und Leitplanken ist lebensgefährlich, die „nicht deutsch“ Aussehenden Ziel von gezielten Abfallwürfen aus Autofenstern, Beschimpfungen und Naziangriffen – und zuschlechterletzt lauert den Kommunikationsbedürftigen in Weissig, wo die Telefonzelle steht, die Polizei auf, um ihnen, die 41 Euro Bargeld im Monat zur Verfügung haben, Strafen von rund 100 Euro wegen Verletzung der Residenzpflicht genüsslich aufzubrummen.
Drittens und vielleicht am zentralsten für unsere Entscheidung hat sich dem ganzen zum Trotz in Thüringen eine starke Flüchtlingsselbstorganisation „TheVoice Africa Forum“ gebildet, die wir in ihrer Arbeit und ihren Forderungen unterstützen und mit denen wir praktisch zusammenarbeiten wollen. Weiterhin hoffen wir durch das Grenzcamp auch andere alternative und linke Strukturen zu unterstützen und zu stärken.