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Genua: Misshandlungen von Mitgliedern der VolxTheater-Karawane bestätigt

Update: Auch zwei Deutsche befinden sich unter den 25 festgehaltenen Mitgliedern der Aktionstheatergruppe
von Brigitte Zarzer, telepolis 01.08.2001 - - 02.08.2001 12:13

Von Schlägen, Tritten und psychischen Demütigungen berichten die 25 inhaftierten Mitglieder der VolxTheater-Karawane. Ihr österreichischer Anwalt sowie ein EU-Abgeordneter der Grünen bestätigen nach einem Besuch in den Haftanstalten derartige Übergriffe. Angeblich war die konservative Außenministerin über diese prekären Umstände bereits beim Besuch des italienischen Amtskollegen vergangene Woche informiert. Damals gab es keine Intervention seitens der Regierung. Erst gestern hat die unter Druck geratene Ministerin die umgehende Freilassung gefordert. Der Fall entwickelt sich zu einer Affäre mit internationaler Dimension. Immer mehr aufklärungsbedürftige Details kommen ans Tageslicht. So geriet offenbar eine völlig unbeteiligte schwedische Autostopperin mit der Kulturkarawane in die Mühlen der italienischen Justiz. Neben Amerikanern und einem Australier sitzen auch zwei deutsche Mitglieder der Aktionstruppe in italienischer Haft.

Logo der VolxTheaterkarawane

Wie Telepolis berichtete, wurde die Perfomance-Theatergruppe VolxTheater-Kulturkarawane auf der Heimfahrt vom G8-Gipfel von Carabinieri etwa 15 km vom Genueser Stadtzentrum entfernt aufgehalten und festgenommen ( Genua: VolxTheater-Kulturkarawane weiter in Haft). Mit den 25 Mitgliedern stellen sie das Gros der noch 47 bzw. 49 (hierzu liegen unterschiedliche Informationen vor) inhaftierten Globalisierungskritiker. Sie werden der Sachbeschädigung sowie der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation (Mafiaparagraf) beschuldigt und sind damit von einer Strafe von mehreren Jahren Freiheitsentzug bedroht.

Bereits vergangene Woche, nach einem ersten Besuch des österreichischen Konsuls in den Haftanstalten, war die Rede von Misshandlungen. Nach Visiten des hinzugezogenen österreichischen Anwalts Dr. Embacher, sowie des grünen EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber wurden diese Gerüchte jetzt bestätigt. Der Abgeordnete der Grünen erhebt zudem schwere Anschuldigungen gegen die österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner. Sie hätte bereits beim Besuch ihres italienischen Amtskollegen Ruggiero vergangene Woche in Wien von den Misshandlungen gewusst und trotzdem nichts unternommen. Die Außenministerin selbst wies alle Beschuldigungen zurück. Ein detailliertes Protokoll der Verletzungen hätte sie erst gestern erhalten und dann umgehend eine Protestnote verfasst.

Abgesehen von dem innenpolitischen Hick-hack, das der Fall VolxtTheater-Kulturkarawane jetzt in Österreich zwischen rechtskonservativer Regierung und Opposition auslöst, zeichnen sich drei Problemkreise mit internationaler Relevanz ab.

Erstens: Waren auch die Mitglieder der VolxTheater-Karawane polizeilichen Übergriffen ausgesetzt und gab es Menschenrechtsverletzungen?

Zweitens: Wollte die italienische Polizei, diese - in Österreich unbescholtene - Theatergruppe tatsächlich als Kern des "Schwarzen Blocks" darstellen und zwar aufbauend auf den beschlagnahmten "Requisiten" (wurden als solche nicht von den italienischen Untersuchungsrichtern anerkannt) wie schwarze T-Shirts, Straßenkarten, Stöcke, etc...?

Drittens: Hat die rechtskonservative Regierung Österreichs (eventuell aus politischen Gründen?) zu lasch reagiert und damit neben den 15 österreichischen Inhaftierten auch die VolxTheater-Mitglieder anderer Nationalitäten - u.a. Amerikaner, Slowaken und zwei Deutsche - in eine missliche Lage gebracht oder diese verlängert?

Sollte sich dieser letzte Vorwurf bestätigen, so hätte die österreichische Regierung tatsächlich ein Problem internationalen Ausmaßes zu bewältigen. Die Opposition, insbesondere die Grünen, sprachen bereits vergangene Woche von mangelndem Engagement der Ministerin aus politischen Gründen. Potenziell zählt nämlich die Kulturkarawane zu jenem regierungskritischen Kreis von Personen in Österreich, die sich noch immer einmal wöchentlich zum "Donnerstagsspaziergang" (Eigendefinition) treffen, um ihrem Unmut über die rechtskonservative Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ Ausdruck zu verleihen. Im Rahmen einer Pressekonferenz anlässlich des Wienbesuches von Renato Ruggiero hatte die österreichische Außenministerin den seltsamen Vergleich mit Bankräubern gezogen, die mit einer Plastikpistole ein Geldinstitut überfallen - und sich somit nicht über Konsequenzen wundern dürften. Jetzt wird sie beschuldigt, die Inhaftierten öffentlich vorverurteilt und kriminalisiert zu haben. Mit dem Verweis auf Vormerkungen im Polizeiregister (einen Vormerk erhält bereits jemand, gegen den eine Anzeige eingebracht wurde, sogar bei einem Verkehrsdelikt) hätte Ferrero-Waldner auch die Amtsverschwiegenheit gebrochen.

Gestern Nachmittag ging die Ministerin in die Offensive. Sie hätte erst jetzt Details über die Misshandlungen erfahren, sich außerdem auf die Informationen aus dem österreichischen Innenministerium verlassen und von Anfang an in gewisser Weise interveniert. Sicher hat sie die protokollarisch wie gesetzlich notwendigen Schritte eingeleitet. Während aber andere Regierungen umgehend intervenierten und ihre Landsleute in Freiheit kamen, schwieg Österreich offiziell. Wider besseren Wissens, wie das die Opposition behauptet, wird sich weisen. Viele Indizien sprechen gegen die rechtskonservative Regierungskoalition in diesem Fall.

Sicher ist, dass man der österreichischen Botschaft sowie dem Konsul vor Ort keinen Vorwurf machen kann. Die in Italien stationierten Vertretungen haben sich redlich bemüht. Bereits vergangene Woche sprach der Konsul von Übergriffen. Dennoch kam keine besondere Unterstützung aus Wien.

Schwer wiegt auch die Anschuldigung von Seiten der Grünen, dass kein entlastendes Material über die Theatergruppe nach Italien weitergeleitet worden wäre. Wie Telepolis berichtete, hatte ein hochrangiger Polizeifunktionär bestätigt, dass die Theatergruppe bis dato nie Schwierigkeiten gemacht hätte. Die VolxTheater-Karawane war seit Juni mit der Kampagne "No border - no nation" unterwegs und nahm auch an den Protesten anlässlich der Weltwirtschaftstagung in Salzburg teil.

Von Seiten der Kulturgruppe selbst ist man froh, dass es nun endlich eine offizielle Protestnote gibt. Gegenüber Telepolis heißt es, Anwalt Embacher hätte inzwischen mit italienischen Anwälten gesprochen und schätzt die Beweislage auch jetzt noch als überaus dürftig ein. Allerdings wollen die italienischen Behörden bei der nächsten Anhörung in ca. 2 Wochen weitere Beweise vorlegen. Eine in Wien verbliebene Sprecherin der VolxTheater-Gruppe bestätigte Telepolis gestern Abend außerdem, dass zwei Deutsche in Haft sind: "Wir halten uns bei Angaben zu Personen sehr zurück. Zu den beiden deutschen Inhaftierten möchte ich nur sagen, dass sie sehr jung sind und von Anfang an mit der Gruppe nach Genua unterwegs waren."

Die Reserviertheit der Gruppe gegenüber Medien ist auch aufgrund diffamierender Presseberichte verständlich. So tauchte beispielsweise ein Dossier der österreichischen Staatspolizei auf, das ein Mitglied der Theatergruppe in die Nähe der linksextremen Szene rückt. Wie berichtet, hatte die Polizei auch darauf hingewiesen, dass einige VolxTheater-Mitglieder aus der Wiener Hausbesetzerszene kommen würden. Nach diversen Medienberichten befürchten jetzt allerdings Vertreter der Gruppe, dass die gesamte VolxTheater-Karawane kriminalisiert würde.

Im Telepolis-Gespräch berichtete eine Vertreterin der VolxTheater-Karawane außerdem von einer Schwedin, die offensichtlich völlig unschuldig in die Mühlen der italienischen Justiz geriet: "Unser Anwalt hat mit ihr gesprochen. Ihrer Darstellung zufolge war sie als Autostopperin unterwegs und stieg erst ca. zehn Minuten vor der Verhaftung in den Bus der VolxTheater-Karawane ein. Jetzt ist sie wie alle anderen VolxTheater-Mitglieder auch der Bandenbildung, Sachbeschädigung und so weiter angeklagt." Auch sie sitzt möglicherweise deswegen noch in Haft, weil die österreichische Regierung erst gestern die sofortige Freilassung der Inhaftierten forderte.

In einem offenen Brief der Schwester eines festgenommenen Mitglieds der Volxtheatergruppe an Bundespräsident Klestil beschwert sie sich diese über das Vorgehen der Ministerin und bittet um Hilfe: "Da Fr.Ferrero-Waldner mittlerweile zehn Tage damit beschäftigt war einen Brief zu formulieren, seinen Inhalt zu prüfen, und laut eigener Aussage darauf hofft, ihn seitens ihres italienischen Amtskollegen auch beantwortet zu bekommen, weiß ich nicht mehr weiter.Im Namen aller betroffenen Familien bitte ich Sie daher inständig, sich für die Freilassung unserer Angehörigen zu verwenden."

Johannes Voggenhuber, EU-Abgeordneter der Grünen war heute bei dem italienischen Untersuchungsrichter. Dieser habe sich für die gewaltsamen Übergriffe der italienischen Polizei entschuldigt. Voggenhuber übergab ihm entlastendes Material im Fall VolxTheater, was seiner Meinung nach eigentlich Pflicht der österreichischen Außenministerin gewesen wäre. Der Untersuchungsrichter versprach eine sofortige Prüfung des Materials.

vgl. Feature bei Indymedia: http://de.indymedia.org/2001/07/5428.html



Homepage: http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/9217/1.html