GRENZCAMP 2001   FRANKFURT/M AIRPORT

 
4. antirassistisches Grenzcamp vom 27. Juli bis 5. August 2001 beim Flughafen Frankfurt/Main
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Off Limits - Antira heißt zelten

Jungle World 25.07.2001
von Ivo Bozic - - 28.07.2001 21:15

Eine Idee wird zum Exportschlager: Mit antirassistischen Camps in Spanien, Polen und Slowenien haben Aktivisten den Kampf gegen die rassistische EU-Bürokratie europäisiert. Am Wochenende geht"s nach Frankfurt/Main.

Über alle Grenzen: Der europäische Summer of Resistance hat auch Antirassisten etwas zu bieten: Krynki, Petisovic, Tarifa. An diesen drei Orten fanden unter dem Motto "noborder.nonation" im Juli Grenzcamps gegen die EU-Abschottungspolitik statt. Ab Freitag soll nun in Frankfurt/Main eine Woche lang vor allem das deutsche Grenzregime ins Visier genommen werden.

Von wegen global denken, lokal handeln. Weil die Gegner der Globalisierung das Gipfel-Hopping erfunden haben, boomt der politische Tourismus wie, ja, wie seit den Spanien-Brigaden nicht mehr.

Mit dem Verschwinden erfolgreicher Großdemonstrationen, wie sie zu Friedensbewegungszeiten in Bonn, Hasselbach oder an der Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Wackersdorf stattfanden, geriet auch der Begriff des Reisechaoten fast schon in Vergessenheit, oder er wurde mit Ballermann-Touristen in Verbindung gebracht. Für die Anti-Globalisierungsreisenden wurde der Begriff des Polithooligan erfunden.

Bereits vor vier Jahren kam es zur Konvergenz von Urlaub und Politik. Eine merkwürdige, aber effektive Mischung von Antirassisten, Künstlern, jungen Antifas aus dem Osten und Alt-Autonomen aus dem Westen veranstaltete in Rothenburg bei Görlitz (Sachsen) das erste antirassistische Grenzcamp. 1999 fand es in Zittau (ebenfalls Sachsen), voriges Jahr in Forst (Brandenburg) statt. Die Idee der Grenzcamps ist einfach, aber bestechend. Eine Woche lang wird in einer ostdeutschen Provinzstadt gezeltet, in der normalerweise Nazis und Rassisten das Sagen haben, und dabei wir der Versuch unternommen, die Zustände vor Ort einmal kräftig durcheinander zu bringen. Denen, die nicht der rechten Mehrheit zuzurechnen sind, wird Mut gemacht; Pfarrer, Verwaltungsangestellte und PDSler werden gezwungen, Stellung zu beziehen. Thematisiert wird Rassismus so gleich an drei Fronten: durch Aktionen gegen organisierte Nazis und die staatliche Flüchtlingspolitik sowie gegen eine denunziationsbereite Bevölkerung, die nichts Besseres zu tun hat, als illegale Flüchtlinge, die es gerade über die Grenze geschafft haben, beim BGS zu verpfeifen.

An den Camps nahmen zuletzt deutlich über 1000 Aktivisten aus ganz Deutschland teil, mit aufsteigender Tendenz auch bei den Teilnehmern ohne deutschen Pass. In Forst beteiligten sich letztes Jahr auch Flüchtlinge, die in Brandenburger Heimen untergebracht sind, an den Aktionen. Kein Wunder, dass an diese Erfolge angeknüpft wird und das Zelten gegen Rassismus langsam zum Exportschlager wird.

Denn neben dem traditionellen Grenzcamp, das am Wochenende in Frankfurt/Main stattfindet, haben antirassistische Aktivisten diesen Sommer unter dem Motto "noborder.nonation" bereits in Spanien, Polen und Slowenien gezeltet. Das Camp an der polnischen Ostgrenze war dabei besonders stark von der staatlichen Obstruktionpolitik betroffen. Die Polizei hatte versucht, das Camp zu verhindern. Eine anarchistische Aktivistin soll in Warschau sogar auf offener Straße von drei Zivilpolizisten in ein Auto gezerrt und mit einer Pistole bedroht worden sein. Falls sie keine Informationen über das Treffen herausrücke, hieß es, werde sie eben ins Gefängnis gesperrt.

Trotz eines Verbots und großer Polizeipräsenz fand das Camp schließlich in Krynki an der weißrussischen Grenze statt. Rund 250, hauptsächlich sehr junge, anarchistische Aktivisten aus Polen, Weißrussland, der Ukraine, Finnland und Deutschland demonstrierten am 6. Juli in Bialystock für das Recht auf Bewegungsfreiheit und gegen die Festung Europa. Am Abend des 7. Juli griff die Polizei eine Gruppe von Campteilnehmern während einer Theateraufführung im Stadtpark von Krynki mit Knüppeln und Wasserwerfern an. Vier Personen wurden vorübergehend festgenommen.

An dem Camp in Petisovic in Slowenien nahmen etwa 70 bis 100 Personen teil, die an der slowenisch-kroatisch-ungarischen Grenze einen Info-Checkpoint einrichteten und mit einem Maskeradenumzug durch die umliegenden Gemeinden für offene Grenzen demonstrierten. Eine internationale so genannte Volxtheater-Karawane, die zur Zeit im Rahmen der "noborder.nonation"-Kampagne in Europa unterwegs ist, machte ebenfalls in Slowenien Halt.

Slowenien gilt als einer der ersten Kandidaten für die EU-Erweiterung. Damit würden die östlichen und südlichen Grenzen des zwei Millionen Einwohner zählenden Staates zur EU-Außengrenze mit entsprechend hochgerüsteten Grenzanlagen. Deshalb fand am 10. Juli eine kleine Kundgebung vor dem Abschiebegefängnis in Ljubljana statt, in dem etwa 300 Menschen untergebracht sind: Gefangene, die auf ihre Abschiebung warten, ebenso wie Asylbewerber, die mit einem Erlaubnisschein das Gebäude verlassen dürfen.

Die rund 300 Teilnehmer des Camps in Tarifa/Spanien wiederum beschäftigten sich vom 2. bis zum 7. Juli hauptsächlich mit Workshops. Unterbrochen wurden sie nur durch die Ankunft von 200 Flüchtlingen aus Marokko am Strand von Tarifa, die von der Guardia Civil in ein Lager gebracht wurden.

Das Grenzcamp in Frankfurt/Main schließlich beginnt am 27. Juli und ist das erste deutsche, das nicht an der östlichen Grenze der EU stattfindet. Die Veranstalter legen jedoch Wert darauf, dass sich damit ihr Ziel nicht verschoben habe. "Der Rhein-Main-Flughafen ist die wichtigste Außengrenze innerhalb der BRD", heißt es in dem Aufruf. Die Aktionen richten sich auch in diesem Jahr gegen die deutsche und europäische Abschottungspolitik, gegen rassistisches Denken und die Residenzpflicht.

Schwerpunkte sollen natürlich das Flughafenverfahren und das Internierungslager auf Deutschlands größtem Abschiebeflughafen sein. Am vorletzten Camptag, dem 4. August, ist eine große Demonstration geplant, bei der die sofortige Schließung des unmenschlichen Lagers gefordert wird. Thema des diesjährigen Camps sind auch die Grenzen, die legalen wie illegalen Migranten das Leben in den städtischen Zentren schwer machen, angefangen bei innerstädtischen Personenkontrollen bis zur Diskriminierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. Auch in die aktuelle Debatte um ein Einwanderungsgesetz wollen die Camper eingreifen.

Wenn das Grenzcamp auch dieses Jahr wieder ein Erfolg wird, ist damit zu rechnen, dass die Serie im nächsten Jahr fortgesetzt wird. Antirassisten aus Deutschland haben bereits im Internet vorgeschlagen, 2002 ein europäisches Camp und eine internationale Fluchthilfekonferenz in Strasbourg zu veranstalten.