GRENZCAMP 2001   FRANKFURT/M AIRPORT

 
4. antirassistisches Grenzcamp vom 27. Juli bis 5. August 2001 beim Flughafen Frankfurt/Main
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Aufruf zu einem Teach-In

Standrecht ohne Grenzen im grenzkritischen Freistaat?
von Kurt und Lotte Rotholz - - 26.07.2001 01:07




"Zunächst wollen wir festhalten, dass es uns nicht darum geht, den Gedanken
des (Konflikt-)Gremiums als solchen zu verwerfen. Wir begrüßen es, wenn es
einen Versuch eines progressiven, politischen Handlungszusammenhanges
gibt, der sich im Falle von sexistischen Anmachen und/oder Übergriffen
verantwortlich fühlt, auch aus der Erfahrung der letzten Jahre heraus. Dies
wäre in der Tat ein entscheidender Fortschritt zu den letzten Camps und
anderen Großveranstaltungen und eine entsprechende Konsequenz aus
mangelnder Reaktionsfähigkeit bei vorrangegangenen Übergriffen."

(einige Koelncamperinnen, 29 Juni 2001, Coyote-Liste 22:46:35 Uhr)

Fast aus heiterem Himmel wurde am 21. Mai aus der engeren
Grenzcampvorbereitung der Vorschlag für ein sogenanntes "Konfliktgremium"
bekannt, das während des diesjährigen Grenzcamps einige Autorität besitzen
soll. Nicht ohne darauf hinzuweisen, dass es "auch der Sensibilisierung
aller Teilnehmenden" dienen solle, beansprucht es in der zwielichtigen
Perspektive der "Glaubwürdigkeit" einzelner, nicht benannter Personen,
tatsächlich einen "emanzipatorischen Umgang" mit "sexistische(n) und
rassistische(n) Übergriffen", die auch - so die Autoren - "mitten unter
uns" vermutet werden. Dieses "Konfliktgremium" soll "mit vertrauenswürdigen
Personen, die aus dem bundesweiten Vorbereitungskreis sind und seit langem
vielen bekannt sind" besetzt werden. In dem Papier wird es dann als Aufgabe
eines derartigen Gremiums bezeichnet, Konflikte "vorab zu sondieren" bzw.
"vertrauliche Anhörungen der Beteiligten" durchzuführen. In munterer Folge
tauchen dann in diesem Papier "Opfer" und "Täter" auf, um sich
selbstverständlich - dreimal darf man raten - energisch auf die Seite der
Ersteren zu schlagen. "Opfer" sollen "geschützt" werden und
selbstverständlich "großen Raum eingeräumt" bekommen, demgegenüber aber
die "Konfliktkontrahenten weniger". Und bevor das Camp überhaupt angefangen
hat, liest man in diesem Papier so schöne Formulierungen wie "Rausschmiß
aus dem Camp", "Sanktionsforderungen" "Sanktionsmacht", "Täterschutz" ,
"Schutzraum für Opfer". Und unter den "Möglichkeiten von
Sanktionsmaßnahmen" findet sich eine Anzahl von Repressionsvarianten, die
in ihrer Perspektive nur noch als totalitär bezeichnet werden können. Sie
reichen von einer "vorübergehenden Festsetzung des Täters/der Täterin", bis
zum "Ausschluß aus dem Camp, evt. mit Bekanntmachung dessen in seiner /
ihrer Region / Umfeld / Wohnort", beinhalten auch Theraphieüberlegungen,
und münden schließlich in der Erwägung, unter Umständen Anzeige zu
erstatten bzw. "den Täter an den Staatsfeind Polizei" zu übergeben.
Zunächst: Natürlich können überall auf der Welt sexistische, rassistische
und andere gewaltsame Übergriffe passieren, sicher sogar auch auf dem
Grenzcamp, obwohl das Grenzcamp eigentlich von und für AntirassistInnen und
bekennenden AntisexistInnen organisiert wird. Aber es ist doch, wenn man
einmal versucht, ganz unbefangen zu sein, zumindest seltsam, dass so viel
organisatorische Energie von Leuten, die sich "autonom" nennen, in die
Institutionalisierung eines in fast jeder Hinsicht undurchsichtigen
Gremiums fließt, das ausgerechnet rassistische und sexistische Verbrechen
auf einem antirassistischen Camp verwalten will. Diese Initiative
annulliert fast alles, wofür die letzten Grenzcamps politisch standen. Es
muss also gefragt werden: Welche individuellen und vielleicht sogar ganz
ungedacht - absichtslose kollektiven Interessen haben sich in diesem
unglaublichen Konfliktgremiums-Papier eingeschrieben?
Zunächst einige Überlegungen zu den individuellen und Gruppen-Interessen:
Vermuten könnte man, dass es einigen in der Campvorbereitung darum geht,
ein Maximum an Kontrolle über den Verlauf des Grenzcamps auszuüben. Es
könnten auch Überlegungen zur Installation eines Fürsorgeregimes über
Leute, denen es in der Tat schlecht geht, eine Rolle gespielt haben.
Darüber hinaus mag der Wunsch präsent gewesen sein, die Brücken
insbesondere zu Frauen/Lesben-Zusammenhängen, mit denen es zumindest beim
zweiten Grenzcamp in Zittau erbitterte politische Auseinandersetzungen
gab, nicht abbrechen zu lassen, indem man ihrem Anliegen einen
institutionellen Rahmen verleiht. Insofern wäre dieses Papier als ein
Zugeständnis an den von diesen Zusammenhängen eigentlich immer erfreulich
offen vertretenen politischen Repressionswillen zu verstehen. Wie wir die
Vorbereitung kennen, ist sehr wahrscheinlich, dass einige auch
unausgesprochen daran interessiert sind, durch die institutionelle
Kanalisierung von Sexismus- und Rassismuskonflikten unterschiedliche
Standpunkte unsichtbar zu machen . Mit dem Anspruch, eine ganze Reihe von
völlig ungeklärten Fragen, Konflikten und Streits der Grenzcampleute durch
die Delegierung an ein - nicht mal repräsentatives - Gremium pragmatisch zu
lösen, sollen sie so politisch der Bewegung entzogen, soll um jeden Preis
über die Köpfe der Beteiligten hinweg Ruhe und Ordnung gestiftet werden.

Die tonnenschwere Macht des Polizeidiskurses
Zunächst löste dieses Papier im Kreis der Campvorbereitung einen deutlich
vernehmbaren Widerspruch aus. Ein Diskutantin vermerkte lakonisch, daß ihr
"Einsperren, Pranger, Strafarbeit, Isolation, Zwangstherapie (...) nicht
gerade emanzipatorisch" vorkämen. Und daran knüpfte sie auch gleich die
einzig richtige Frage: "Heißt das, dass sich jede/r ,der auf das Camp
fährt, einer autonomen Strafjustiz unterstellen soll?" Das blieb aber in
der Folge das einzige deutliche und angemessene NEIN zu jener gruseligen
Idee der Einrichtung einer politischen Enteignungskommission. Von einer
Gruppe namens Subkutan aus Berlin wurden die Überlegungen zu einem
derartigen Gremium mit Aussicht auf die Formatierung von politisch
handlungsrelevanter Macht aufmerksam registriert. Infolgedessen begrüßte
sie nicht nur, "daß es Überlegungen zu einem anderen Umgang mit Konflikten
auf dem Camp gibt", sondern bezeichnete mit der zwielichtigen Formulierung
eines sogenannten "konstruktiven Umganges mit Konflikten", die Idee einer
Gruppe, "die ansprechbar ist für von sexistischen Anmachen und/oder
Übergriffen betroffene Frauen/Lesben" als "erstrebenswert". Allerdings
forderte Subkutan unter dem konformistischen Hinweis darauf, dass in jenem
Papier "von profeministischer Parteilichkeit (...) keine Spur" zu finden
sei , ein "unbedingt notwendiges Faktum der Parteilichkeit mit den
Betroffenen von sexistischen Übergriffen" ein, - übertrumpfte also die
"Konfliktgremiums"-Leute noch im Bekenntnis, ein im Kampf um legitime
Herrschaft nicht unübliches Verfahren.
Was so etwas in der Praxis heißen soll, wurde etwa einen Monat später in
wünschenswerter Deutlichkeit in einem Diskussionsbeitrag von "einigen" aus
einer Gruppe namens Kölncamperinnen ausgeführt. Bereits die eingangs
zitierten Zeilen machen klar, dass diese Leute es nach drei Grenzcamps
nicht erwarten können, endlich die Einrichtung einer offen repressiv
arbeitenden Struktur zu bewerkstelligen. Auch sie "brauchen" den
Sexismus und lallen "aus der Erfahrung der (...) letzten Camps" von
"sexistischen ... Übergriffen" - eine wahrheitswidrige Übertreibung! In
Formulierungen wie der eingangs zitierten verbündet sich Geschichts- und
Erfahrungsverweigerung mit dem strikten Willen zur Obsession. Folgerichtig
sprechen sie sich auch ganz unbefangen in Polizeijargon, wenn sie u.a.
fordern, mit Hilfe eines derartigen Gremiums "eine Art sozialer
Kontrollfunktion" zu etablieren, mit der man auch "den Täter" feststellen
könne, wörtlich: "also seine Personalien festzuhalten oder auch Recherche
zu initiieren". Und da neben soviel komplizierter Polizeiarbeit auch die
fundamentalistische Politik nicht zu kurz kommen darf, erklären sie es
auch noch zur Grundvoraussetzung, dass alle (am Grenzcamp) teilnehmenden
Gruppen sich bereit erklären, "sich (nicht nur) im Ernstfall mit Sexismus
und auch mit dem/den Tätern in ihren Zusammenhängen auseinander zu
setzen". Klar ist jedenfalls schon mal für diese Gruppe, dass ein auf dem
Grenzcamp arretierter "Täter" nichts zu lachen haben wird, denn,
schließlich "finden wir, dass die Sicht des Täters im zeitlich begrenzten
Horizont (des Grenzcamps) absolut uninteressant ist, um es diplomatisch zu
formulieren".
Aus welchen genauen Gründen auch immer, unternahmen die InitiatorInnen des
Konfliktgremiumspapieres unter der Maske der wohltätigen Hilfsbereitschaft
zwischenzeitlich einen taktisch motivierten Rückzug. Unter dem Hinweis,
man habe ja nur einmal eine "Provokation" in den Raum werfen wollen, soll
nun der gleiche autoritäre Zugriff etwas schlichter "Anlaufstelle" heißen.
In eigentümlich großzügiger Diktion heißt es nun in der Begründung: "Erst,
wenn alle sich in einer Sackgasse befinden oder wenn z.B. ein/e
Betroffene/r vertrauenswürdigen Schutz sucht, den ihre/seine
politischen/sozialen Zusammenhänge nicht leisten können/wollen, dann
treten wir in Aktion." Glaubt man diesem Papier, plant die Campvorbereitung
auch weiterhin für den Verlauf der geplanten Veranstaltung "sexuelle
Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung", "körperliche Bedrohungen bzw.
Körperverletzung" und selbstverständlich auch "rassistische Übergriffen"
ein. Allein über den "Umgang mit dem/der Täter/in und Sanktionsmaßnahmen
auf dem Camp" werden wir wenigstens in diesem Papier im Unklaren gelassen.
Denn das soll noch "beim nächsten Treffen diskutiert werden". Ob `Täterī
dann im Unterschied zu den Gewaltfantasien einiger KölncamperInnen
wenigstens hier auf "Diplomatie" werden rechnen dürfen?
Es zeichnet sich nun ab, daß auf dem Eröffnungsplenum des Camps eine Reihe
von Leuten ihre Visage dafür hergeben wollen, um sich selbst als Teil einer
"Anlaufstelle" zu deklarieren - und das alles ohne auch nur den Hauch einer
Legitimation. Uns fehlt noch völlig die Vorstellung, dass es tatsächlich
jemanden geben könnte, der sich das wirklich anzumaßen sucht. Das
erscheint uns wirklich zu obszön, um wahr zu sein. Aber in der Politik muß
immer mit dem Teufel gerechnet werden. So verspricht dieser Moment ein für
die Idee jeglicher autonomer Bewegung zutiefst bitterer zu werden, der
zugleich darauf rechnen kann, durch die konformistisch strukturierte
Situationsanordnung affirmiert zu werden.
So oder so bleibt die Tatsache, daß ein derartig trübseliges Gedankengut in
der eigentlich als "erfahren" zu vermutenden bundesweiten Campvorbereitung
zirkuliert. Das ist einerseits fast ein spiegelbildlicher Ausdruck jenes
Zustandes der Trostlosigkeit der internen Kommunikations- und
Analysefähigkeiten dessen, was sich aktuell in einem politischen Sinne als
"antirassistisch" oder "autonom" definiert. Anderseits ist sie eine unter
keinen Umständen hinnehmbare gesellschaftstheoretische
Bankrottererklärung allererster Güte. Nachfolgend zwei Zwischenüberlegungen:

Stumpf geführte Konflikte
In dem nicht immer beflügelnden Verlauf vieler weitgehend stumpf geführter
Konflikte auf den voran gegangenen Grenzcamps spiegeln sich sowohl reale
Zustände als zugleich vielschichtige politische Interessen. Es kann sicher
angenommen werden, das ein Teil der Grenzcampleute jenen Konflikten im
wahrsten Sinne des Wortes "blind" gegenübersteht. Das zum Teil wirklich
klägliche Niveau der bisherigen Sexismusdebatten wird an dieser Stelle
negativ handlungsrelevant: Da in den hier gesprochenen Worten gleich die
Fahne knatternd in den Wind der Macht gehängt wird, geht jede Anstrengung
zu einer argumentativen Vermittlung an Dritte verloren. Ergo sind viele von
vornherein argumentativ von dem nun doppelt düster erscheinenden
Gegenstand ausgeschlossen, gleichwohl sie mit den energischen
Machtpolitiken der sprechenden Anti-Sexismus-DiskursagentInnen konfrontiert
sind. Aus diesem nur zu verständlichen "Man versteht ja nicht, warum die
sich da eigentlich genau streiten!" folgt häufig schnell Überdruß und eine
generelle Negativstilisierung von Streit überhaupt. Denkbar wäre dann die
gar nicht unverständliche Reaktion, Streitigkeiten in diesem Zusammenhang
mehr oder weniger zynisch auszusitzen oder eben an irgend ein Gremium
wegzudelegieren, um sie einfach nur los zu sein. Leider passt diese Haltung
nur zu sehr zu einer Situation, in der nur noch die Wenigsten in einem
politischen Sinne auf andere wirklich neugierig sind. Das kennzeichnet ja
auch den aktuellen politischen Stillstand der autonomen Bewegung. Und
dieser zuweilen auch als Harmonie mißverstandene Zustand besitzt
hinterrücks seine eigenen Anschlüsse an ganz reaktionäre
Gesellschaftsvorstellungen. Daraus resultiert dann das Paradox, dass
"auch konflikthafte - Auseinandersetzungen, die im Hinblick auf die
Entwicklung von gesellschaftlichen Zukunftsentwürfen für ein "besseres
Leben" unbedingt geführt werden müssten, einfach wegorganisiert werden.
Spitzen wir dieses komplexe Phänomen ruhig noch einmal zu: Die allgemeine
Negativstilisierung von Streit resultiert aus Ignoranz, Bequemlichkeit,
unpolitisch Sein, Haupt- und Nebenwiderspruchsprioritäten, Machtanspruch
und (natürlicher) "rechter Ideologie" von Harmonie durch Stillstand.

Interessierte Verschiebung von Konfliktterrains
Nun aber noch einige Vermutungen zu den kollektiven Interessen, die hinter
der beständigen Skandalisierung vor allem von Sexismusverbrechen und der
Initiative zur Gründung einer Art Anti-Sexismus-Zentral-Komitee stehen
mögen. Was veranlasst so viele Menschen in der Camp-Vorbereitung, derart
fasziniert auf das Thema "Verbrechen" zu starren, und die
Vergesellschaftung auf dem Camp auf der Grundlage möglicher Verbrechen
organisieren zu wollen. Deutlich wird, dass sämtliche vorliegende Papiere
zum Konfliktgremium Konflikte um die Politik des Camps zugunsten solcher,
die mit persönlichen Übergriffen zu tun haben, in den Hintergrund drängen.
Anstatt um die grundsätzliche Positionierung des Camps in Bezug auf
konkurrierende Gesellschaftsentwürfe zu streiten, werden eine Reihe von
hypothetischen internen Konflikten zur vordringlichen politischen
Angelegenheit gemacht. Anstatt über neue, emanzipierte Formen des
Zusammenlebens zu diskutieren, orientiert man sich am Verbrechen als
Maßstab - heraus kommen, natürlich, nur Repressionsphantasien. Ins
Hintertreffen geraten dabei sowohl die Frage danach, wie die
Campgesellschaft sich ein gutes Leben für sich selbst vorstellt, als auch
die Frage danach, was für Entwürfe eigentlich durch politische Aktionen der
CampteilnehmerInnen antizipiert und gegenüber der "Publikumsbevölkerung"
repräsentiert werden: Was für eine Gesellschaft wollen wir sein? Welche
Art von Glück streben wir an? Wie verwirklichen wir soviel Freiheit wie
möglich? Wie und wie viel wollen wir arbeiten? Wie können wir soviel Lust
und Vergnügen, Würde und Stolz, Solidarität und Freiheit von Angst
verwirklichen wie nur irgend möglich? Wie können wir Zwangsrationalitäten
durch freien Verstand ersetzen? Usw. Solche eminent politischen Fragen
werden von "vertrauenswürdigen Personen", die die CampteilnehmerInnen so en
passant wissen lassen, dass das Camp leider "wenig Spielraum" für
Emanzipation lasse, einfach unterdrückt. Als "politisch" ausgewiesen werden
dagegen interne, vorwiegend persönliche Konflikte, die zum einen in einem
diese Aufregung rechtfertigenden Maß wohl gar nicht vorkommen werden, und
die zum anderen überhaupt keine utopische Dimension besitzen. Auf der
Grundlage der oft falsch verstandenen Parole, dass das Private politisch
sei, und nach dem bewährten "Haltet den Dieb!"-Meutenbildungsprinzip wird
sämtliche Streitenergie der Teilnehmenden auf persönlichen Konflikte und
Verbrechen Einzelner gelenkt. Das ist ein sich selbst strukturierender
Prozess: Es ist als habe ein auf Selbsterhaltung programmiertes Unbewusstes
der Camporganisation die Hilflosigkeit der antirassistischen Bewegung im
Hinblick auf ihre expliziten Ziele erkannt, und - wie um den Teilnehmenden
die Konfrontation mit dieser eigenen Ohnmacht zu ersparen, - einen
Nebenschauplatz aufgemacht, auf dem gehandelt, gewirkt und Erfolg errungen
werden kann: Die Repression gegenüber "gesellschaftliche(n) Strukturen
und Mechanismen in uns", verkörpert durch einzelne "Täter". Hier ist
Erfolg noch denkbar, denn wenigstens hier läßt sich immer einmal ein
"Täter" dingfest machen und aburteilen ....

Den Ordnungsregimen ein subversives NEIN !
Die schriftlich angestellten Überlegungen zu der Einrichtung eines
Konfliktgremiums oder einer Anlaufstelle sind der klare Ausdruck dafür,
dass ein wesentlicher Teil der Grenzcampvorbereitung ein abgrundtiefes
Mißtrauen gegen die von ihnen mobilisierten Leute hegt. Denkt man diese
deprimierende Tatsache scharf zu Ende, dann manifestiert sich darin nicht
nur eine ganz elementare Verletzung jeglicher autonomer
Organisierungsprinzipien; es existiert im Grunde genommen auch so gut wie
keine Basis mehr zur Durchführung dieses Camps. Fast folgerichtig kursieren
die Phantasien eines nicht zu unterschätzenden Teils der
Grenzcampvorbereitung um die Einrichtung ausgefeilter Disziplinar- ;
Observations- ; Behandlungs- und Sanktionssysteme. Und die realisieren
sich allemal noch besser in der Ordnung eines "Lagers". Wenn politisches
Denken und Handeln so im trostlosen Strafrechtshorizont verendet, wird jede
Möglichkeit einer freien Assoziation liquidiert. Darüber muß öffentlich
gesprochen werden, solange das völlig unreflektierte und
erfahrungsfeindliche Herumhantieren mit den Kategorien "Opfer" und "Täter
und die sonstigen angedachten fürchterlichen Praxen auf dem Camp noch nicht
Wahrheit geworden sind. Das wird kein einfaches Spiel. Wir treten
schließlich gegen die zentnerschwere Last und Oberflächenplausibilität des
düsteren Polizei- und Strafrechtshorizonts an. Und den teilen in dieser
Gesellschaft aus wohlerwogenen Interessen bekanntlich noch ganz andere. So
sind wir derzeit durch die politische Vorbereitung dieses Camps mit einer
Entwicklung konfrontiert, in der sich ein unbedingter Wille zum Erfolg mit
dem Drang zur Verdrängung von - politischen - Konflikten paart; das
Grenzcamp, gedacht als eine effiziente Erfolgs- und Konsensmaschine ohne
Sinn und Verstand. In dieser Auseinandersetzung appellieren wir aber nicht
an die RepressionsexpertInnen, doch bitte umzukehren. Eine auf die
Perspektive von Glück und Befreiung gerichtete intellektuelle Anstrengung
darf nicht den Fehler begehen, die Kritik in das ruinöse Terrain falsch
gestellter Fragen zu bannen. Die richtige Antwort auf eine falsch
gestellte Frage ist immer noch die, eine andere Frage aufzuwerfen. Ein
Mißverständnis ist es aber zu glauben, das wir es in dieser
Auseinandersetzung von uns aus "gut" meinen; Nein, wir werden uns die
Freiheit nehmen "schwarz zu malen". Die für Dienstag um 16.30 Uhr auf dem
Camp zu der Frage der Einrichtung einer Anlaufstelle geplante
Veranstaltung ist dann ein gutes Forum, wenn wir sie in ein TeachIn
umwandeln. Und zwar nicht zu Klischeeformeln des "Anti-Sexismus", sondern
über den Zusammenhang von Politik, Straflust und Repression. Wir sind auf
die Tänze, die das auslösen wird, sehr gespannt.

Weder Repression noch Observation ! / Konflikte nicht nach sonstwohin
delegieren, sondern direkt führen ! / Begehren und Sex sollen auch auf dem
Grenzcamp Spaß und keine Angst machen !