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4. antirassistisches Grenzcamp vom 27. Juli bis 5. August 2001 beim Flughafen Frankfurt/Main
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Die Erfindung der Grenze

von campzeitung - - 25.07.2001 00:51

Die Existenz von Grenzen zwischen verschiedenen Ländern ist genausowenig "gottgeben" oder natürlich, wie die Aufteilung der Menschheit in verschiedene "Rassen" und Nationalitäten. Grenzen sind vielmehr eine Erfindung, die erst mit der Gründung von Nationalstaaten an Bedeutung gewannen und ihre Funktion zur Flüchtlingsabwehr vor knapp 100 Jahren erhielten.

Ohne Frage gab es schon seit der Antike den Versuch der Menschen bzw. der jeweilig Herrschenden, das "eigene" Gebiet gegenüber der Aussenwelt abzugrenzen, sei es mit einer klaren Linie oder nur einer vagen Beschreibung. Diese im allgemeinen unbewachten Grenzen dienten bis ins Mittelalter der Identifikation mit der Gemeinschaft und fanden nur im Zuge militärischer Konflikte eine grössere Beachtung.
Später spielten sie als Zollgrenzen eine wirtschaftspolitische Rolle.

Die unzähligen Grenzen zeichnete bis ins 18. Jahrhundert aus, dass sie kaum markiert und ständigen Verschiebungen unterworfen waren. Erst mit Herausbildung der Nationalstaaten gewannen auch die Grenzen an Bedeutung. Die Konstruktion (vermeintlich) national homogener Gebiete mit gleicher Sprache und Tradition bezieht sich grundlegend auf den Dualismus vom Innen und Aussen - dies zu trennen ist die Aufgabe der Grenze.

Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts erfüllten Grenzen somit eine wichtige ideologische Funktion. Sie waren aber für die Menschen durchlässig - und bei den wenigen Ausnahmen ging es lediglich darum, dass Staaten versuchten, die Ausreise der eigenen Bevölkerung, d.h. von dringend benötigten Arbeitskräften, Steuerzahlern und Wehrpflichtigen, zu verhindern. In Frankreich stand auf die illegale Ausreise die Todesstrafe. Die Einreise von Migranten dagegen war in allen europäischen Staaten ausdrücklich erwünscht. In Deutschland, besser gesagt in Preußen, führte der Antisemitismus erstmals 1881 zu Überlegungen, die Grenzen gegen Juden zu schließen, die aus Russland vor Pogromen flüchteten. Diese Idee wird von nationalen Kräften zu Beginn des
1. Weltkrieges aufgegriffen, die die Forderung nach Grenzschließung mit der "Rassenpflege" begründen. Die Preußische Regierung geht aber zu Zeiten des Krieges nicht auf diese Forderungen ein, da ausländische Arbeitskräfte dringend benötigt werden. Zum Ende des Krieges (April 1918) verhängt Preußen allerdings die Grenzsperre gegen Juden aus Osteuropa und schiebt diejenigen ab, die während des Krieges zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt wurden. Allerdings konnte die lediglich gegen Juden verhängte Grenzsperre in der Praxis kaum umgesetzt werden, weil es an technologischen Mitteln zur Durchsetzung mangelte und die deutschen Grenzbeamten mehr der Korruption als dem Antisemitismus zugeneigt waren.

Der wachsende Antisemitismus und Nationalismus führte in vielen
europäischen Ländern zu Beginn des 20. Jahrhundert zu Pogromen, Kriegen, Vertreibungen und Umsiedlungen von sogenannten ethnischen Minderheiten, die nicht mehr auf dem eigenem Staatsterritorium geduldet wurden. Dies produzierte zum einen erstmals in der Geschichte der Menschheit große Flüchtlingsbewegungen, zum anderen erlangten Grenzziehungen - als Ursache und Folge der massenhaften Migration - eine herausragende Bedeutung. Mehrere Länder begannen, den Grenzverkehr zu kontrollieren und zu beschränken. Als Reaktion auf die faschistischen Diktaturen in Spanien, Italien und Deutschland und den dadurch hervorgerufenen Flüchtlingsströmen schlossen viele Länder ihre Grenzen ganz. Einige Länder nahmen sogar Verhandlungen mit dem Dritten Reich auf, um die Flucht in ihre eigenes Land zu minimieren. So schlug die Schweiz den nationalsozialistischen Behörden vor, deutsche Ausreisewillige mit einem Stempel im Pass zu brandmarken, damit die Schweizer Grenzbeamte die Einreise untersagen könnten. Ende der 30er Jahre galt Shanghai als einziger Ort der Welt, in dem Juden für die Einreise kein Visa benötigten.

Die Existenz der gut gesicherten Westgrenze der DDR kam der BRD in zweifacher Hinsicht zu Gute. Zum einen übernahm die DDR damit für die BRD die Abschottung vor unerwünschter Migration. Das ging soweit, dass die BRD, die die innerdeutsche Grenze nicht anerkannte und deswegen auch keine Grenzkontrollen an ihr vornehmen wollte, die DDR 1985 erfolgreich dazu drängte, die Einreise von nichtdeutschen Flüchtlingen nach Westberlin zu unterbinden. Anderseits wurde das DDR-Grenzregime aufgrund antikommunistischer Motivation immer öffentlich angeprangert und
Reisefreiheit eingefordert. Fluchthelfer, die heute Schlepper genannt und wie Schwerstverbrecher bis zu zehn Jahren Haft verurteilt werden können, galten damals als nationale Helden, erhielten das Bundesverdienstkreuz und vom Bundesgerichtshof per Urteil zugesichert, dass bis zu 40.000,- DM ein legitimes Endgeld für eine Schleusung wären, welches die Flüchtlinge auch von der Steuer absetzen konnten. Als 1989 die Grenzen der osteuropäischen
Länder geöffnet wurden, hatte die BRD nicht anderes zu tun, als
schleunigst den Visumszwang für die Menschen einzuführen, deren Freiheit immer so lautstark eingefordert wurde.

Parallel zur Verurteilung von DDR-Grenzbeamten ging die Aufstockung des BGS an der deutschen Ostgrenze, die in 10 Jahren weit mehr Tote als die innerdeutsche Grenze in 40 Jahren gefordert hat. In den letzten Jahren haben wir eine Ausweitung der Grenzen
nach innen und aussen erlebt. Die Grenzen, für die sich Deutschland
zuständig fühlt und dementsprechend auch finanziell, technisch und
personell unterstützt, liegen an den jeweiligen Ostgrenzen von Polen,
Rumänien usw., aber auch auf Schiff- und Flughäfen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Neben der Aufrüstung der deutschen Ostgrenze finden zunehmend auch "Grenz"-Kontrollen im Landesinneren statt: erst nur in der 30 km-Zone, später auf wichtigen Verkehrswegen und Verkehrsknotenpunkten, inzwischen in Innenstädten und auch auf kleinen Straßen, die getreu der paranoiden Logik der "Organisierten Kriminalität" als "Schleichwege" der Migration gelten.