Home | Eigene Texte | Download als Acrobat Reader- Datei (PDF)

73 Schulen sind nicht genug.
Alle Schulen schließen!

 
 

>>Radio Island #13 berichtete über die Veranstaltung

>>Redebeiträge

 

 

Alle Schulen schliessen!

Das sächsische Kultusministerium plant die Schlie ßung von ca. 73 Schulen im gesamten Freistaat. Schü lerInnen, LehrerInnen und Eltern überschlagen sich förmlich beim Protest gegen die geplanten Kürzungen. Hunderte Aktionen verschiedenster Art brachten bis jetzt schon die Ablehnung zum Ausdruck, welche ein Großteil der Bevölkerung gegenüber den Vorhaben der Regierung empfindet. Da sorgen sich die Einen um längere Schulwege, die Anderen um die sinkende Qualität des Unterrichts und mehrheitlich schlägt man betrübt die Stirn in Falten, wegen der Angst um den Bildungsstandort Deutschland.

Wir sagen: Schluss damit! Jetzt und Sofort!

Was ist eigentlich mit den Schulen, die immer noch offen sind? Wer hat sich eigentlich schon mal um die Schülerschaft gesorgt, welche dort immer noch hin muss? Wer hat eingeklagt, unter welchen Zuständen heranwachsende Menschen in den staatlichen Bil dungsanstalten zurechtgestutzt werden? Wir wollen nicht 73 Schulen geschlossen sehen. Wir wollen nicht 100 neue öffnen. Wir fordern das Ende der Schulzeit für immer und die Schließung aller Schulen! Jetzt und sofort!

Ein Großteil der jungen Leute, welcher sich tagtäglich in deutschen Erziehungsanstalten einer Wissensbe strahlung aussetzen muss, weiß sehr wohl, was Schule konkret für den einzelnen Menschen bedeutet: frühes Aufstehen, Leistungsdruck, Zensuren, ständige Ernied rigung seitens der LehrerInnen oder SchülerInnen, Überwachung, Autoritäten, Strafen und bleierne Lan geweile. Tausende Schüler und Schülerinnen wissen genau, was es mit der Schule auf sich hat, wenn sie sagen: Schule nervt! Schule kotzt an! Schule stinkt!

Die Reaktionen von Eltern und Lehrern darauf sind ebenso bekannt. In einer Dreistigkeit, welche ihres Gleichen sucht, werden derartige Beschwerden als pu bertär belächelt und ihrer Ernsthaftigkeit beraubt. Da wird erniedrigend darauf hingewiesen, dass „man sich nicht so haben soll“, dass „jeder Dinge tun muss, auf die er keine Lust hat“, oder dass man doch bitte schön „erwachsen werden soll“. Zusätzlich hintergangen von den ewig schleimenden Schülern, welche ihren Lieb lingslehrern bei jeder Gelegenheit den Arsch hinterher tragen und deren Erniedrigungen lächelnd als eigenes Gedankengut übernehmen und durch Schulstrafen, die Überwachung der Eltern u.ä. unter Druck gesetzt, lernen die meisten Menschen schnell, dass die Schule als so etwas wie ein „notwendiges Übel“ hingenom men werden muss. Schule bereitet den Menschen aufs Leben vor, heißt es. Das mag zwar stimmen, aber was soll das denn bitte für ein Leben sein, auf das man mit Stress, Autoritäten, Zensuren, Überwachung, Erniedri gung und Gewalt vorbereitet werden muss?

Im wesentlichen erfolgt in der Schule eine Erziehung der Menschen zu willigen Verkäufern ihrer Arbeitskraft, welche gesellschaftliche Normen und Regeln völlig verinnerlicht haben. Als staatliche Institution muss sie gewährleisten, dass jedes Individuum in einem lang jährigen Prozess auf den Takt von Stunde und Pause, auf den Takt von Arbeit und Freizeit eingestimmt wird. In dieser Funktion ist Schule nicht etwa eine herzens gute Einrichtung, in der alle Menschen kostenlos das hohe Gut der Bildung genießen dürfen, sondern die Zurichtungsanstalt schlechthin. Bereits im frühen Kin desalter muss in der Grundschule bspw. gelernt wer den, dass Spielzeuge nicht in den Ranzen gehören, dass man während des Unterrichts aufmerksam sein muss, nur bei Aufruf sprechen darf und den Befehlen des Lehrkörpers Folge zu Leisten hat. Eigene Bedürf nisse wie Essen, Trinken, aufs Klo gehen oder einfach gesellig miteinander reden, müssen in den kleinen Zeitraum der Pause verlegt werden und sind auch dann der Aufsicht der Lehrer unterstellt und durch Normen und Regeln eingeschränkt. Wer das nicht schnellst möglich verinnerlicht, wird von Lehrern bestraft und gedemütigt oder als „Klassenkasper“ dem Spott sei ner MitschülerInnnen ausgesetzt. Dieser schmerzhafte Prozess wird keineswegs freiwillig durchgemacht. Zum Einen ist man durch die Schulpflicht gezwun gen, die Schule zu besuchen und zum anderen ist dieser Lernprozess von Anfang an geprägt durch das Verhältnis zwischen Schülern als Zwangsauszu bildende und den Lehrern als Autoritätspersonen. Diese Hierarchie, also eine klare Form struktureller Gewalt, ist von Anfang an Teil des Lernprozesses und kann nicht hinterfragt werden.

Den Lehrern stehen dabei zahlreiche Strafen zur Verfügung, um die gesetzlosen Insassen zu züch tigen. Angefangen bei Strafarbeiten oder demüti genden Aufgaben wie die Reinigung von Schulhaus oder Toiletten bis hin zu Tadeln, Verweisen oder schlimmstenfalls dem unfreiwilligen Schulwechsel, steht eine breite Palette an Zwangsmaßnahmen zur Verfügung. Der Staat schreibt das so vor, die Lehrer führen es willig aus.

Um im späteren Leben 8 Stunden am Tag produktiv arbeiten zu können, ohne sich durch eigene Vorlie ben ablenken zu lassen, bedarf es dieser gewalt tätigen Erziehung. Daher richtet sich unsere Kritik nicht gegen die Vermittlung von Wissen, bzw. gegen Bildung im Allgemeinen, sondern gegen Schule als Zurichtungsanstalt, in der eben diese Wissensver mittlung immer eine untergeordnete Rolle einnimmt. In der Schule ist Wissen nur insofern relevant, wie es für eine gute Note zu gebrauchen ist. Nicht nur der gern benutzte Spickzettel beweist das. Wenn bspw. in einer Arbeit das abgefragte Wissen nicht darge legt werden kann, so erfolgt nicht die verständnis vollere Vermittlung, sondern aufgrund schlechter Noten im Endeffekt der Ausschluss von weiterer Bil dung. Auch ein schlechter Durchschnitt in einer Ar beit führt nie zur Wiederholung des Stoffgebietes, er kann nur zur Wiederspiegelung der Leistungsfä higkeiten von Schülern und Schülerinnen dienen.

Durch dieses Bewertungssystem werden die Schü ler und Schülerinnen zu funktionierenden, marktfä higen und leistungsorientierten Menschen erzogen. Zeit für eigene Interessen bleibt da kaum. Bis zu 10 Stunden täglich wird man in der Schule körperlich und vor allem geistig nahezu eingesperrt. Hinzu kommen zahlreiche Hausaufgaben und Prüfungen, sowie Erwartungsdruck der Eltern. Außerdem wird so der Konkurrenzzwang schon frühzeitig als selbst verständlich erlebt und meist als notwendiges Übel akzeptiert. So wird dem Schüler bzw. der Schülerin bald deutlich gemacht, dass nur der oder die gut durchs Leben kommt, welche(r) sich konform und loyal verhält und Ordnung, Fleiß und Mitarbeit mit enormer Leistungsbereitschaft verbindet. Eine kei neswegs selbstverständliche und schon gar nicht gesunde Mischung. Mittlerweile haben 40% der Zwölfjährigen in Deutschland Kreislaufprobleme, ein Drittel leidet unter Haltungsschäden, Schlaf störungen, Kopf- und Magenschmerzen. Jährlich machen 30.000 deutsche Jugendliche einen Selbst mordversuch, 1.000 enden tödlich.

Wer glaubt man könne dem entgehen, in dem man zum Beispiel eine Schule ohne Autoritäten oder gar eine in der keine Noten vergeben werden etabliert, irrt gewaltig! Zwar gibt es dort scheinbar keine fremden äußeren Einwirkungen, welche die Schü ler und Schülerinnen disziplinieren und fordern, doch will man später eine Chance im Berufsleben haben, ist dies sogar die bessere Möglichkeit, da man so schon in der Schule lernt sich selbst zuzu richten und auch ohne Chef mit voller Energie seine Arbeit zu verrichten. Geförderte Klassendynamik oder Selbstdisziplinierung ist also nur eine andere Form von Gewalt und hat mit gewaltloser Erziehung nichts zu tun.

Unsere Kritik zielt also nicht auf eine Reformierung des Schulwesens. Es kann nicht unser Vorhaben sein, das kapitalistische System zu modernisieren. Eine Schulkritik, welche sich gegen die zurichtende Funktion dieser staatlichen Institution richtet, muss ebenso eine radikale Kritik der Gesellschaft sein, auf welche man mit Gewalt vorbereitet werden muss. Daher muss Schule als staatliche Zurichtungsanstalt ebenso beseitigt werden wie die kapitalistische Ge sellschaft im Allgemeinen. In diesem Sinne:

Alle Schulen schließen!
Nie wieder Arbeit!
Kapitalismus abschaffen!