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Erklärung Leonard Peltiers an die TeilnehmerInnen der Auftaktkundgebung
zum Leonard­Peltier­Monat am 1. November 1999

Seid gegrüßt Schwester, Brüder, Freunde und Unterstützer,

Ich hoffe, dass alle, die von weit her gekommen sind, um heute hier zu sein und ihre Liebe und Unterstützung für mich zu zeigen, eine problemlose Fahrt hatten, und hoffe, dass die Rückfahrt genauso sein wird. Ich möchte euch allen von tiefsten Herzen Danke sehr sagen.

Der 6. Februar 2000 wird der vierundzwanzigste Jahrestag meiner Gefangenschaft sein – vierundzwanzig harte Jahre. Es ist in meinem Leben viel geschehen. Mein Vater, wie auch eine meiner Schwester und ein Bruder sind zu den Geistern gegangen. Das waren besonders schwere Zeiten für mich, da ich immer eine sehr innige Beziehung zu meiner Familie hatte. Ich wollte so sehr bei ihrem Begräbnis dabei sein, aber dies wurde mir selbstverständlich verweigert. Alles, was ich also machen konnte, war zu beten, dass sie eine gute und sichere Reise in die Geisterwelt haben würden. Es wurde mir nicht gegönnt zu sehen, wie einige meine Kinder zu tollen jungen Erwachsenen aufwuchsen – ein paar nicht so toll, aber sie sind alle Erwachsene geworden und bestimmen ihre eigenen Leben.

Seit sechzehn Jahren bin ich nun Großvater und habe sieben Enkelkinder. Ich habe gelernt, dass Großvater zu sein eine besonderes Geschenke des großen Geistes ist. Alexandria (16) und Cyrus (14) sind in meiner Nähe, im 30 Meilen entfernten Lawrence, Kansas, wo sie von besonderen Freunden und Unterstützer seit acht Jahren erzogen werden. Glaubt mir, dies ist eine enorme Hilfe und Erfahrung für mich, während ich diese Strafe verbüße. Ich wusste nicht, dass ein Mensch jemanden so sehr lieben konnte, wie ich diese beiden Jungs liebe. Ich sage nicht, dass die letzten acht Jahre sorgenlose Jahre waren. Es gab Zeiten, in denen ich nicht mal wusste, ob sie ein Dach überm Kopf hatten. Dazu kam, dass sie selber kein sorgenfreies Leben hatten und es dadurch ihrem Vormund es nicht leicht machten, woraus Probleme entstanden, Probleme, die ich von meiner Gefängniszelle aus nicht lösen konnte. Ich möchte den Leuten, die ihre Heime zur Verfügung stellte und mir bei der Erziehung der beiden halfen, umarmen und küssen und Danke sagen.

Mit 55 Jahren ist meine Gesundheit nicht die beste. Die meisten von Euch werden schon wissen, was mir im medizinischen Zentrum für Bundesgefangene in Springfield, Missouri angetan wurde. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass die Operationen mit Absicht vermasselt wurden, ich würde gern glauben, dass es nicht so war. Dem behandelnden Arzt, Tom Collins, der ein guter Mensch war und ist, gebe ich keine Schuld. Aber der Gefängnisbehörde gebe ich schon die Schuld, da Dr. Collins im medizinischen Zentrum nicht operieren wollte, weil es nicht für derartige Operationen ausgestattet ist. Und nun habe ich ständig Schmerzen und kann nicht richtig essen. Ich weiß nicht, was ich machen kann. Tausende, wenn nicht Millionen von Euch haben die Behörde angeschrieben, gefaxt und Emails geschickt, ohne Auswirkung. Ich startete einen Aufruf an Anwälte und bat sie um ihre Hilfe, aber ich bekam keine Antwort. Also reichte ich selber eine Anklage ein, sie wurde vom Gericht abgewiesen mit der Begründung, dass meine Gesundheitsprobleme keine grausame und ungewöhnliche Behandlung seien.

Ich nehme an, dass Gefangene in America immer so behandelt werden. Stellt Euch vor, dies passiert in einem Land wie China oder Irak, der Aufschrei wäre riesig und ohrenbetäubend. Ich kann mich daran erinnern, als es der US­Regierung vor einigen Jahren darum ging, die chinesischen Dissidenten freizubekommen. Gerade als es um ihren Gesundheitszustand ging, berichtete das Fernsehen ständig, wie krank die chinesische Dissidenten seien, und dass die chinesische Regierung sich weigerte, sie behandeln zu lassen. Da ich selber weiß, was für ein großer Lügner die Regierung ist – die Medien sind auch nicht besser, sie drucken alles, was die Regierung ihnen sagt ­, fing ich an zu glauben, dass es wahr war. Ich dachte mir, sie sollten sie rauslassen. Als sie endlich freigelassen wurden und in die USA kamen, wurden sie sofort in das John Hopkins Medical Center eingeliefert. Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus berichteten sie, dass sie im guter gesundheitlicher Verfassung seien, wegen Magenblähungen behandelt wurden und einer eine neu Brille bekommen hatte. Was für eine Beleidigung für die chinesische Regierung musste das gewesen sein. Es ist nicht verwunderlich, dass sie den USA nicht mehr vertrauen oder sie mögen.

Wir haben in diesem Jahr einige positive Sachen gesehen und erfahren. Zum Beispiel, als Clinton meine puertoricanischen Genossen und Freunden freiließ. Natürlich nicht ohne Kontroverse und es wurden vielen von uns bewusst, dass dies nicht im Namen der Gerechtigkeit geschah, sondern um mögliche Wahlstimmen für Hillary bei der Senatswahl zu gewinnen. Trotzdem, müssen wir es dem Präsidenten zugute halten, dass er es gemacht hat. Ich war schon ein bisschen traurig, als mein guter Freund und Genosse Luis Rosa uns verließ, aber glücklich zu wissen, dass er dieser Gefängnishölle verlassen hat. Ich weiß, dass sie niemanden enttäuschen werden. Wenn die anderen so wie Luis sind, denn gibt es einige gute Genossen draußen.

Ich kann natürlich nicht mit eigenen Augen sehen, wie viele von Euch heute hier sind. Ich weiß, dass meine Leute von LPDC ununterbrochen gearbeitet haben, um diese Novemberkampagne zu organisieren. Und ich hoffe, dass alle, die sich für mich einsetzen und stehend oder sitzend meine Worte hören, genauso entschlossen sind wie die Leute von LPDC, mit neuer Kraft meinen Fall voranzutreiben. Ich glaube immer noch, dass es gemacht werden kann. Während ich hier sitze und schreibe, kann ich es immer noch nicht fassen, dass, obwohl Millionen von Menschen in der ganzen Welt meine Freiheit fordern, die Regierung alles ignoriert und ich aufgrund einer juristischen Formsache weiterhin in Haft bleiben muss. Laut der Verfassung der Vereinigten Staaten ist dies nicht zulässig, die Schuld eines Angeklagten muss zweifelsfrei bewiesen werden. Dennoch bin ich hier und es scheint nicht, als ob sich meine Lage in der nächsten Zukunft ändern wird. Was für eine widerwärtige Respekt­ und Ehrlosigkeit denjenigen gegenüber, einschließlich meinen eigenen Familienmitgliedern, die im Krieg im Übersee für Gleichbehandlung und Gerechtigkeit für alle kämpften. Neuerdings wurde bekannt, dass das FBI und die Staatsanwaltschaft die oberste Gesetzeshüterin Janet Reno angelogen hatten. Dies war für mich und meine Unterstützer keine Überraschung, meinem Fall betreffend wissen wir dies seit 20 Jahren. Fällt Euch nicht auf, dass die Mainstream­Medien hierüber überhaupt nicht berichten? Was für ein Witz diese Worte sind, Mainstream­Medien. Über das Massaker in Waco wird neuerdings nicht mehr berichtet, was nur heißen kann, das es eine neue Vertuschung geben wird.

Der kanadische Justizminister veröffentlichte neulich den Untersuchungsbericht über meine Auslieferung. Ja, schon wieder eine Vertuschung. Wenn ihr ihn lest, werdet ihr schon merken, was für ein Witz er ist. Sie behaupten, dass es ausreichende Indizienbeweise für meine Auslieferung gab. Wenn dies so wäre, warum mussten sie dann die Falschaussage Myrtle Poor Bears erfinden? Für wie dumm halten sie uns? Die Tatsache ist, hätten sie nicht die Falschaussage Poor Bears erfunden, wäre ich nicht wegen der Mordanklage an Süd Dakota ausgeliefert. Das ist der Kern der Sache…

Ich weiß, dass meine Familie und meine Unterstützer von diesem Kampf um meine Freiheit müde werden. Ja, es war auch für mich ein langer harter Kampf. Ich denke mir, dass es nicht so schlimm wäre, wenn wir ein Licht am Ende des Tunnels sehen könnten, meinen Freilassungstermin wussten. Aber es gibt offensichtlich so ein Licht nicht, also kann ich Euch wahrhaftig nicht sagen, dass ich Euch bald sehen werde. Ich kann nur sagen, dass ich hoffe, dass ich Euch bald sehen werde. Ich träume von dem Tag, an dem ich Euch persönlich bedanken kann.

Zuallerletzt kann ich wahrhaftig sagen, dass ich nie aufgeben werde. Ich bitte Euch alle, mich nicht aufzugeben. Wir können und wir werden diesen Kampf gewinnen. Dessen bin ich mir sicher. Ich reiche Euch die Hand, ich umarme Euch in Liebe und in Freundschaft. Danke, meine Freunde, für Eure Liebe.

Im Geiste Crazy Horse
Leonard Peltier

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