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Erklärung Leonard Peltiers anläßlich des 25.Jahrestags der Erschießung in Oglala

26. June, 2000
Seid gegrüßt FreundInnen und UnterstützerInnen,

fünfundzwanzig Jahre sind vergangen seit der tödlichen Schießerei auf der Farm von der Familie Jumping Bull, und seit fünfundzwanzig Jahren werde ich von meinem Volk und meinem zu Hause, welches für mich Oglala ist, ferngehalten. Ich vermiße es, bei euch zu sein, weil ich die Lakota­Lebensart immer geliebt habe. Ich habe das Volk der Lakota immer geschätzt, insbesondere die Oglalas wegen ihrer Stärke, Entschlossenheit und ihrem Mut, den Kampf um die Erhaltung unserer Lebensart und Selbstbestimmung fortzusetzen. Kein einziger Tag vergeht, ohne daß ich davon träume, bei Euch zu Hause zu sein. Vierundzwanzig Jahre inhaftiert zu sein, sind eine lange Zeit, aber wenn ich draußen wäre und Ihr mit der gleichen Brutalität konfrontiert wäret, wie unter dem Regime Wilsons, würde ich nicht zögern, mich neben Euch zu stellen und mich der gewalttätigen Repression, der Ihr ausgesetzt wäret, entgegenstellen.

Ich bin jedoch nicht draußen, ich bin immer noch hier eingesperrt, und es waren keine einfachen 24 Jahre. Knast ist ein widerlicher, gewalttätiger Ort. All dies könnte mich aber nicht daran hindern, Euch zu unterstützen, bis die große Nation der Oglala frei ist. Ich weiß, daß viele eurer Probleme fortbestehen. Korrumpierte Vertreter der Stammesregierung nutzen das Volk immer noch aus, und Straftaten gegen Natives haben wenig, wenn nicht gar keine Priorität. Es macht mich traurig zu wissen, daß nach allem, was wir während der 70iger Jahre durchgemacht haben, unser Volk immer noch so viel leidet. Die Erinnerung an all diejenigen, die ihr Leben ließen während dieser Zeit, quält mich noch immer.

Während wir an diesem Gedenktag zusammenkommen, ist mir bewußt, daß auch das FBI an diesem 25.Jahrestag seiner toten Agenten gedenkt. Ich mache ihnen deswegen weder Vorwürfe, noch bin ich dagegen. Ich denke, daß alle Menschen ihrer Gefallenen gedenken sollten, aber wenn man ihr Vorhaben analysiert, ist man mit der kalten rassistischen Wirklichkeit konfrontiert. Sie haben weder ein einziges Mal unsere gefallenen Krieger und unschuldigen Traditionalisten, die in den 70iger Jahren nach Wounded Knee II abgeschlachtet wurden, erwähnt, noch werden sie dies jemals tun. Nicht mal Joe Killsright Stuntz werden sie erwähnen. Sie geben nicht zu, daß es falsch war, das grausame und korrupte Regime unter Dick Wilson zu unterstützen. Für sie sind in Wirklichkeit indigene Menschen keine Menschen. Die Greueltaten sind bekannt und wer solche Greueltaten leugnet, leugnet auch, daß die Opfer Menschen waren. Das Hitler­Regime tat das Gleiche mit den Juden.

Aber verwechselt meine Enttäuschung bitte nicht mit Gefühlslosigkeit gegenüber dem Leben der verstorbenen Agenten. Die Familien der Agenten haben mein Mitgefühl, weil ich aus eigenener Erfahrung weiß, was es bedeutet, jemanden, der einem nahe steht, zu verlieren. Viele Menschen, die mir nahe standen, sind im Laufe der Jahren durch sinnlose Gewalt ums Leben gekommen, und hätte ich an jenem Tag gewußt, was passieren würde und es hätte verhindern können, hätte ich dies auch getan.

Aber bevor wir eine Aussöhnung über jene schwierigen Zeiten erreichen können, müssen wir zuerst Gerechtigkeit erfahren. Wir müssen darüber hinaus die Frage stellen, wann das Leben unseres Volkes genauso respektiert und geschätzt werden wird, wie das anderer Menschen? Wann werden sie aufhören, unser Volk einfach ins Gefängnis zu stecken, ohne die Überprüfung und Sorgfalt, welche das Rechtssystem angeblich garantiert? Wann wird der allgemeine Lehrsatz 'im Zweifel für den Angeklagten' für uns ebenfalls gelten? Wann wird unsere Schuld bewiesen werden müssen, anstatt einfach angenommen? Wir leiden gleichermaßen, werden aber nicht gleichermaßen behandelt. Es gibt Hoffnung auf eine bessere Zukunft und Frieden, aber um in Frieden leben zu können, müssen wir in Würde und ohne Angst leben können.

Zum Abschluß möchte ich betonen, daß eure Stimmen wichtig sind und eure Beteiligung in der Kampagne für meine Freiheit eine entscheidende Bedeutung hat. Ihr kennt die Wahrheit, und nur ihr könnt der Realität aus jenen brutalen Zeiten Ausdruck verleihen. Wichtig ist auch, daß ihr die Jugend darüber aufklärt, wofür wir uns eingesetzt haben und warum, denn sie sind unsere Hoffnung für die Zukunft. Sie können unseren Traum verwirklichen, daß unser Volk auf unsere Kultur stolz sein wird, eine gute Ausbildung, Ernährung und medizinische Versorgung haben, und vor allem Gerechtigkeit erfahren wird. Ihr sollt wissen, daß ich immer noch mit euch bin, obwohl ich hinter diesen Mauern in meiner Wirkung eingeschränkt bin, und daß ich weiterhin alles in meiner Macht stehende tun werde, um euch von hier aus zu unterstützen. Das einzig Gute an meiner Situation ist, daß meine Stimme Gehör findet, und meine Stimme ist Eure Stimme, also bitte ich Euch nicht zu zögern, mir zu schreiben oder mich durch das LPDC darüber zu informieren, was los ist.

Ich werde allmählich alt, und mein Körper fängt an zu verfallen. Manchmal überlege ich mir, wie lange ich mit Euch allen noch auf Mutter Erde verweilen darf. Ich hoffe, daß es noch etwas dauert, weil ich mich sehne nach Euch, meiner Familie und meinen FreundInnen, um einige Zeit mit Euch zu verbringen. Doch auch wenn ich nicht zu euch nach Haus kommen kann, werde ich im Geiste immer bei euch sein, bei jedem Sonnentanz und jeder rituellen Zusammenkunft, zusammen mit den Erinnerungen, sowohl an die glücklichen wie auch die schmerzhaften Zeiten, die wir zusammen verbracht haben.

Im Geiste Crazy Horse,

Leonard Peltier

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