12/8/99
Mumia Abu­Jamal

Das Gesetz in seiner majestätische Gleichheit, verbietet sowohl den Reichen wie auch den Armen unter Brücken zu schlafen, in den Straßen zu betteln, und Brot zu stehlen.
­ Anatole France (1844­1924) Französischer Schriftsteller

Während der Dow­Jones­Index (Dow Jones Industrial Average) und die NASDAQ (National Association of Securities Dealers Automated Quotations) täglich neue Rekordhöhen erreichen und alle führenden Medien den "wirtschaftlichen Aufschwung" anpreisen, ist das Problem der Obdachlosigkeit weit verbreitet.

Ein neulich ausgestrahlter Fernsehbericht behauptet, daß es allein im Stadtgebiet New Yorks über 400.000 Millionäre gibt, und daß eine Handvoll Leute ein Jahreseinkommen haben, die das einiger Länder übersteigen. Mitten in diesem bespiellosen Reichtum, in einem der reichsten Länder der Erde, gibt es bitterste Armut und sogar Obdachlosigkeit.

In seiner Antwort, die den Begriff "drakonisch" eine ganz neue Bedeutung verleiht, gab Rudolph Giuliani, der Bürgermeister von New York, Pläne der Stadt bekannt, mitten im Winter Tausende von Frauen, Kindern und Männern, die in städische Heimen hausen, auf die kalten Straßen New Yorks zu setzen. Obdachlose sollen in Zukunft einen neuen Übernachtungsplatz finden ­ das Gefängnis Rikers Insel! Und diejenigen, die es wagen, ein städisches Obdachlosenheim aufzusuchen, werden gezwungen zu arbeiten, im Grunde genommen Sklavenarbeit, oder ihnen werden die Kinder entrissen und in Pflegeheime gebracht! In klassischer autokratischer Manier hat Giuliani Obdachlosigkeit kriminalisiert! Mit der eher engstirnigen Boshaftigkeit eines Gefängniswärters, als der eines Politikers, hat Giuliani entschieden, die Obdachlosen entweder zu verbannen oder zu tyranniseren. Sie von der Straßen zu verbannen oder zur Annahme von Arbeitsstellen zu zwingen, die sonst keiner will, unter Drohung von Gefängnis oder ihre Kinder zu verlieren.

Für die obdachlosen Armen gibt ist es keinen wirtschaftlicher Aufschwung, sondern eine Zeit des entfesselten Terrors. Wenn Obdachlosigkeit eine Straftat ist, dann eine, die von einem System begangen wird, das das Volksvermögen nicht fair verteilt, arme Jugendliche nicht ausbildet und keine ausreichenden Sozialleistungen anbietet. In einem Land, wo Reichtum am Erstrebenswerteste ist, ist Armut das größte Vergehen. Weil sie die Straßen mit ihrer Anwesenheit besudeln, sollten nach dem rücksichtlosen Il Duce Giuliani die Armen ins Gefängnis gesteckt werden, und lieber in eine Gefängniszelle als in ein Obdachlosenheim, weil dort können sie dem Gefängnis­Industrie­Komplex dienen. Indem er seinem zügellosen Ehrgeiz freien Lauf läßt, ist dies Giulianis Arbeitsstellenbewerbung bei der herrschenden Klasse. Aber Rudis Wahnsinn hat eine übelwollende Methode, denn als Bürgermeister der Hauptstadt des Kapitals sind die Interessen der Großunternehmer vorrangig für ihn. Es waren diese Interessen, die auf die sogenannte "Sozialreform" (gleichbedeutend mit der Abschaffung von Sozialleistungen) drängten jetzt auf Sklavenarbeitsmethoden bei Obdachlosen drängen. Warum? Die Wissenschaftler Frances Fox Piven und Richard A. Cloward in der New Class War (Pantheon, 1982/1985) vertraten die Ansicht, daß Sozialhilfe die Position der Arbeiterklasse verstärkt:

Wenn die Verzweiflung der Arbeitslosen durch den Zugang zu verschiedenen Sozialleistungen gemildert wird, werden sie weniger bereit jegliche Arbeit anzunehmen... Kurz gesagt...es setzt sich die Meinung unter Fachleuten aller politischen Überzeugungen durch, daß Einkommenserhaltungsprogramme die Fähigkeit des Kapitals, Löhne durch ökonomische Unsicherheit zu drücken, geschwächt haben, insbesondere durch Manipulation der relativen Anzahl der Arbeitsuchenden. Eigentlich haben diese Programme die Kampfbedingungen zwischen Kapital und Arbeit verändert, mit dem Ergebnis, daß Arbeitslosigkeit etwas von ihrem Schrecken verloren hat, sowohl für Arbeitslose als auch für die noch Beschäftigten [ff. 26, 31].

Dier Abschaffung dieser Programme, welche die Aufgabe Rudis sind, dient dem Terror, in Gestalt der Obdachlosen, zur Disziplinierung und Zügelung der beunruhtigten Arbeiterklasse.

(c)MAJ