Infos/Artikel zu Mumia Abu­Jamal

Mumias Situation nach dem neuen Hinrichtungsbefehl und
dem neuen Antrag beim Bundesgericht

Von Clark Kissinger, 14.10.99

Was folgt ist eine kurze Zusammenfassung der aktuellen juristischen Situation von Mumia, gedacht für Aktivisten und Sprecher, die zu Mumia arbeiten. Es wird erklärt, warum jetzt ein größerer Schwerpunkt auf die Forderung gelegt werden muß, daß das Bundesbezirksgericht (federal district court ) eine Anhörung zu Mumias neuem Antrag gewährt.

Wird Mumia am 2. Dezember hingerichtet?

Nein, aber sein Leben ist in größter Gefahr. Da am 15. Oktober ein Antrag auf ein neues Verfahren für Mumia beim Bundesbezirksgericht eingelegt wurde, wird erwartet, daß der Bundesrichter in Kürze einen Aufschub der Hinrichtung gewähren wird. Ein Aufschub ist natürlich nur eine zeitliche Verschiebung, die es dem Richter erlaubt, den neuen Antrag zu prüfen. Mumia bleibt unter Hinrichtungsbefehl und der Aufschub wird aufgehoben, nachdem das Bundesgericht die Überprüfung des Falls abgeschlossen hat.

Gouverneur Ridge unterzeichnete den Hinrichtungsbefehl im vollen Wissen, daß Mumia vorhatte, einen Antrag auf ein neues Verfahren innerhalb weniger Tage einzureichen, und daß der Hinrichtungsbefehl dann aufgeschoben wird. Das ist genau das Selbe, was er schon 1995 gemacht hat, als er den Hinrichtungsbefehl unterschrieb, kurz bevor Mumia einen Antrag auf ein neues Verfahren bei den Landesgerichten (state courts) einreichte. Es ist ein politischer Schritt um die Leute irrezuführen und Druck auf die Gerichte auszuüben.

Was ist die Bedeutung von Mumias neuem Antrag?

Dies ist der kritischste Moment in dem ganzen Revisionsverfahren. Ein Richter des Bundesbezirksgerichts wird gebeten, eine Anhörung zu Mumias Antrag auf eine Habeas Corpus­ Verfügung abzuhalten. Ein Antrag auf Habeas Corpus (lateinisch für "Laßt uns den Körper haben") kommt aus dem englischen Gewohnheitsrecht, wo es die Anrufung eines Gerichts war, damit dieses überprüfe, ob die Verhaftung "durch den König" von jemand legal war. Wurde dem Antrag stattgegeben, befahl das Gericht dem Sheriff des Königs, den "Körper" in den Gerichtssaal " zu bringen" und zu rechtfertigen, warum er festgehalten werde. Diese Praxis entwickelte sich in den USA zu einem Verfahren, durch das Bundesgerichte gebeten werden, Verurteilungen durch Landesgerichte zu überprüfen. Praktisch bedeutet das, daß die Regierungen der Einzelstaaten nicht das absolute Recht haben, einem Menschen die Freiheit oder das Leben zu nehmen.

Weshalb ist so eine Anhörung so wichtig? Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben alle Anhörungen innerhalb des Systems von Pennsylvanias Landesgerichten stattgefunden und Richter Sabo hatte den Vorsitz.. Sabo wies routinemäßig Anträge auf Offenlegung prozeßwichtiger Urkunden zurück und lehnte Vorladungen von SchlüsselzeugInnen der Verteidigung ab. Sabos Vorgehen wurde vom Obersten Gerichtshof Pennsylvanias (Pennsylvania Supreme Court) abgesegnet, dessen Richter mehrheitlich durch die Fraternal Order of Police Zuwendungen erhalten.

Von daher wäre eine Anhörung vor einem Bundesgericht Mumias ERSTE wirkliche Chance darauf, daß die Beweise angehört und überprüft werden. Es wird auch Mumias LETZTE Chance sein, die Beweise und ZeugInnen, die die Gerichte Pennsylvanias abgelehnt hatten, zu präsentieren. Nach dem Bundesbezirksgericht werden alle höheren Bundesberufungsgerichte (Federal Appeal Courts) nur die Prozeßakten überprüfen ­ sie werden keine neuen Beweise anhören.

Was sind die Folgen der neuen Bundesgesetze auf Berufungen in Todesstrafenfällen?

Die Gefahr ist: Der Richter des Bundesbezirksgerichts, der den Fall bekommt, ist nicht verpflichtet, Mumia eine Anhörung zu gewähren. Er könnte einfach nur die Akten des Prozesses auf Landesebene lesen und davon ausgehend entscheiden. In der Tat ist der Effective Death Penalty Act (Gesetz zur effektiven Festsetzung der Todesstrafe) von 1996 genau dazu bestimmt, Bundesgerichte von der Überprüfung und der Aufhebung von Todesurteilen, die von Landesgerichten verhängt wurden, abzuhalten. Deshalb sind öffentliche Aktionen für Mumia so wichtig. Die Regierung muß eine laute Forderung der Bevölkerung nach einer Anhörung zu hören kriegen, damit die Beweise angehört werden, was ein neues Verfahren für Mumia rechtfertigen würde. Mit dem Effective Death Penaty Act wird versucht, das Bundesrecht auf Habeas Corpus abzuschaffen. Mit dem Aushängeschild "Föderalismus" versuchen dieses neue Gesetz sowie die aktuellen Urteile des Obersten Gerichtshofs der USA (U.S. Supreme Court) Entscheidungen der Ländergerichte endgültig zu machen und weitaus weniger davon der Überprüfung durch Bundesgerichte auszusetzen. "Föderalismus" ist nur ein neuer Name für die alte Doktrin der "Länderrechte" ("states rights"), mit denen versucht wurde, jegliche Überprüfung von rassistischen Gerichten in den Südstaaten durch Bundesgerichte zu verhindern. Solche Überprüfungen durch Bundesgerichte waren eine der größten Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung, die die Regierung jetzt rückgängig zu machen versucht. Dies muß massiv bekannt gemacht werden.

Was sind die Folgen davon, daß der Oberste Gerichtshof der USA Mumias Antrag am 4. Oktober abgelehnt hat?

Zu einem früheren Zeitpunkt diesen Jahres reichte Mumias Anwaltsteam auch einen Antrag beim Obersten Gerichtshof auf ein "writ of certoriari" ein. Dies ist eine Aufforderung an den Obersten Gerichtshof, einen Fall zu betrachten, bevor es zum normalen Habeas Corpus­ Verfahren kommt. Manchmal tut der Supreme Court dies, wenn eine wichtige juristische Frage aufgeworfen wird. In Mumias Fall wurde der Supreme Court gebeten, zu entscheiden, ob es verfassungskonform sei, ihm das Recht zu verweigern, als sein eigener Anwalt aufzutreten und ihn aus dem Gerichtsaal zu verbannen als er gegen diese Verweigerung protestierte. In der Ablehnung dieses Antrags sagte der Supreme Court, daß er diese Fragen nicht jetzt behandeln werde ­ daß der Fall erst vor das Bundesbezirksgericht und das Bezirksberufungsgericht (Circuit Court of Appeals) gebracht werden müsse. Der Oberste Gerichtshof der USA hat NICHT gegen Mumia bezüglich der Wichtigkeit der Fragen die er aufwarf geurteilt.

Was passiert, wenn der Richter des Bundesbezieksgerichts Mumias Antrag auf ein neues Verfahren ablehnt (Habeas Corpus ablehnt)?

Wenn der Richter des Bundesbezirksgerichts gegen Mumia urteilt, wird Mumia beim 3. Bezirksberufungsgericht auf Bundesebene Berufung einlegen. Aber wenn der Richter für Mumia entscheidet, ist es sicher, daß der Staat von Pennsylvania Berufung beim 3. Bezirksgericht einlegt.

Also wird es zwei Runden bei Bundesgerichten in Philadelphia im Laufe des nächsten Jahres geben (das Bezirksgericht und das Bezirksberufungsgericht).

Im Allgemeinen werden die Verfahren vor Bundesgerichten viel schneller laufen als bei den Landesgerichten. Deshalb kommen wir jetzt in die letzte Phase unseres Kampfes für das Leben von Mumia. Deshalb müssen wir nun mit einem stärkeren Dringlichkeit und Entschlossenheit handeln.

Übersetzt von Solidaritätskomitee MAJ, Saarbrücken
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