Infos/Artikel zu Mumia Abu­Jamal

Noch ein Strafbericht...wegen Rappen!

Nachdem ich es die ganze Woche über versucht hatte, kam am Donnerstag den 12. August, 1999 das Telefonat zustande: mit Amy Goodman, Moderatorin der hochgelobten Nachrichtenmagazin, "Demokratie Jetzt" beim Radio Pacifica, das von WBAI­FM in New York ausgestrahlt wird, und über das Netzwerk landesweit. Ich war aufgeregt sie zu erreichen, und da ihr Thema das Gerücht über die anstehenende Freilassung der puertoricanischen Freiheitskämpfer und politischen Gefangene war, war es der ideale Anlaß, Solidarität mit den mutigen und überzeugten puertoricanischen Freiheitskämpfer auszudrucken, die während ihrer Gefangenschaft unter ihren amerikanischen Kolonisatoren enorm gelitten haben. Nachdem sie mit Angehörigen der Independentistas gesprochen hatte, erklärte Amy ihren Zuhörern, sie habe einen Gast (mich) an der Strippe, der vielleicht seine Ansichten zur Debatte darlegen könnte. Es lief in etwa so ab:

AG [Amy Goodman]: Nach einigen Schwierigkeiten haben wir aus einem Staatsgefängnis in Pennsylvania unseren Gast Mumia Abu­Jamal am Apparat, der wegen Mordes an dem Philadelphia Polizisten Daniel Faulkner in 1981 verurteilt wurde; in einem Gerichtsverfahren, das von vielen als verfassungswidrig und sonstwie fehlerhaft verurteilt wurde....Mumia, willkommen bei Demokratie Jetzt.

MAJ: Danke Amy, es freut mich, bei euch von Demokratie Jetzt dabei zu sein

AG: Nun, Mumia, ich bin mir sicher, daß du schon über das Thema unserer heutigen Sendung gehört hast; die anstehende Freilassung von etwa 16 PR politischen Gefangene, unter bestimmten Bedingungen....hast du gehört?

MAJ: Ja, eigentlich, ich sah irgendwas im Fernsehen darüber, und meine Meinung dazu ist folgendes: Nach der Verfassung hat jeder das Recht der Versammlungsfreiheit. Für diese Brüder und Schwester ist Freiheit eigentlich keine Freiheit, oder? Zuerst, möchte ich sagen:
Libertad para los presos politicos de Puertoriqueno!
"Ja, Freiheit für alle puertoricanischen politischen Gefangene!"
Ja! Wir sind dafür!
Aber, nach den Plänen der US­Regierung werden sie nur quasi frei sein; es wird ihnen nicht erlaubt sich zu treffen, also ist ihre Versammlungsfreiheit außer Kraft gesetzt. Außerdem, eine der Bedingungen, die der Regierung ihnen auferlegte, ist, daß sie der "Gewalt absagen". Nun, Amy ­ kommt dir das nicht bekannt vor? Wenn wir die neuere Weltgeschichte betrachten, sehen wir, daß die Rassistenregierung Südafrikas genau dies von Nelson Mandela und den anderen ANC­Gefangenen forderte...

In diesem Moment wurde meinen Anruf unterbrochen. Ein Schließer hatte den Telefonstecker rausgezogen. Ein zweiter tauchte an der Zellentür auf und brüllte, "Dieses Telefonat ist beendet". Ich verlangte eine Begründung und er antwortete, "Der Befehl kommt von ganz oben!" Sofort fragte ich seinen Vorgesetzten, der daneben stand und zusah, "Sergeant! Woher kommt dieser Befehl?"

Er zuckte mit den Achseln und antwertete, "Keine Ahnung. Wir bekamen einen Anruf, daß wir dich unterbrechen sollen.."

Die Antwort kam am nächsten Tag in der Form eines Strafberichts ­ #A69958­, in dem mir eine Klasse­I­Regelverletzung vorgeworfen wurde: unerlaubte Benutzung von Post oder Telefon. In dem Bericht werden die folgende Verletzungen der Gefängnisregeln aufgeführt:

Am 12. August 1999 um 09 Uhr 36 Minuten rief Insasse Jamal den Nachrichtenprogramm namens Demokratie Jetzt beim Radionsender Pacifica an. DC­ADM 009 Pressekontakte legt fest, daß Anfragen der Presse bezüglich Interviews mit Insassen nach Ermessen der Gefängnisleitung genehmigt werden können. Der Insasse Jamal hat keine Interviewgenehmigung beantragt. Außerdem, setzte der Insasse Jamal einen Jouralisten auf seine IPIN­Liste, wohl wissend, daß dieser ein Journalist ist. Dies bestätigen die Dokumenten im Anhang. Darüber hinaus legt DC ADM 6.5.8 fest, daß jede Kommunikation zwischen Gefangenen, die wegen Kapitalverbrechen verurteilt wurden, und Medien den Regeln der Besuchs­ und Telefonprivilegen der Gefängnisbehörde und der Gefängnisleitung unterliegen. Telefonate sind ein Privileg. Da Insasse Jamal von der Gefängnisleitung keine Genehmigung zum Interview und Gespräch mit den Medien beantragt hatte, wurde sein Telefonat nach 11 Minuten beendet.

Dieser Strafbericht wurde von einem Lieutenant und einem Captain unterzeichnet.

Um diesen Strafbericht zu erwirken, mußten hohe Beamte ihre eigene Regeln ignorieren, z.B. DC­ADM 009­1, vom 11. Nov., 1996, welche festlegt:

Pressemedien sind die gleiche Zugangsmöglichkeiten zu spezifischen Gefangene zu gewähren wie zur breiten Öffentlichkeit. Es bedarf keine Sonderregelung für Interviews der Nachrichtenmedien mit Insassen. Jede Kommunikation zwischen spezifischen Insassen und den Medien sollten gemäß DC­ADM 812 (Insassenbesuchprivilegen) und DC­ADM 818 (Insassentelefonate)...[d] folgen. Sollte ein Insasse mit einem Medienvertreter per Telefon zu sprechen wünschen, dann ist er für das Zustandkommen des Telefonats verantwortlich, unter Berücksichtigung der in DC­ADM 818 festgelegten Richtlinien.

Es gibt Regeln ­ und es gibt Regeln, so scheint's, besonders wenn der Staat es mit Mumia Abu­Jamal zu tun hat. In diesem Fall verpaßt mir die Gefängnisbehörde einen Strafbericht nach einer Regel, die es nicht mehr gibt! Aber seit wann waren für korrupten Bürokratien, die den lauen Winden ihrer politischen Herren folgen, Regeln ein Hindernis?

Ganz klar, hier wird nicht nach ‚Regeln' gearbeitet: es arbeitet die Ausführende politischer Macht des Staates, um einen Gefangen zu Zensieren, den sie nochmal zum Schweigen bringen wollen. Aber wie vorher, es funktioniert nicht. Ich danke Amy und ihre leidenschaftlich politisch erfahrenen Zuhörer von "Demokratie Jetzt" für die wunderbare Möglichkeit, Solidarität zu zeigen. Ihr hört weiter zu...Ich werde weiter rappen!

[14/8/99] © 1999 Mumia Abu­Jamal
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