Infos/Artikel zu Mumia Abu­Jamal

Protest während des Republikaner­Parteitag

Während der designierte republikanische Präsidentschaftskandidat George W. Bush am Dienstag auf dem Konvent seiner Partei die militärische Stärkung der USA beschwor, prügelte die Polizei in Philadelphia Demonstranten zusammen. Mehrere Personen wurden dabei verletzt. Mit Sitzblockaden an zehn großen Verkehrskreuzungen behinderten die Demonstranten den Verkehr im Stadtzentrum, mehr als 480 Protestierer wurden vorübergehend festgenommen. Der Protest richtete sich vor allem gegen die Todesstrafe, deren Befürworter Bush ist, und gegen den »Gefängnis­Industrie­Komplex«. Darüberhinaus forderten die Demonstranten die Freilassung von Mumia Abu­Jamal. Die heftigsten Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei gab es in der Nähe des Hotels, in dem Bush in den nächsten Tagen logieren wird. Demonstranten besprühten Polizeiautos mit Farbe und zerstachen die Reifen. Die Beamten gingen mit Schlagstöcken gegen die Menge vor. »Die Polizei hat die Samthandschuhe ausgezogen, um jetzt die eiserne Faust zu zeigen«, kritisierte ein Sprecher der amerikanischen Bürgerrechtsvereinigung ACLU gegenüber junge Welt. Polizei der Stadt, des Staates und des Bund sowie die Armee wurden in Alarmbereitschaft versetzt.
aus j.W. vom 3.8.2000

Mutiges Handeln gewürdigt
Seit Republikanerparteitag noch immer über 150 Demonstranten in Haft. Solidaritätstag in den USA

Am Donnerstag nachmittag versammelten sich auf dem Times Square in New York City Demonstranten, um die Forderung nach Freilassung aller seit den Protestaktionen um die »National Convention« der Republikanischen Partei in Philadelphia in Haft gehaltenen auf die Straße zu tragen. Zum gleichen Zeitpunkt folgten auch in Baltimore und anderen Städten viele dem Aufruf des New Yorker International Action Center (IAC), sich an die Seite der immer noch inhaftierten 155 von ursprünglich 425 Demonstranten zu stellen. Larry Holmes, Co­Direktor des IAC: »Diese Gefangenen haben angesichts brutaler Mißhandlungen, drastischer Anklagen und ungeheuerlich hoher Kautionssummen mutig gehandelt. Die Fortdauer ihrer Haft verletzt nicht nur auf flagrante Weise ihre Rechte, sie dient auch als Testfall für eine neue illegale Polizeistrategie, die darauf abzielt, die neue antikapitalistische und antirassistische Jugendbewegung zu zerschlagen, die sich überall im Land regt.« Holmes, selbst einer der Verhafteten und mittlerweile wieder in Freiheit, weiter: »Die Gefangenen befinden sich in einem Hungerstreik gegen die Mißhandlungen, denen sie unterworfen sind. Alle, die noch an ihr Recht glauben, frei von staatlicher Repression und Vorbeugehaft demonstrieren zu können, müssen jetzt ihre Solidarität mit diesen Brüdern und Schwestern zeigen.«

Wie junge Welt berichtete, hatte es schon vor dem Beginn des Parteikonvents tagelang direkte Aktionen in Philadelphia gegeben. Am 1. August gab es die meisten Verhaftungen, als mit Sitzblockaden während der Rush Hour der Verkehr im Stadtzentum zum Erliegen gebracht wurde. Die Proteste richteten sich gegen den »Gefängnis­Industrie­Komplex«, gegen Polizeiübergriffe und die Todesstrafe. Darüber hinaus wurde die Freilassung von Mumia Abu­Jamal gefordert.

George W. Bush, der auf dem Wahlparteitag von 2 000 begeisterten Delegierten zum Präsidentschaftskandidaten gekürt wurde, ist als Gouverneur von Texas für 139 Hinrichtungen verantwortlich. Aufsehen erregte zuletzt die Hinrichtung von Shaka Sankofa (Gary Graham) am 22. Juni. Dem Durchmarsch Bushs in der Frage der Todestrafe entsprach das brutale Vorgehen der Polizei. Unterschiedslos waren Junge und Alte, Demonstrierende und Zuschauende festgenommen und in Haftzellen zusammengepfercht worden. Platzwunden, gebrochene Rippen, ein gebrochener Arm und gebrochene Finger waren Verletzungen, mit denen sich Festgenommene in den Zellen wiederfanden. Dort erwarteten sie Prügel, Fußtritte, tagelange Fesselung mit Plastikhandschellen in Hockstellung oder »gekreuzigt« an Gittern fixiert. In einzelnen Fällen kam es zu sexuellen Mißhandlungen. Andere berichteten von psychischer Folter durch Isolationshaft und Schlafentzug. Am schlimmsten traf es die, die sich weigerten, ihren Namen zu nennen und Fingerabdrücke nehmen zu lassen.

Die Gründe für Festnahmen und Untersuchungshaft beziehen sich alle auf einfache Handlungen zivilen Ungehorsams, wie sich vor einen Bus stellen, der Delegierte zum Parteikonvent bringen sollte. Die Anklagen lauten auf »Besitz von Gegenständen zur Begehung einer Straftat (verdecktes Mitführen von Blockademitteln und Anti­Todesstrafen­Transparenten), Verschwörung zur rücksichtslosen Gefährdung einer Person, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Verschwörung zum Widerstand gegen die Staatsgewalt, unordentliches Verhalten und Verschwörung zur Begehung einer Sachbeschädigung an einer Schnellstraße«. Einige dieser Vorwürfe gelten als Ordnungswidrigkeiten, andere bereits als schwerwiegende Vergehen. So erklären sich die horrenden Kautionssummen, die sich zwischen 2 500 und 100 000 Dollar bewegten, in zwei Fällen aber sogar auf eine Million Dollar festgesetzt wurden. Die horrende Forderung trifft langjährige Aktivisten des »kreativen gewaltlosen Widerstands«, bei denen angeblich Fluchtgefahr vorliegen soll. Die anwaltlichen Bemühungen, die Gerichte zur Senkung der Kautionen zu bewegen und die Mißhandlungen von Gefangenen gerichtlich feststellen zu lassen, dauern zwölf Tage nach den Ereignissen noch an und werden nicht selten behindert.

Sicher auch mit Blick auf die zu erwartenden Protestaktionen beim Konvent der Demokraten jetzt am Wochenende in Los Angeles stellten Gefangene in einer Erklärung fest: »Wir sind 24 männliche Gefangene im Curran­ Fromhold­County­Jail und sind wegen unserer Teilnahme an den gewaltlosen Protestaktionen des 1. August in Haft. Die sorgfältig inszenierten Konvente beider großen Parteien haben nichts mit Demokratie zu tun. Es sind von Großkonzernen finanzierte Prunkveranstaltungen, die ein System der Klassenherrschaft legitimieren sollen, das den menschlichen Geist und unseren Planeten zerstört. Wir sind politische Gefangene: Wir sind hier, weil wir es gewagt haben, uns der Macht der Konzerne entgegenzustellen, die mit diesen Veranstaltungen der Herrschaft der Minderheit einen Schein der Zustimmung der Mehrheit geben wollten. Wir sind ungebrochen und unerschütterlich in unserer Solidarität. Wir sind vereint in unserem Kampf für wirkliche Demokratie und für eine Ende der kapitalistischen Herrschaft im allgemeinen und für ein Ende des ungerechten Justizsystems im besonderen.«

Jürgen Heiser in der junge Welt vom 12.8.2000

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