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Rede vom 4. Mai an der Kent State Universität von Mumia Abu­Jamal

DAS WAHRE WESEN DES STAATS

Als ich gefragt wurde, einige Worte zu schreiben über das Massaker an der Kent State Universität am 4. Mai 1970, füllte sich mein inneres Auge wie ein Eimer unter einem leckenden Waschbecken. Jedes Wort ein Tropfen, nicht Wasser, sondern Blut. Jeder Tropfen ein runder schillernder Spiegel, der in eine rote Schüssel plumpst und überläuft. Jeder Tropfen ist ein glänzender Ort, der in einem Wort eine ganze Welt verbindet. My Lai. Kent State. Hiroshima. Philadelphia. Tulsa. Jackson State. Rosewood. Haymarket Square. Waco. Wounded Knee. Sand Creek. Fort Pillow. Attica.

Wie jeder weiß, der die Geschichte studiert, könnte diese Liste endlos erweitert werden, weil Massaker ein Bestandteil des amerikanischen Unternehmens sind. Was diese blutigen Meilensteine in der Geschichte, und der relativ neuen Geschichte des 20.Jahrhunderts, könnte ich hinzufügen, uns lehren, ist die Allgegenwärtigkeit von Staatsgewalt, und auch daß die staatlichen Akteure ganz offen Taten begehen, die, wenn sie woanders geschehen würden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit genannt werden könnten.

Wie lange waren die ausgebildeten Mörder von Kent State im Gefängnis? Wie war es mit den ausgebildeten Mördern von Jackson State? Ich meine, sie bekamen die gleiche Haftstrafe wie die Bombadierer des MOVE­Hauses in Philadelphia, die gleiche wie die bestens ausgebildeten Mörder von Waco, und im Endeffekt die gleiche wie die Mörder Amadou Diallos und die blutrünstige Mörder von Attica. Nichts, keine Haftstrafe, weil diese für das System, keine Straftaten waren. Kent State zeigt, daß eine sogenannte freie Gesellschaft Studenten abschlachtet, die ihr angeblich von der Verfassung garantiertes Recht, für Frieden zu demonstrieren wahrnehmen, und ihre Mörder dafür belohnt und dies auch noch ganz offen.

Die Leidenschaft, die über eine Viertel Million Menschen auf die Straßen gegen den Krieg in Vietnam trieben, ist in den letzten 30 Jahren abgekühlt. Aber für viele, die Armen, die radikal Andersdenkenden, die Gefangenen und zunehmend die schwarzen Jugendlichen, findet der Krieg im eigenen Land statt. Kent State war wirklich ein scheußlicher und blutiger Meilenstein, aber wie Amadou Diallo zeigt, das vom Staat vergossenen Blut fließt immer noch. Es zeigt uns auch die sehr realen Grenzen des Gesetzes auf. Wenn der Staat selber Straftaten begeht, denn schreien alle diese furchterregende Beispiele aus dem Leichenhaus der Geschichte zu uns. Und keiner dieser blutrünstigen vorsätzlichen Massenmörder verbrachte auch nur eine einzige Stunde im Gefängnis.

Was sagt das über das Wesen der Dinge? Ist es nicht so, daß die vier Jugendlichen in Kent State liquidiert wurden, weil sie ihre von der Verfassung garantierten Rechte in Anspruch nahmen? Was sagt das über das wahre Wesen des Staates? Von Amerika? Von der Verfassung? Von My Lai? Von Kent State? Von Hiroshima? Von Philadelphia? Von Tulsa? Von Jackson State? Von Rosewood? Von Haymarket Square? Von Waco? Von Wounded Knee? Von Sand Creek? Von Fort Pillow? Von Attica?

Ortsnamen für Massenmorde. Blutstropfen, die in einen riesigen blutigen Eimer fallen: einen Eimer namens Amerika.

Ona Move! Long Live John Africa!
From death row, this is Mumia Abu­Jamal.

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