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leicht gekürzt aus Computer-Bild 21.05.01

Orts-Kenntnis

Wer wann wen anruft - Netzbetreiber speichern diese Daten monatelang. Sogar der Standort von Handys wird erfasst

Die Netzbetreiber sammeln über ihre Kunden fleißig Daten, speichern munter mit, von wo der Mobiltelefonierer seine Telefonate führt, und löschen die Daten erst Monate später. Eine richterliche Anordnung genügt, damit diese Daten an Polizei und Staatsanwaltschaft herausgegeben werden. Der Verdacht einer Bagatell-Straftat reicht bereits aus.

Das bekam auch Anna Friedrich* zu spüren. Sie arbeitet als Journalistin, kassierte wegen der Recherche in einem Kriminalfall eine Anzeige. Sie soll sich am Telefon als Polizistin ausgegeben haben, um Informationen zu erhalten, lautet der Vorwurf. Das wäre Amtsanmaßung, ein minder schweres Delikt. Und darauf steht eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, vergleichbar mit Schwarzfahren oder Ladendiebstahl.

Die Staatsanwaltschaft reagierte dennoch hart: Die Daten der Handy-Telefonate von Anna Friedrich und einer ebenfalls verdächtigten Kollegin wurden vom Netzbetreiber nachträglich abgefordert, um zu ermitteln, wer das Gespräch geführt hatte.

Standort der Telefonate wird gespeichert

Überraschung bei der Betroffenen. Anna Friedrich: "Die Daten des Netzbetreibers E-Plus Mobilfunk enthielten nicht nur die Angaben, wann ich mit wem telefoniert hatte, sondern obendrein noch die Daten über meinen Standort während des Gesprächs!" Das ist nur möglich, wenn solche Daten bei jedem Handy-Telefonat gespeichert werden. Und zu dem Zeitpunkt als Anna Friedrich ihr Handy benutzte, war sie eine unbescholtene Bürgerin.

Anna Friedrich ist empört: "Sogar kostenlose Gespräche, die nicht auf der Rechnung auftauchen, waren im Ausdruck an die Staatsanwaltschaft enthalten."

Die Netzbetreiber würden das Thema am liebsten unter den Teppich kehren. D2-Vodafone-Pressesprecher Matthias Andreesen: Wir speichern keine Daten über den Aufenthaltsort des Handys, auch nicht bei den Gesprächsdaten. Computerbild wurde aber eine Ermittlungsakte aus einem abgeschlossenen Verfahren zugespielt, die beweist, dass von D2 Standort-Informationen bei jedem Gespräch gespeichert und auf Anfrage den Ermittlungsbehörden mitgeteilt wurden - genau wie im Fall von Anna Friedrich. Dies geht auch aus dem den Akten beigefügten D2-Merkblatt für die Ermittlungsbehörden hervor.

Die Pressestelle von E-Plus bestätigte, dass die Kennung der verwendeten Basisstation bei E-Plus gespeichert wird.

Kunden mit den beliebten Vorkasse-Karten (Prepaid) sind kaum im Vorteil: D2 beispielsweise speichert bei diesen Kunden keine Standortdaten - wohl aber die Daten, wann und mit wem telefoniert wurde.

Besitzer von Vorkasse-Handys kaum im Vorteil.

Als Vorkasse-Kunde von D2 erhalten Sie auch dann keinen Einzelverbindungsnachweis, wenn Sie dies wünschen. Den Ermittlungsbehörden übergibt das Unternehmen die Daten jedoch auf deren Anfrage.

Auch beim Speichern der Rufnummern läuft nicht alles ganz korrekt: E-Plus beispielsweise speichert die gewählten Rufnummern vollständig. auch nach dem Versand der Rechnung. Dies gilt selbst dann, wenn der Mobilfunkkunde einen verkürzten Einzelgesprächsnachweis erhält Kasten. Tatsächlich wird offenbar lediglich der Ausdruck für den Kunden gekürzt die letzten drei Stellen der Nummer werden durch "XXX" ersetzt.

"Netzbetreiber handeln rechtswidrig"

Selbst die ohnehin laschen gesetzlichen Bestimmungen werden nicht vollständig umgesetzt. Die Telekommunikationsdatenschutzverordnung fordert klar: Für die Berechnung des Entgelts "nicht erforderliche Daten sind unverzüglich zu löschen." Die Praxis sieht anders aus. Peter , Sprecher des Bundesbeauftragten für Datenschutz: "Das Speichern der Standortkennung ist grundsätzlich unzulässig, sofern dies für die Abrechnung nicht zwingend notwendig ist." Die Netzbetreiber verstoßen mit ihrer Speicherpraxis also gegen geltendes Recht. Peter Büttgen: "Die Standortdaten sind spätestens am Tag nach Ende der Verbindung zu löschen." Er empfiehlt, sich vom Netzbetreiber Auskunft darüber geben zu lassen, welche Daten gespeichert sind, an wen sie weitergegeben und wann sie gelöscht werden. Die Anbieter sind nach 5 34 des Bundesdatenschutzgesetzes verpflichtet, Auskunft zu geben.

Barbara Steinhöfel, Referentin für Telekommunikation Verbraucherzentrale, stößt ins gleiche Horn: "Wenn mehr Daten gespeichert werden, als für die Rechnungserstellung notwendig sind, betrachten wir das als Verstoß gegen das Datenschutzgesetz." T-Mobil-Pressesprecherin Andrea Vey: "Bei uns entscheidet sich der Kunde durch Ankreuzen der entsprechenden Option für oder gegen eine Speicherung der Gesprächsdaten nach Rechnungsstellung." Ein Wahlrecht, ob die Standortdaten gespeichert werden oder nicht, räumt T-Mobil seinen Kunden aber nicht ein.

Für Polizei und Staatsanwaltschaft ist es von großem Vorteil, dass die meisten Bürger Handys haben. Sie können sich im Datenvorratslager der Netzbetreiber bedienen und so bei Ermittlungen in Erfahrung bringen, wer wann mit wem telefoniert hat und wo er sich gerade aufhielt.

Kein Wahlrecht für Handy-Kunden

Selbst die Frage, wer um eine bestimmte Uhrzeit eine bestimmte Rufnummer angerufen hat, lässt sich beantworten. Rechtsanwältin Karina Hesse stellt fest: "Der dazu notwendige richterliche Beschluss nach § 12 FAG ist nur eine Formsache und wird in aller Regel schnell erteilt. Dabei beweist die Gesprächsliste wenig. Denn wer das Telefonat tatsächlich geführt hat, ist daraus nicht ersichtlich."

Besonders bedenklich: Journalisten haben, ähnlich wie Geistliche, Ärzte oder Anwälte, ein besonderes Zeugnisverweigerungsrecht, Denn sie sollen ja über aktuelle Vorfälle berichten und müssen ihren Tippgebern Schutz gewähren, um an Informationen zu kommen. Müssten Journalisten nach einem Bericht über jugendliche Sprayer oder Rechtsradikale vor Gericht "auspacken" und die Personalien der Betroffenen preisgeben. würden sie und damit die Öffentlichkeit keine Informationen mehr erhalten.

Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Deutschen Presserats: "Wir sehen die Herausgabe von Gesprächsdaten sehr kritisch, weil dies zur Gefährdung des Informantenschutzes führen kann." Er empfiehlt Journalisten, bei heiklen Recherchen eine Telefonzelle oder das Handy eines Freundes zu benutzen.

In einem bekannten Fall ist eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig: ZDF-Journalisten hatten mit Kontaktmännern des Millionenbetrügers Jürgen Schneider telefoniert. Die Staatsanwaltschaft ließ ihre Handys überwachen und konnte so orten, wo sie sich aufhielten. Auf diese Weise ließen sich Kontaktpersonen von Schneider ausfindig machen, durch deren Überwachung er in Florida aufgespürt und schließlich geschnappt wurde. Das Bundesverfassungsgericht muss nun klären, ob es rechtens war, Journalisten zu beschatten. Das Verfahren ist seit 1996 anhängig, eine Entscheidung in dieser grundlegenden Frage ist bislang noch nicht verkündet worden.

Dem Staat reicht die derzeitige Regelung noch nicht aus. Die Überwachung soll ausgebaut werden. Der Präsident der Gesellschaft für Informatik, Professor Heinrich C. Mayr, bezeichnet den Entwurf der neuen Telekommunikations-Überwachungsverordnung als "Bedrohung der Freiheitsrechte". Der Österreicher sieht Deutschland bereits auf dem Weg in den Überwachungsstaat, so wie er in Orwells Zukunftsroman " 1984 " beschrieben wurde.