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Israelische Autoritäten verhindern medizinische Hilfe, um politischen Druck auszuüben

Auszüge aus einem Statement der Vereinigung israelischer und palästinensischer Ärzte und Arztinnen

Mein Name ist Dr. Rushama Marton. Ich bin gelernte Kinderärztin und Psychiaterin und zur Zeit Vorsitzende der Vereinigung Israelischer und Palästinensischer Ärztinnen und Ärzte. Diese Organisation wurde im März 1988 gegründet, um unethische Praktiken wie die systematische Verzögerung der medizinischen Behandlung, das Eindringen bewaffneter Truppen in Krankenhäuser und die Entfernung Verlemer aus medizinischen Institutionen zum Zwecke des Verhörs zu dokumentieren, darüber zu berichten und dagegen zu protestieren.

Seit Beginn des Aufstands hat die israelische Besatzungsmacht eine angemessene medizinische Versorgung verhindert, um damit eine individuelle und kollektive Bestrafung und politischen Druck auszuüben.

Eine Form der Beeinträchtigung besteht darin, in die Arbeit palästinensischer Ärztinnen einzugreifen. Die Vereinigung hat versucht, palästinensische Ärztinnen vor Administrativhaft (ohne Anklage und Gerichtsurteil, Anm.), der Verweigerung von Durchfahrgenehmigungen und anderer Methoden zur Behinderung ihrer medizinischen Pflichterfüllung zu bewahren.

Das Niveau medizinischer Versorgung auf der West Bank und im Gasa­Streifen ist trotz einiger Anstrengungen seitens beauftragter Beamter immer schon deutlich hinter dem Israels zurückgeblieben. Seit Beginn der Intifada haben sich die Bedingungen erheblich verschlechtert. Vor dem Aufstand stellte die Zivilverwaltung der West Bank der palästinensischen Bevölkerung 31.000 Krankenhaustage zur Verfügung. Diese Zahl ist inzwischen auf 10.000 gesenkt worden. Zusätzlich haben die Besatzungskrähe es zur Pflicht gemacht, im voraus für drei Tage Krankenhausaufenthalt zu bezahlen, und es ist schwierig geworden, ohne Bezahlung die Leichen Verstorbener ausgehändigt zu bekommen. Dies vor dem Hintergrund zunehmender Verwundungen und Todesfälle und einem bisher nicht gekannten Bedarf an medizinischer Versorgung.

Die verschiedensten militärischen Vorschriften dienen dazu, die medizinische Versorgung schwer zu machen. Palästinensische Städte, Dörfer und Flüchtlingslager stehen oh mehrere Tage lang unter Ausgangssperre. Wenn eine Gemeinde unter Ausgangssperre steht, ist es schwierig oder unmöglich, Ambulanzen oder ein medizinisches Team hineinzuschicken und nur die grundlegendste Versorgung zu gewährleisten. Zum Beispiel berichtete ein amerikanischer Augenzeuge, dass am 19. November 1988 im Dorf Beita ein 11jähriges Kind von der Armee angeschossen und sechs Stunden lang blutend auf der Hauptstrasse liegen gelassen wurde, während medizinische Teams und seine Familie von der Armee daran gehindert wurden, zu ihm zu gelangen. Bei der Ankunft im Hospital wurde das Kind für tot durch Verbluten erklärt. Seine Familie musste für den Leichnam 1.300 israelische Schekel bezahlen.

Die Bedeutung des Faktors Zeit kann an einem weiteren Fall illustriert werden. Einem 18jährigen Jungen aus der Gegend von Nablus war am 30. September 1988 durch den Hals geschossen worden. Zur Behandlung bedurfte er einer Korrekturoperation, die nur im Hadassah-Hospital in Jerusalem durchgeführt werden konnte. Die Zivilverwaltung forderte 8.000 israelische Schekel für die Operation. Seine Familie konnte die notwendigen Mittel nicht zusammenbekommen. Bis Dezember ist die Operation nicht durchgeführt worden. Da der Jugendliche ständig mit dem Tode rang, war sein geistiger Zustand ebenfalls beeinträchtigt. Als Ärztin und als Mensch halte ich es moralisch für untragbar, dass die Leiden Verletzter in dieser Weise für politische Ziele ausgenutzt werden.

Zur Zeit gibt es 200 Kinder auf der West Bank, die an Krebs erkrankt sind und in Israel behandelt werden müssen, weil die medizinischen Einrichtungen der West Bank für ihre Betreuung nicht ausgerüstet sind. Israelische Krankenhäuser beherbergen gegenwärtig 20 dieser Fälle im Gegensatz zu 100 vor der Intifada. Dies bedeutet buchstäblich, dass die anderen 80 Kinder zum Tode verurteilt sind.


Wir sind davon überzeugt, dass die israelischen Autoritäten für das Wohlergehen dieser Kinder genauso verantwortlich sind wie für das der Bevölkerung in den besetzten Gebieten überhaupt. Doch können wir es uns an diesem Punkt nicht leisten, auf den guten Willen der israelischen Autoritäten zu warten. Wir haben uns für direkte medizinische Intervention engagiert, indem wir versucht haben, finanzielle Mittel zur Verbesserung der medizinischen Behandlung individueller Fälle ebenso wie zur Auffüllung medizinischer Bestände aus allgemein zugänglichen Quellen zu sammeln. Infolge einer langen Reihe medizinischer Notfälle und unserer begrenzten Ressourcen können wir die Hilfe nur in einigen wenigen Fällen ausdehnen. Wir waren bei der Freilassung palästinensischer medizinischer Teams aus der Hab beteiligt. Wir haben auch Nachforschungen über den Einsatz von Tränengas in geschlossenen Räumen angestellt, der mit Fehlgeburten und sogar Todesfällen einhergeht, und eine Obersicht über den Gebrauch von Plastikgeschossen im Al-lttihad-Hospital in Nablus erstellt. Kürzlich gelang es der Vereinigung, die Notfall-Behandlung eines 17jährigen Jungen aus dem Flüchtlingslager Dheisheh, der einen Bauchschuss erhalten hatte und 40% seines Darmes dabei verlor, in Boston zu arrangieren. Solche Unternehmungen erfordern jedoch erhebliche Mittel und ein internationales Netzwerk, das kurzfristig für solche Anstrengungen mobilisiert werden kann.

Es ist wichtig für uns, unsere Botschaft einem allgemeinen internationalen Publikum ebenso zu Gehör zu bringen wie insbesondere der medizinischen Gemeinschaft (medical community). Wir glauben, dass wir hier humanitäre Unterstützung finden können sowohl für unseren Versuch, die israelische Politik gegenüber der medizinischen Versorgung in den besetzten Gebieten zu verändern, als auch Unterstützung für unsere Bemühungen, zugunsten von Notfällen einzugreifen. Wir drängen alle besorgten Menschen, an die israelischen Autoritäten zu schreiben und gegen die Ausnutzung medizinischer Hilfe als politische Waffe zu protestieren.

Aus: Uprising Update, 1.1.89

(Übersetzung: Redaktion strassenmedizin)