Werner Raith
Strafverschärfung oder nicht - das ist nicht die Frage

Thesen für eine konstruktive Diskussion des Problems Organisierte Kriminalität

Das Problem ist: Wie kann man, als altgedienter Linker, Grüner, Alternativer oder wie immer auch kritisch definierter Zeitgenosse die Ängste, Besorgnisse oder auch nur die vorhandenen unstreitigen Fakten zur Frage der organisierten Kriminalität so aus einem der "Frontländer" des Kampfes gegen Clans und Unterweltgruppen in die Bundesrepublik transportieren, dass man nicht sogleich von der einen oder anderen Seite mit den üblichen Etiketten zugrundegerichtet wird und damit kein Gehör mehr findet - hauen die einen mit dem Dreschflegel "Strafverschärfer" herum, nur weil man die Diskussion um adäquate Normen nicht von vorneherein ausschalten möchte, dröhnen Law-and-order-Fans ebenso stark: "Deine Gesetzesvorschläge blockieren im Grunde alle Neuregelungen". Bei den Besprechungen zu meiner Arbeit "Mafia: Ziel Deutschland" fiel z.B. den Linken regelmässig ein dazuzuschreiben, dass ich auch von Polizeibehörden geschätzt würde (in der BRD offenbar schon eine Art Erbsünde); bei den Besprechungen durch Betonköpfe stand, ebensolcher Makel, die Tatsache im Wege, dass ich TAZ-Korrespondent bin.

Es ist schwierig, natürlich, denn einige Fakten stehen nun mal fest:

Das, was ich im folgenden thesenartig aufgeschrieben habe, ist z.T. die Essenz aus der zitierten Arbeit "Mafia: Ziel Deutschland" (Kösler Verlag Köln), auf die ich, speziell hinsichtlich der hier aus Platzgründen weggelassen Einzelbelege, ausdrücklich verweise, zum Teil die Reaktion auf meine Erfahrungen bei mittlerweile mehreren Dutzend Tagungen, Sitzungen, Kongressen von Strafverteidigern, Parlamentsgruppen, Polizisten, Soziologen und Kriminologen.

  1. Ich benutze hier den Begriff "organisierte Kriminalität", um keine neuen Definitions-Diskussionen auszulösen, in dem Sinne, der derzeit innerhalb der Fachpublizistik den breitesten Konsens erreicht hat: als arbeitsteiligen, auf längere Dauer und wiederholte Taten angelegten Zusammenschluss mehrerer Personen oder Personengruppen mit der Absicht, durch illegale und/oder kriminelle Handlungen Gewinne zu erzielen (ich habe hier gegenüber Sielaff/ Stümper, die Autoren der Definition, den Begriff der "Personengruppen" dazugefügt, andererseits das kaum genauer bestimmbare "hohe" vor "Gewinn" gestrichen). Die nachfolgenden Ausführungen sind aber weitgehend unabhängig von dieser Definition und gelten auch für verschiedene andere Bestimmungen von "organisierter Kriminalität".
  2. Die Ausdehnung der organisierten Kriminalität, wie immer man sie definiert, wird in den nächsten Jahren nicht nur im Untergrundgeflecht der BRD und des ganzen Europa (-Ost inklusive), sondern auch öffentlich sichtbar solche Ausmasse erreichen, dass neue gesetzliche Massnahmen ergriffen werden. Dies unabhängig davon, ob die heute gegebenen Normen eventuell noch ausreichen würden oder nicht. Die Verabschiedung neuer Gesetze wird auch politischen Schaufenstercharakter bekommen, etwa als Beweis für die Entschlossenheit der Regierung.
  3. Die Gewinne italienischer Clans erreichen jährlich bereits mehrere hundert Millionen Dollar, die international organisierter Gruppen mehrere Milliarden; die gesamte organisierte Kriminalität liegt jährlich nicht weit von 100 Milliarden Dollar entfernt (vgl. Angelo Aurelini u.a., Uno sguardo dal bunker, Palermo 1987). Dies geht nicht nur aus den Erhebunge.-1 der Staatsanwaltschaften und der italienischen Finanzpolizei und der Notenbank hervor, sondern auch aus unabhängigen Recherchen regierungskritischer Experten wie Pino Arlacchi (Mafiose Ethik und der Geist des Kapitalismus, Frankfurt 1989, sowie Arlacchi/dalla Chiesa, La palude e la cittä, Milano 1988) oder den oppositionellen Minderheitenberichten der Antimafiakommission des italienischen Parlaments. Ein Grossteil der organisiert kriminellen Geschäfte ist nur möglich, weil die Gruppen in engem Kontakt mit Teilen des Staatsapparates arbeiten - indem sie Beamte und Politiker erpressen oder bestechen oder aber regelrecht mit diesen zusammenarbeiten.
  4. In der BRD sind die Umsätze organisiert kriminellen Gruppen (genuin deutscher wie international organisierter) noch weit davon entfernt, doch sind die vom Innen- bzw. Justizministerium genannten Schadenssummen (nicht identisch mit Umsätzen oder Profiten) von mehr als 10 Milliarden DM durchaus glaubwürdig - inzwischen lassen sich nämlich auch schon Kontrollrechnungen über Geschäfte mit dem Ausland durchführen. Die Verfilzung mit Behörden und Politiker, wiewohl ebenfalls noch nicht auf italienischem Niveau, macht in den letzten Jahren deutliche Fortschritte; siehe Skandale in Berlin, Hamburg, Frankfurt u.a.
  5. Die Öffentlichkeit der Bundesrepublik ist derzeit noch wenig sensibilisiert für die gesamtgesellschaftlichen Gefahren durch die organisierte Kriminalität. Sie registriert zwar mittlerweile deren Existenz infolge von Zeitungsberichten; da diese sich jedoch meist nur auf die Tätigkeit ausländischer Banden (im Schutzgeld- oder Bordellbereich und im Drogenhandel) beziehen, halten die meisten Bürger organisierte Kriminalität allenfalls für eine Problem ausländischer Zuwanderer oder von Gangsterbanden in bestimmten Grossstadtvierteln. Die Verfilzung von Geschäftemachern mit Beamten und Politikern wird in aller Regel weder von der Presse noch von der Öffentlichkeit als organisierte Kriminalität wahrgenommen, selbst wenn es sich dabei um erhebliche Straftaten handelt. Für die Bekämpfung scheinen darum vielen alleine die Polizei und die Gerichte zuständig und ausreichend.
  6. Auch in der Politik herrscht diese Einstellung weitgehend vor - bei der Regierung ebenso wie bei den Sozialdemokraten. Lediglich bei den Grünen (soweit ich dies aus Tagungen erkennen kann) scheint hier eine gewisse Differenzierung einzusetzen.
  7. Im ausserparlamentarischen Bereich ist es vor allem die Polizei, die zumindest in ihren höheren Kadern mit einer gewissen Denk-Umkehr begonnen hat, insofern sie erkennt, dass selbst die Zurverfügungstellung der umstrittensten Mittel wie Undercoveragenten und Kronzeugenregelung das Problem nur in einem vordergründigen Aspekt anpackt, nämlich dem der unmittelbaren Straftat, nicht aber den gesellschaftlichen Hintergrund für die Entstehung der organisierten Kriminalität angeht und schon gar nicht die für grosse Geschäfte unerlässliche Verfilzung mit Behörden und Politikern. Äusserungen aus der Leitung der Landeskriminalämter Hamburg, Berlin, München, sowie auch aus dem Ausland, weisen auf eine solche Denk-Wende hin (Raith, Mafia: Ziel Deutschland, Köln 1989, Interview-Teil).
  8. Die Beschränkung des Begriffs "organisierte Kriminalität" im oben beschriebenen Sinne auf die "Unterwelt" ist einer der Hauptgründe, warum eine konstruktive Diskussion auf diesem Gebiet nicht zustandekommt: ginge es nur um Zuhälter und Schutzgelderpresser, die Sache liesse sich in der Tat mit den Paragraphen gegen kriminelle Vereinigungen bekämpfen. Doch die Gefahr - und dies lässt sich nur durch eine umfangreiche, hier nicht zu leistende Darstellung der sukzessiven Verfilzung in "fortgeschrittenen" Ländern wie Italien und den USA plastisch machen (Kennedy, Gangster drängen zur Macht, Frankfurt 1967, Raith, Die ehrenwerte Firma, Berlin 1983, ders., Parasiten und Patrone, Frankfurt 1990) - besteht nicht in der Existenz dieser oder jener Bande, sondern in der immer weiteren Verfilzung der Bosse mit Teilen der Administration und Politik - und der Entstehung neuer, vor allem im Zusammenspiel zwischen Grossunternehmen und Administration angesiedelten illegalen Geschäften, die, wie der Waffenhandel nicht selten mit erheblicher Gewaltanwendung, oder wie die Umgehung von Umweltschutzgesetzen, mit grosser krimineller Energie betrieben werden. Gerade auf diesem Gebiet sollte die Linke, sollten die Alternativen von ihrer eigenen kritischen Herkunft aus besondere Sensibilität entwickeln.
  9. Stattdessen lassen Linke, Grüne, Alternative es zu, dass die Zusammenarbeit von kriminellen Gruppen und Administration mit teilweise stillschweigender, teilweise bezahlter Deckung durch ihre politischen Kontrolleure als Fälle menschlichen Versagens behandelt werden, statt deutlich zu machen, dass es sich dabei um Symptome für die Zersetzung der gesellschaftlichen Organe und das Verwurzeln der organisierten Kriminalität in den staatlichen Regulierungsmechanismen handelt.
  10. Die fehlende Gesamtsicht des Phänomens der organisierten Kriminalität bedingt eine totale Zerstückelung der Strafverfolgung, statt der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die grossen internationalen Banden längst wie Mischkonzerne organisiert sind, die auf den verschiedensten Sektoren - etwa im Waffenhandel, Drogenschmuggel, der Hehlerei mit Autos und Kunstwerken - tätig sind.
  11. Auf die Betonierung dieser Teilung in verschiedene Ebenen zielen bisher in der BRD auch alle Gesetzesvorschläge: die organisierte Kriminalität wird aufgespalten in verschiedene Kriminalitätssektoren. Da wird ein Betäubungsmittelgesetz diskutiert, ein anderes gegen Geldwäsche, ein drittes zur Ausweitung des Hehlereiparagraphen etc.; und da werden die beim Kampf gegen Banden erlaubten polizeilichen Arbeitsmittel wiederum getrennt davon behandelt oder nur in bestimmte Gesetzesvorschläge eingebaut (man kann z.B. über die Notwendigkeit von Kronzeugenregelungen streiten - doch völlig unklar ist z.B., warum man ihn, wenn man ihn will, nur im Drogenhandel verwendet und nicht z.B. auch bei Autoschieberbanden, Subventionsbetrug oder bei der Aufdeckung von Geldwäscherei für politische Parteien verwendet).
  12. Diese Vereinzelung der jeweiligen Sektoren bei der Diskussion neuer Normen hat jedoch Methode: nur so wird es den regierenden Politikern und den Administratoren gelingen, ihre eigenen Mittaten und ihre Strohmänner aus der Strafverfolgung herauszuhalten. Der Beamte im Polizeipräsidium, in der Stadtverwaltung, beim Zoll soll, wenn er schon auffliegt, allenfalls als schwachgewordener Einzeltäter wegen einer Art dienstlicher Verfehlung verurteilt werden, nicht aber als Bandenmitglied vor Gericht kommen, und schon gar der Politiker, der aufsichtführende Staatssekretär oder Minister will ganz aussen vor bleiben, wenn sich herausstellt, dass er beide Augen vor den Verfehlungen seiner Leute geschlossen oder gar deren Fehlverhalten gebilligt oder angeregt hat.
  13. Die Erfahrungen aller Länder mit fortgeschrittener Organisierung der Kriminalität, wie etwa die USA und Italien, zeigen jedoch eindeutig, dass Gesetze erst greifen, wenn sie gleichzeitig mit den sozusagen "rein kriminellen" Elementen auch jene Personen "gleichberechtigt" mit einschliessen, ohne deren Wirken in Administration und Politik grosse organisierte Kriminalität zumindest auf höherem Niveau nicht mehr möglich wäre. Und das gilt sowohl auf der Ebene der "gewöhnlichen" Kriminalität wie Rauschgift oder Grossschieberei von Autos wie auf den politiknahen oder politischen Sektoren wie Waffenhandel, Durchbrechen geltender Embargos, Waschen unerlaubter Parteispenden etc.
  14. Da die Linke, die Grünen, die Alternativen nicht oder erst sehr spät diese Elemente erkennen, droht die Debatte um organisierte Kriminalität in der Bundesrepublik zu einer Domäne von law-and-order-Fanatikern zu werden. Kein Zweifel, dass diese unter dem Deckmantel des Kampfes gegen die OK auch manch eigenes Süppchen mitkochen wollen. Schuld an der Aussicht, dass ihnen dies gelingen wird, tragen aber vor allem jene, die sich wie schon vor eineinhalb Jahrzehnten bei der Vorbereitung der Antiterrorismusgesetze auf ein reines Abwehrverhalten beschränken, Marke "wir brauchen keine neuen Gesetze, wir haben schon von den alten zu viel". Dies gilt selbst dann, wenn die einzelnen Kritiker, aus guten Gründen, auch angesichts der unstreitigen Fakten und Daten um organisierte Kriminalität neue Gesetze nicht für notwendig halten: Die Sprachlosigkeit, der Mangel an Debatte, die Weigerung, sich Oberhaupt mit der Frage nach dem Ausmass, den Perspektiven der organisierten Kriminalität auseinanderzusetzen, die Aversion, sich auch mal mit den Verfechtern neuer Normen zusammen - und ohne fernsehwirksame Drescherei auseinanderzusetzen: all dies trägt dazu bei, dass wir eines Tages genau die Gesetze haben werden, die wir nicht wollen. Wie es bei der Antiterrorgesetzgebung geschehen ist: auch dort hatten wir uns mit dem Argument, man brauche das alles nicht, der Debatte verweigert. Mit dem Erfolg, dass die Gesetze dennoch zustandekamen - und ohne dass wir auch nur das, was wir als unsere schlimmsten Befürchtungen ansahen, verhindern konnten.
  15. Notwendig wäre derzeit stattdessen folgendes, und dies sind meine Vorschläge zur aktuellen Lage: a. Intern die Debatte nicht nur dann zu führen, wenn andere Parteien ihre Gesetzesvorschläge einbringen, sondern ständige Gremien einzurichten oder vertrauenswürdige Institute mit der Untersuchung der organisierten Kriminalität zu beauftragen: b. auf Veranstaltungen auch der "anderen" Seite teilzunehmen und, wo vorhanden, verdeckten Absichten sichtbar zu machen. Dies jedoch nicht im leider schon allzu sehr gewohnten affirmativen Hickhack, sondern z.B. durch die Forderung, wie oben beschrieben in die Frage der organisierten Kriminalität auch die administrativen und politischen Helfer oder Augenzudrücker mit einzubeziehen und die Straftatbestände organisierter Kriminalität prinzipiell auf alle längerwährenden Formen arbeitsteiligen illegitimen und/oder kriminellen Handelns auszuweiten: dann fiele von der Regierung gedeckter schwarzer Waffenhandel (etwa Blaupausenlieferung) ebenso unter die einschlägigen Gesetze wie Geldwäsche zugunsten von Parteien oder parteinahen Organisationen. Ich selbst habe auf vielen Tagungen erlebt, wie bereits eine kleine Nuance in der oben unter Punkt 1 angegebenen Definition von "organisierter Kriminalität" vielen Hardlinern die Lust an der Sache verdarb: man brauchte nur vor das Wort "Gewinne" die Adjektive "materielle oder immaterielle" zu setzen - damit wären z.B. auch politische Vorteile (etwa durch illegale Parteispenden) oder Karriere-Hilfen mit einbezogen. Forderungen dieser Art führen immer schnell zur Nagelprobe, inwieweit unsere Gesetzesbefürworter wirklich bereit sind, der organisierten Kriminalität den Kampf anzusagen. Und vielen Law-and-order-Fans schwindet der Impuls zur Einführung von Kronzeugen und Undercoveragenten, wenn man sie darauf festnagelt, diese im Sinne einer sauberen Lösung auch zur Kontrolle der Geldflüsse in tranken einzusetzen oder auf Parteien zwecks Aufdeckung von Geldwaschanlagen loszulassen. Und besonders demaskierend wirkt, wie sich viele schnell, ganz schnell zurückziehen, sobald man fordert, auch Minister oder Staatssekretäre mit Paragraphen der organisierten Kriminalität zu verfolgen, sofern sie wiederholt Beamte bei gesetzeswidrigem Vorgehen (etwa bei Lizenzvergaben oder bei krimineller Mitwirkung im Zuge angeblicher Ermittlungen) gedeckt haben. Wobei es mir, das möchte ich klarhalten, bei meinen Vorschlägen weder um Gesetzesverhinderung noch um Gesetzesverschärfung geht - doch wenn neue Gesetze, dann sollen sie auch dort greifen, wo der Verfall politischer Kultur genau jenes Eindringen krimineller Elemente in Politik und Administration ermöglicht, das Italien heute so unausrottbar zersetzt).
  16. Auch bei der Behandlung der bisher in die Diskussion gekommenen neuen Ermittlungs- und Beweissicherungsmittel wie verdeckte Ermittlung, Lauschangriffe, Zeugenschutz oder Beweislastumkehr etc. kann man schnell Spreu von Weizen sondern, wenn man die Fans solcher Neuerungen ihrerseits einer Beweislastumkehr aussetzt - sie sind es, die zuerst glaubhaft müssen, dass die eingesetzten Mittel einer demokratischen und öffentlichen Kontrolle zugänglich sind und Vergehen auch durchwegs und unnachsichtig (also ausserhalb jeden Opportunitätsprinzips) bestraft werden: Der aufsichtfiihrende Beamte, der ein so empfindliches Instrument wie verdeckte Ermittlung anordnet, muss bei Fehlverhalten oder bei Leichtfertigkeit mit höheren Strafen bedroht sein als bei Vergehen auf anderen Gebieten. Dazu muss es auch die Pflicht zur Veröffentlichung und zum Zugänglichmachen aller Akten und Vorgänge in diesem Bereich geben; vorstellbar wäre etwa ein Zeitraum von fünf Jahren nach Abschluss der Aktion nicht länger jedenfalls, denn die Agenten, die Aufsichtsbeamten und die Politiker müssen noch greifbar sein und einer gerichtlichen Überprüfung unterworfen werden können.

Hartmut Wächtler, dem ich dafür danke. dass er mit einem solidarischen Gegen-Artikel die längst fällige Diskussion mit in Gang zu bringen versucht, hat mir bei einem Hearing der Grünen in München Blauäugig keit vorgehalten: "Es wird damit enden, dass die Gesetzesverschärfer sagen, bitte der Raith und die taz treten doch auch dafür ein - und dass sie die Bedingungen, die du stellst, einfach weglassen."

Das ist ein Risiko, da hat er absolut recht. Aber es ist ein Risiko, das ich tragen muss. Denn ich lebe in einem Land - Italien - in dem organisiert Kriminelle jährlich mehr als tausend Mensch morden, weil sie ihren Geschäften im Weg stehen. Als weitblickende Experten dies vor zwei Jahrzehnten vor aussagten, glaubte ihnen keiner. man war sich - bei einem damals noch einigermassen funktionierenden Polizei- und Justizapparat und noch nicht allzu korrupter Politik und einer noch etwa der deutschen entsprechenden Mordrate - sicher. dem entgegen steuern zu können.

Es mag pathetisch klingen, aber vielleicht leuchtet es dein einen oder anderen doch ein: ich möchte nicht, dass es in Deutschland irgendwann auch zu dem Zustand kommt wie in Italien und meine heute noch kleinen drei Töchter mich eines Tages fragen, warum wir nicht beizeiten etwas dagegen getan haben.

Bio-Bibliographie: Werner Raith, geh. 1940 in Regensburg. lehrte an der Universität München und Palermo und der TH Darmstadt Philosophie, Pädagogik, Geschichte, seit 1978 Publizist und freier Journalist, seit 1985 Italien-Korrespondent der "TAZ".

Veröffentlichungen zum Thema: