Franz Scheuerer
Bundesausländergesetz - Ausländerzentralregistergesetz - Schengen-Abkommen

Zeitlicher Zufall oder politisches Kalkül?

Das Bundesausländergesetz (AuslG) wurde zwischen Januar und Mai 1990 im Eilverfahren durch die parlamentarischen Gremien gepeitscht. Der Gesetzentwurf zum Ausländerzentralregister (AZRG) steht in der Legislaturperiode 1990/91 zur Verabschiedung an. Das Abkommen von Schengen (im folgenden mit SA abgekürzt) ist unterschriftsreif. Auffallend ist das zeitliche Zusammenfallen dieser drei Projekte. Zufall oder politisches Kalkül? Im folgenden sind einige offensichtliche Parallelen und Überschneidungen stichwortartig zusammengetragen.

Sichtvermerksverfahren:

AusIG § 3/Abs. 3: Die Aufenthaltsgenehmigung ist vor der Einreise in Form des Sichtvermerks (Visum) einzuholen." Diese Regelung gilt auch für Flüchtlinge und ist zukünftig ein nur schwer überwindbares Fluchthindernis!

AZRG: Neben den Daten aller Ausländer, die nicht nur vorübergehend ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik haben, werden nach § 3/Abs. 2/Zif. 3 im Register auch Daten von Ausländern gespeichert, "gegen deren Einreise Bedenken bestehen, weil Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass ihr Aufenthalt Belange der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen würde, und die kein Recht zum Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben ..."

SA Art.9/Abs. 1: "Die Vertragsparteien verpflichteten sich, eine gemeinsame Politik hinsichtlich des Personenverkehrs zu verfolgen. (... ) Die Vertragsparteien verpflichten sich, ihre Sichtvermerkspolitik im Einvernehmen weiter zu harmonisieren."

Asylersuchen

In der Begründung zu den §§ 51 ff. des AusIG heisst es: "Ein quantitativ bedeutsames Zuwanderungsproblem sind die Asylbewerber, die keine Aussicht auf Anerkennung haben, und sonstige Zuwanderer, die wegen der Verhältnisse in ihren Heimatstaaten einen Aufenthalt im Bundesgebiet anstreben."

Daraus folgt aus § 34/Abs. 1 u. 2 die ständige Überprüfung der Fluchtgründe. Dort heisst es: "Die Aufenthaltsbefugnis kann für längstens zwei Jahre erteilt und verlängert werden." Und weiter: "Die Aufenthaltsbefugnis darf nicht verlängert werden, wenn das Abschiebungshindernis (der Fluchtgrund, Anm.) ... entfallen" ist.

AZRG: Nach § 3/Abs. 2/Zif.1 werden im Register Daten von Ausländern personenbezogen gespeichert, die einen Asylantrag gestellt haben. In der Begründung heisst es dazu: "Die Angaben zum Asylverfahren sind u.a. erforderlich für die Feststellung, ob der Ausländer eine privilegierte Rechtsstellung hat und sich deshalb berechtigt im Bundesgebiet aufhält."

SA Art. 29/3: "Unabhängig davon, an welche Vertragspartei (in welchem Land - d. Verf.) der Drittausländer sein Asylbegehren richtet, ist nur eine einzige Vertragspartei für die Behandlung des Asylbegehrens zuständig." Und Art. 30/1/g: "Stellt ein Drittausländer, dessen früheres Asylbegehren von einer der Vertragsparteien bereits abschliessend behandelt worden ist, ein neues Asylbegehren, so ist die Vertragspartei, bei der das frühere Asylbegehren behandelt worden ist, zuständig..." Klartext: Ein weiterer Asylantrag in einem anderen Schengenland ist unmöglich.

Beförderungsunternehmen

AusIG § 73/Abs. 1: Wird ein Ausländer, der mit einem Luft-, See- oder Landfahrzeug einreisen will, zurückgewiesen, so hat ihn der Beförderungsunternehmer unverzüglich ausser Landes zu bringen." Und weiter in Abs. 2: "Die Verpflichtung nach Abs. 1 besteht für die Dauer von drei Jahren ..."

AZRG § 3/Abs. 3: Im Register worden u.a. Daten gespeichert über "Angaben zum Fortzug oder Zuzug, zum aufenthaltsrechtlichen Status ..." SA Art. 26/Abs. 2: "... verpflichten sich die Vertragsparteien (...) Sanktionen gegen Beförderungsunternehmer einzufahren, die Drittausländer, welche nicht über die erforderlichen Reisedokumente verfügen, auf dem Luft- oder Seeweg aus einem Drittstaat in ihr Hoheitsgebiet verbringen."

Datenerfassung, -speicherung, -weitergabe

AusIG § 75/Abs. 1.: "Die mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden dürfen zum Zwecke der Ausführung dieses Gesetzes und ausländerrechtlicher Bestimmungen in anderen Gesetzen personenbezogene Informationen erheben ..." Und § 78/Abs. 4: "An Behörden ausserhalb des Bundesgebietes und an über- und zwischenstaatliche Stellen dürfen personenbezogene Informationen von Ausländern übermittelt werden, soweit es in völkerrechtlichen Verträgen oder im Europäischen Gemeinschaftsrecht vorgesehen ist".

AZRG § 19 Abs. 1: "An Behörden anderer Staaten sowie an über- und zwischenstaatliche Organisationen können Auskünfte über Daten aus dem Register (…) erteilt werden..." Und in der Begründung zu § 9 wird ausdrücklich auf das Schengen-Abkommen bezug genommen: "Darüberhinaus sind im internationalen Bereich (Schengen, EG) weitergehende Prüfungen zur Feststellung vorgesehen, welcher Vertragsstaat aufgrund bestimmter Kriterien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist."

SA § 93/Abs. 2: "Jede Vertragspartei errichtet und unterhält in eigener Verantwortung und auf eigene Kosten ihren nationalen Teil des Schengener Informationssystems (SIS), dessen Bestand durch Nutzung der technischen Unterstützungseinheit inhaltlich identisch ist mit dem Bestand des nationalen Teils jeder anderen Vertragspartei."

Und Art. 94: "Das Schengener Informationssystem hat in dem Hoheitsgebiet der Vertragsparteien anhand der aus diesem System erteilten Informationen die öffentliche Sicherheit und Ordnung einschliesslich der Staatssicherheit und die Anwendung der Bestimmungen im Bereich des Personenverkehrs zu gewährleisten."

Politische Betätigung

AusIG § 37/Abs. l/ZiE 2+3: "Die politische Betätigung eines Ausländers kann beschränkt oder untersagt werden, soweit sie (2) den aussenpolitischen Interessen oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufen kann oder (3) gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere unter Anwendung von Gewalt verstösst."

AZRG § 3/Abs. 2/Zif. 6: "... werden im Register Daten von Ausländern gespeichert, deren Erfassung erforderlich ist, weil tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass sie Straftaten nach § 47/Abs. I/Nr. 7 (Geheimhaltung einer politischen Organisation - d. Verf.) des Ausländergesetzes oder nach den §§ 129, 129a des Strafgesetzbuches (…) planen, begehen oder begangen haben oder durch solche Straftaten gefährdet sind."

SA Art. 100/Abs. l+3 (hier Schengen Informationssystem): "Daten in bezug auf Personen oder Fahrzeuge werden nach Massgabe des nationalen Rechts der ausschreibenden Vertragspartei zur verdeckten Registrierung oder zur gezielten Kontrolle ( ) aufgenommen."

"Die Ausschreibung ist ferner auf Veranlassung der für die Staatssicherheit zuständigen Stellen zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ( ) Informationen zur Abwehr einer von dem Betroffenen ausgehenden erheblichen Gefährdung oder anderer erheblicher Gefahren für die innere oder äussere Sicherheit des Staates erforderlich sind."

Franz Scheuerer

Veröffentlichungen: