Kunst und Kampf

 

 

REVOLUTIONÄRE KUNST
Kunst heißt Bewußtsein schaffen,
Widersprüche entwickeln,
Probleme aufzeigen- Lösungen provozieren!
Kunst heißt,
in individuelle und gesamtgesellschaftliche Prozesse eingreifen
und immer wieder den Versuch der Klarheit unternehmen,
also Stellung zu beziehen.
Diese Inhalte heben Kunst von billiger Propaganda ab.
Propaganda und Produktwerbung unternehmen das Entgegengesetzte:
Keine Widersprüche,
keine Entwicklung von Bewußtsein nur der Versuch,
Tatsachen zu vertuschen,
einfache Lösungen zu bieten,
zum Kaufrausch abzurichten
zur Gedankenlosigkeit zu verführen.
Im Widerspruch liegt das kreative Potential!

 

Auszug aus dem KuK-Grundsatztext "Such nach Erkenntnis"

 
 

 

 Suche nach Erkenntnis

Die Auseinandersetzung von KuK mit der Geschichte revolutionärer Bewegungen und ihrer Kunst mündet bald in dem Vorhaben, entsprechende Diskussionen für eine zeitgemäße linke Kunst- und Kulturinterpretation voranzubringen. Ende 1986 beginnen die Überlegungen für "Suche nach Erkenntnis", einer dreißigseitigen Schrift, die theoretische Grundlagen und Thesen von KuK zusammenfaßt. Der Text zirkuliert in geringer Auflage als Fotokopie. "Suche nach Erkenntnis" ist als Agitationsschrift für die autonome Szene gedacht. Die hier dokumentierten inhaltlichen Kernaussagen sind leicht überarbeitet.

Suche nach Erkenntnis Nicht das einzelne Individuum ist der Nabel der Welt, sondern der gemeinsame kollektive Prozeß ist von Bedeutung. KuK-Arbeiten entstehen fast ausschließlich im Zusammenhang mit einer politischen Kampagne und sind Teil von ihr. Damit ist "Kunst und Kampf" nicht nur Name, sondern Programm.

Vom Werden

In den ersten Jahren werden KuK-Arbeiten konsequent in Techniken hergestellt, die fast jede/r zur Verfügung hat: Fotokopie und Handsiebdruck, obwohl sich mit ihnen nur kleine Auflagen herstellen lasse. Die Nachahmbarkeit ist das vorrangige Prinzip. Besonders der Handsiebdruck spielt in dieser Phase eine herausragende Rolle, weil dieses Druckverfahren es ermöglicht, farbige Plakate in relativ guter Qualität herzustellen. Von Anbeginn gibt es aber auch KuK-Plakate im Offsetdruck.

Der schließlich vollzogene Wechsel vom Handsiebdruckverfahren zur Offsetdrucktechnik ist in der in kürzester Zeit realsierbaren hohen Auflage begründet. Außerdem ist die Wiedergabe von Fotografien im Offsetdruck problemloser als im Handsiebdruck.

Es gibt Plakate, die erst im Siebdruck und später im Offsetdruck hergestellt sind. Trotzdem wird der Handsiebdruck nie gänzlich aufgegeben. Zur Arbeitserleichterung und um die teilweise sehr komplizierten technischen Probleme bei neueren KuK-Plakaten zu lösen, wird immer öfter auf Computertechnik bei der Herstellung der Druckvorlagen zurückgegriffen.

Warum Plakatkunst?

Das Plakat ist nach wie vor das politisch/künstlerische Medium der autonomen linksradikalen Szene der BRD, abgesehen von der Musik und einigen literarischen Bemühungen. Künstlerische Ausdrucksformen wie Gemälde, Plastiken et cetera spielen bislang keine nennenswerte Rolle Rolle für die Linke in der Brd. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und sollen nicht Gegenstand dieser Überlegungen sein. Wenn ein Ansatz verfolgt wird, Kunst nicht für sich oder ein handverlesenes Spezialpublikum zu machen, sondern sie in den Zusammenhang mit dem politischen Kampf zu stellen, ist das Plakat ein entscheidendes Medium.

Allerdings sieht der übergroße Teil der politischen Szene in ihre Plakatprodukten keinesfalls Kunst, was sich im Umgang mit Plakaten, vor allem ihrer Betrachtung und in der Güte der Produktionen augenfällig dokumentiert. KuK geht anders an Plakate heran, begreift Kunst als soziale Aufgabe. Dabei ist KuK mehr als bloße Agitation.

KuK-Plakate

KuK-Plakate verfolgen bestimmte Prinzipien, deren Umsetzung bei jeder Arbeit angestrebt wird. Das sind:

1. Entstehung im Zusammenhang mit der politischen Bewegung, Initiative, Aktion.

2. Bei den abgebildeten Illustrationen auf den Plakaten wird eine allgemeinverständliche Symbolik verwendet.

3. Es soll nicht nur ein politischer Sachverhalt festgestellt, sondern auch der Widerstand dagegen dargestellt und propagiert werden. 4. Auch ohne Schrift und dem unmittelbaren zeitlich/politischen Zusammenhang müssen die Plakatabbildungen verständlich sein, für sich sprechen. Das heißt, faktisch stellen sie eine Art Bildgeschichte dar beziehungsweise wird eine in Abbildungen kodifizierte Sprache verwendet. So soll zumindest das Hauptanliegen von KuK-Plakaten auch Menschen verständlich sein, die mit Politik nichts zu tun haben. Die Plakate sind so angelegt, daß sie auch noch in späteren Jahren eine Definition der politischen Aktion und des politischen Standortes der Plakate ermöglichen.

5. Die Abbildungen stellen nicht nur das tagespolitische Ereignis dar, für welches das Plakat unmittelbar erstellt wird, sondern versuchen, ein möglichst umfassendes Bild der gesellschaftlichen/politischen Abläufe zu zeichnen.

6. Bei der Gestaltung der Plakate wird versucht, die Prinzipien eines agitatorisch wirksamen Plakates mit denen eines Kunstwerkes zu verbinden.

7. Die technische Ausführung ist möglichst sorgfältig und exakt.

Gibt es Kunst?

In der modernen kapitalistischen Gesellschaft wird als Kunst definiert, was sich als solche verkauft. Demgegenüber verfolgt KuK einen Kunstbegriff, der davon ausgeht, daß Kunst als ein besonderes menschliches Medium, eine Art übergeordnetes, nicht rationales Prinzip, existiert.

Dabei ist das Medium Kunst keiner Form verpflichtet. Das Problem, etwas zu malen, wird nicht dadurch gelöst, es möglichst naturalistisch oder abstrakt wiederzugeben, sondern das umzusetzen, was im Menschen das betreffende Gefühl erwecken kann. Kunst interpretiert Empfindungen und drückt sie aus! Das Medium Kunst zu beherrschen, setzt deshalb voraus, daß das, was künstlerisch wiedergegeben werden soll, als Emotion begriffen wird. In der Konsequenz heißt Kunst, Dinge und Zusammenhänge von innen zu begreifen, sich in sie hineinzuversetzen. Das bedeutet, daß ein/e Künstler/in nur Dinge im Medium Kunst darstellen kann, die er/sie (zumindest bis zu einem bestimmten Grad) selber ist.

Revolutionäre Kunst

Kunst heißt Bewußtsein schaffen, Widersprüche entwickeln, Probleme aufzeigen, Lösungen provozieren. Kunst heißt, in individuelle und gesamtgesellschaftliche Prozesse eingreifen und immer wieder den Versuch der Klärung zu unternehmen, also Stellung zu beziehen. Nur diese Inhalte heben Kunst von billiger Propaganda ab. Propaganda und Produktwerbung unternehmen das Entgegengesetzte: Keine Widersprüche, keine Entwicklung von Bewußtsein, nur der Versuch, Tatsachen zu vertuschen, einfache Lösungen zu bieten, zum Kaufrausch abzurichten, zur Gedankenlosigkeit zu verführen.

Die Revolution ist kulturfähig

Revolution bedeutet mehr als ein"bloßer" Umbau der Staatsform, als die bloße Veränderung der ökonomischen Machtverhältnisse. Revolution bedeutet gesamtgesellschaftliche Veränderung, bedeutet Überwindung alter Werte- Moral- und Kulturvorstellungen durch neue, fortschrittliche. Ein Bewußtseins- und Gefühlsprozeß ist Grundvoraussetzung für die Veränderung der ökonomischen Machtverhältnisse - und umgekehrt.

Das eine kann nicht vom anderen getrennt werden. Der herrschende Machtapparat kann nicht zerschlagen werden, ohne daß dies Menschen tun, die die Welt schon anders interpretieren, ein anderes Lebensgefühl, andere Moral- und Kulturvorstellungen besitzen. Mehr noch: Ohne das Gefühl und das Wissen von einer besseren Welt sind für das menschliche Individuum die Entbehrungen, Opfer und Konsequenzen, die ein "revolutionärer" Kampf bedeutet, gar nicht durchzustehen.

Positiv formuliert ist für das Individuum der Kampf für eine andere Gesellschaft völlig farblos, leer und unsinnig, wenn nicht schon während dieses Prozesses ein sehr intensives Lebensgefühl und eine Lebenspraxis/-weise existiert, mit der mensch sich über die alten Normen hinwegsetzt.

Ein revolutionären Umbau der Gesellschaft beginnt daher nicht erst mit der Zerschlagung des alten Machtgefüges, sondern der Weg dorthin ist schon Teil dieses Prozesses.

Kollektivität ist dabei die Triebfeder jedes revolutionären Handelns.

Was bedeutet "kulturfähig"?

Die alte Ordnung anzugreifen und in Frage zu stellen hat zur Bedingung, über Alternativen für eine neue Gesellschaft zu verfügen. Alternativen, die jeden Bereich der alten Gesellschaft umfassen und wirkliche Perspektiven aufweisen. Eine Bewegung, die eine solch umfassende Perspektive nicht bieten kann und nicht die fundamentale Änderung der gesamten bestehenden Herrschaft zum Ziel hat, kann nicht revolutionär sein. Sie erschöpft sich entweder als ein-Punkt-Bewegung im Kampf für die Durchsetzung nur eines bestimmten Zieles und ist damit ihrem Wesen nach reformistisch.

Oder sie kämpft für die Vorrechte nur einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe und degradiert sich damit zu einer Interessenvertretung, die entweder auch auf reformistischen Pfaden wandert oder als abgehobene Elitegruppe ihre Wahrheit sucht oder gefunden hat.

Oder sie fegt nur ab und an als Strohfeuer durch die politische Auseinandersetzung und verkommt ohne Kontinuität im Kampf und übergreifendem Theorieansatz zum niveaulosen Spielball der etablierten beziehungsweise reformistischen Politiker/innen.

Unerheblich ist dabei, mit welcher Radikalität der Kampf geführt wird. Radikalität allein ist noch kein revolutionären Inhalt. Unerheblich ist dabei auch, wie sich Menschen und Gruppen, die in einer solchen Auseinandersetzung stehen, selbst sehen, ob sie in ihrem äußeren Erscheinungsbild von der Norm abweichen oder wie tiefgründig sich ihre Theorien anhören.

Eine Bewegung, die nicht alle gesellschaftlichen Vorgänge als Gesamtheit begreift, wandelt ideologisch immer noch auf den Pfaden der alten Gesellschaft.

Die revolutionäre Aktion orientiert auf die Entwicklung einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive.

Die revolutionäre Aktion bezieht gesamtgesellschaftliche Kritik, Fragestellungen und Perspektiven mit ein, auch wenn sie sich im konkreten Fall nur auf einen Schwerpunkt bezieht. Nichts wäre törichter, als sich in Theorie zu verlieren und eine Politik zu verfolgen, die mit den Menschen und ihren Lebensbedingungen nichts zu tun hat und die von daher auch nicht verankert ist beziehungsweise um Verankerung und Verständlichkeit bemüht ist. In der derzeitigen Situation kann es nicht darum gehen, eine mehr oder weniger wissenschaftlich begründete und durchdachte politische Endvision wie den Kommunismus oder den Anarchismus zur ausschließlichen Wahrheit zu erheben. Das heißt aber nicht, daß auf theoretische Grundlagen und eine gesellschaftliche Utopie verzichtet werden darf.

Das KuK-Symbol

Mit dem Beginn von KuK entsteht 1986 das KuK-Symbol. Es versinnbildlicht wesentliche Inhalte der Initiative. Im Kontext mit den Entwurfsarbeiten steht die erste Konzeption des Textes "Suche nach Erkenntnis".

Das neue Zeichen soll bewußtes politisches Handeln, Militanz und den autonomen Politikansatz in sich vereinen. Der Widerspruch als kreatives Moment und die halblegale Arbeitssituation sollen sich wiederfinden. Außerdem soll das Symbol eine möglichst schlichte Form haben und einfach reproduzierbar sein.

Nach verschiedenen Versuchen wird eine Zeichnung aufgegriffen, die 1982 im Zusammenhang mit Siebdruckaktivitäten entstanden ist. Für das Bedrucken von T-Shirts und Aufnähern werden in dieser Zeit alle möglichen Motive genutzt. Nebenbei entsteht eine eigentümliche Figur, die dann aber doch nicht gedruckt, sondern in einem abgelegt und vergessen wird. Zufällig ist sie erhalten geblieben und wird zur Vorlage des KuK-Abzeichens.

Die Symbolik

Das KuK-Symbol setzt sich aus schwarz und weiß zusammen. Diese "Farben" weisen ein hohen Kontrast auf, gelten aber in der Physik nicht als Farben, da sie in der Spektralnatur des Lichtes nicht vorkommen. Der extreme Kontrast wird also mit "Farben" dargestellt, die keine sind. Schwarz und weiß versinnbildlichen hell und dunkel, Tag und Nacht, positiv und negativ. Kontrast ist als Widerspruch zu deuten. Je schärfer der Kontrast, beziehungsweise je größer der Widerspruch, um so deutlicher macht er sichtbar. Das trifft mit der KuK-Formel "Im Widerspruch steckt das kreative Potential". Das Prinzip des Widerspruchs setzt sich im gesamten KuK-Symbol fort. Im Wechselspiel durchzieht der Schwarzweißkontrast die Figur. Das Basissymbol ist ein Dreieck, wiederum Sinnbild für zwei Komponenten, die eine dritte ergeben. Widerspruch ist kein Passivum, sondern erzeugt Bewußtsein. Ein Dreieck ist zudem ein Richtungssymbol, das hier durch die Position der Figur nach oben deutet. Aus der Umrandung des Dreiecks ragt in Höhe des Kopfes ein fünfzackiger Stern. Der Stern zerstört die Umrandung nicht, sondern fügt sich ein und definiert das Abzeichen als ein Symbol aus dem linken Widerstand. Der Farbe des Sternes kommt dabei keine politische Bedeutung zu.

Die Umrandung könnte als ideologisch eingrenzender Rahmen gedeutet werden. Daher wird die Statik der geometrischen Form auf der gegenüberliegenden Seite vom linken Ellenbogen deutlich durchbrochen. Das Gefüge von Dreieck, politischer Symbolik und das Durchbrechen der Geometrie verweist auf Ablehnung jeglichen Dogmatismus. Die Figur sitzt aufrecht im Schneidersitz. Damit ahmt sie die Dreiecksform nach und nimmt eine konzentriert wirkende Haltung ein. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Mittellinie des Dreiecks, welche durch die Figur führt. Die Haltung der Arme findet ihren Schnittpunkt ebenfalls in der Mittellinie. In der Linken hält die Figur in einer Art Wolke ein Dreieck mit Auge über sich erhoben, ein Symbol für Bewußtsein. Die Figur hat ihr Bewußtsein in der eigenen Hand. Die Pistole in der rechten Hand ist ein Verweis darauf, daß Bewußtsein allein nicht viel ändert. Manchmal bedarf es auch der praktischen Intervention, um konstruktiv auf gesellschaftliche Vorgänge Einfluß zu nehmen.

Das Gesicht der Figur ist hinter einer Maske verborgen oder zu einer Art Maske geworden. Nicht nur in der Form, auch im Wechselspiel von schwarz und weiß finden sich Bezüge zu klassischen Theatermasken. Das Maskengesicht deutet die halblegalen Bedingungen an, unter denen KuK arbeitet. Das KuK-Symbol findet sich ab 1988 auf allen KuK-Druckerzeugnissen. Darüber hinaus wird es auch als Aufnäher gedruckt. 1991 werden fünfhundert emaillierte Anstecknadeln, davon einhundertfünfzig Anhänger, hergestellt. Die Anstecknadeln sind silberfarben und schwarz, fünfzig Stück goldfarben. Diese goldenen Anstecknadeln werden im Lauf der Jahre bei verschiedenen Anlässen verschenkt. 1996 entsteht in einer Stückzahl von fünfhundert Exemplaren ein gewebtes Stoffabzeichen.

Der Fisch

Neben dem KuK-Symbol findet sich auf vielen Veröffentlichungen ein Fisch. Die Abbildung des Fisches stammt aus der Zeit des Bauernkrieges und verweist darauf, daß der Kampf um fortschrittliche gesellschaftliche Veränderung ein historischer Prozeß ist.

Für das Jahr 1525 prophezeien Astrologen im Sternzeichen des Fisches den Weltuntergang. Eine Sintflut soll die Erde heimsuchen. Die Möglichkeit der sich zu diesem Zeitpunkt entwickelnden Drucktechnik nutzend, beginnen findige Zeitgenossen, die Kunde des Unheils zu vermarkten. Allein im Jahre 1523 werden in Deutschland einhundertfünfzig verschiedene Hefte und Blätter mit entsprechenden Prognosen vertrieben. Zu diesen Durckwerken gehört auch die "Pratica vber die grossen vund manigfeltigen Coniction der Planeten im Jar 1524 erscheinen un ungezweiffelt vil wunderbarlicher ding geperen werden.", die von Hieronymus Höltzel 1523 in Nürnberg herausgegeben wird. Der Holzschnitt, mit dem Nürnberger Druck illustriert ist, interpretiert die vorausgesagte Sintflut als kommenden Volksaufstand.

Über den ängstlichen Gestalten von Kaiser, Papst, Kardinal und Bischöfen zieht sich schweres Unwetter zusammen. Ihnen gegenüber zieht, unter einem aufgegangenen Stern, ein Bauernhaufen heran. Die Bauern sind mit Sensen, Dreschflegeln Hacken und Spießen bewaffnet. Ihre kriegerische Absicht wir durch den Anführer deutlich, der eine Fahne voranträgt. Der Fahne fehlt zwar das Zeichen des "Bundschuhs", doch rufen auf der Anhöhe oberhalb des Bauernhaufens ein Trommler und ein Pfeifer eindeutig zum Kampf. Die Sintflut wird als Aufstand der unteren Gesellschaftsklassen gegen die feudalen Herrscher und den Klerus gedeutet. Im Juni 1524 beginnt der große deutsche Bauernkrieg, Revolution im Deutschen Reich.

[Holzschnitt von Hieronymus Höltzel, 1523, Nbg]

1991 entsteht mit dem Gemälde "Um alles!" eine Interpretation der mittelalterlichen Bildkomposition. Ein riesiger blauer Fisch fährt aus einer Feuerbrunst auf und stürzt sich mit unverkennbarer Kampfeslust auf eine in düsteren, grauen Farben erscheinende Landschaft. Voll Grimm ist der Rachen des Fisches geöffnet und läßt blitzende Raubtierzähne erkennen. Die Rückenflossen gleichen den Spitzen züngelnder Flammen. Im Begriff zur Faust geballt zu werden, ist die Seitenflosse zu Hand mutiert. Statt göttlicher Sintflut, in der die alte Ordnung untergeht, lodert auf dem Bild ein Flammenmeer. Als uraltes Symbol gilt das Feuer als Zeichen des Lichtes und der Freiheit. In der historischen Arbeiterbewegung wird es als Metapher für den zu erstreitenden Sozialismus übernommen.

Das Feuer der Revolution steckt die alte Welt in Brand. Dieser Zusammenhang wird durch die zu Sturm gewinkelte rote Fahne im Mittelpunkt der Feuerglut unterstrichen.

Vor dem Zentrum des Feuers befinden sich die einzigen menschlichen Gestalten auf dem Gemälde. Keine große Volksmenge drängt hier gegen die alte Ordnung vor, sondern es erscheint ein Vortrupp von drei Personen. Sie sind mit grünen Militärjacken bekleidet und tragen über ihren Gesichtern schwarze Masken. Mit dem schußbereit in den Händen hochgehaltenen Gewehr läßt die vorderste Figur Entschlossenheit erkennen. Unerschrocken zeigt sich auch die Figur, die mit ausgestrecktem Arm in Richtung Todeslandschaft zeigt. Über dem Fisch, gleichsam in einem Sog wirbeln am nächtlichen Firmament seltsame Zeichen durcheinander. Die unheilverkündende Sternenkonstellation spielt jedoch keine Rolle mehr. Gleichwohl wird sie durch Mond und Sterne am Nachthimmel angedeutet. Von den weiteren Symbolen, die ursprünglich im Fisch abgebildet sind, sind am nächtlichen Firmament die Zeichen für weiblich und männlich und als schwarzer Schattenriß die menschliche Gestalt zu sehen. Die Menschenfigur im Fisch bezeichnet den neuen, zu schaffenden Menschen. Die alte Ordnung auf der rechten Bildhälfte ist menschenleer. Grau und düster erscheint diese unbewohnbare, nur schemenhaft zu erkennende Welt. Den Hintergrund beherrschen drei mächtige Industrieschornsteine, die Rauchschwaden in die Luft speien. Abgase hüllen Himmel und Erde gleichsam in schlierige Dunkelheit. Vor diesem gigantischen Schloten ragt schwarz das kahle, tote Geäst abgestorbener Bäume aus der giftigen Brühe. Am rechten Bildrand stuft sich ein gigantisches betongraues Gebäude weit über das Bild hinaus in den Himmel.

 

 
     

 



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