Kritik und Selbstkritik

Kritik und Selbstkritik ist eine der wichtigsten und zentralsten Methoden einer revolutionären Organisation, mit der ein Erneuerungsprozeß der Persönlichkeit angestrengt wird. Alle Organisationsmitglieder sind zur Selbstkritik verpflichtet, von der Kämpferin bis zum ZK-Mitglied. Diese findet in verschiedenen organisatorischen Rahmen und zeitlichen Abständen statt. So wird z.B. nach einem abgeschlossenen Lehrgang oder einer Ausbildung dieser Zeitraum selbstkritisch bewertet. Selbstkritik heißt Eingeständnis und soll es ermöglichen, sich selbst zu sehen und sich der Probleme bewußt zu werden.

Als Hintergrund für die Selbstkritik werden die eigene Klassenherkunft und Sozialisation sowie die sich daraus entwickelnden Eigenschaften vor der Plattform dargestellt. Die eigene Praxis seit dem Eintritt in die Organisation und alle Bereiche des eigenen Lebens innerhalb der Organisation sollen offen dargelegt werden. Die zu bewertenden Fragestellungen sind sehr vielschichtig: z.B. Die Bewertung von übernommenen Aufgaben und ihrer Ausführung, als Kommandanten der Verantwortung gerecht geworden, Lösungskraft gewesen zu sein. Wie wurde die Organisationslinie angewendet bzw. weiterentwickelt? Wurden genossenschaftliche Beziehungen aufgebaut? Was ist von den Unterrichten verstanden worden? Wo hat es Entwicklungen gegeben, wo Stillstand? Auch die Bewertung konkreter Fehler im Kampf, sowie im Alltag sind Teil der Selbstkritik. Sind die Fehler darauf zurückzuführen, daß es Mängel in der Persönlichkeit gibt, welche sind es und wo wurde sich gegen eine Veränderung der Persönlichkeit gesperrt?

Dieser Ausschnitt von Fragen soll in der Selbstkritik in der Regel mündlich vorgetragen und beantwortet werden. Im Anschluß daran hat die Plattform Gelegenheit, Fragen zu stellen und den/die Genosse/In zu kritisieren. Dies wird in sehr grundsätzlicher und radikaler Weise praktiziert. Je nach Dauer der Organisationsmitgliedschaft bzw. der Verantwortung, die getragen wurde, richtet sich die Dauer und Tiefe der Kritik. Die Kritik muß grundsätzlich objektiv und frei von jeglicher Emotionalität sein. Anschuldigungen sind genauso wenig erlaubt wie das Verfolgen eigener Interessen. Sie muß vor dem Hintergrund der Klassenzugehörigkeit angebracht werden, denn kritisiert wird nicht die jeweilige Person als Individuum, sondern die Charaktereigenschaften der Gesellschaft, der Sozialisation die sich in ihm/r darstellen. Kritik zu formulieren ist auch ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber den GenossInnen. Der positive Sinn der Kritik als Chance zur Weiterentwicklung wird hervorgehoben, indem u.a. die guten Eigenschaften von den schlechten getrennt werden. Es gilt aber auch die Pflicht, Mängel und Fehler, die gesehen werden, zu kritisieren.

Die kritisierte GenossIn beantwortet eventuell gestellte Fragen und äußert sich zu ihrer Haltung der Kritik gegenüber. Dabei muß gesagt werden, daß geübte Kritik nicht grundsätzlich abgelehnt werden soll, sondern vielmehr die Phase des darüber Nachdenkens noch aussteht und davon ausgegangen werden muß, daß die Kritik objektiv geübt worden ist und das dieses Bild, dieser Eindruck nicht ohne das eigene Verhalten entstanden wäre. Jede Emotionalität versperrt den Blick auf die richtige Herangehensweise. Es geht nicht um Anklage und Verteidigung, sondern um Veränderung, einen Prozeß der Veränderung. Bei offensichtlich falschen Kritiken ohne materielle Grundlage kann eine Richtigstellung des Hintergrundes erfolgen. Es sollte in jeder Kritik der richtige Kern gesehen werden und keine vorschnellen Reaktionen hervorrufen. Die Selbstkritikplattform zeigt den GenossInnen, wo ihre Schwachpunkte liegen, die sie selbst noch nicht sehen. Kritik ist die Ergänzung der Selbstkritik. Sie versucht konstruktiv zu sein und ist zentrale Methode des Klassenkampfes in der Organisation. Die ständige Weiterentwicklung der Persönlichkeit und des Kollektivs steht im Mittelpunkt, jedes Verharren und Festzementieren von falschen Vorstellungen und falscher Praxis soll verhindert werden. Die kontinuierliche Selbstkritik und Kritik wird als Waffe im Kampf gegen den Feind in den eigenen Köpfen gesehen, die Selbstkolonialisierung zu bekämpfen, damit sich die Revolution entwickeln kann. Die Kritik wird in diesem öffentlichen Rahmen abgegeben, um so allen Genossinnen die Möglichkeit zur aktiven Teilnahme an diesem wichtigen Moment zu geben, sich selbst in den kritisierten Mängeln und Schwächen zu sehen und in diesem Sinne wirkt die Kritik-Selbstkritik Plattform wie ein großer Spiegel, aber auch der Ort eine realistische Einschätzung der eigenen Persönlichkeit, die für die Veränderung unbedingt nötig ist, zu bekommen.

Bei Selbstkritik geht es vor allem darum nicht einige Fehler formelhaft wieder und wieder zu wiederholen. Viele haben sich an Selbstkritik als Bestandteil ihres Lebens wie Essen und Trinken gewöhnt und man nehmen sie bequem. Das bringt die wirklichen Fehler und Ursachen nicht ans Licht und zieht in der Praxis selten ernsthafte Schritte nach sich. Ein solches Verhalten ist keine Selbstkritik, es bekämpft Schwächen und Fehler nicht. Die wichtige und revolutionäre Methode der Selbstkritik nutzt sich in einem solchen Phrasendreschen ab. Selbstkritik heißt sich wirklich mit sich selbst zu konfrontieren und einen wirklichen Willen zur Veränderung zu haben. Sonst nimmt nicht nur der einzelne Mensch sondern die gesamte Gemeinschaft Schaden, an dem Mangel an Ernsthaftigkeit, Selbstvertrauen und Selbstachtung. Das ist das größte Problem der Selbstkritik. Ein Revolutionär muß zu seinem Wort stehen, sonst kann keine revolutionäre Aktion erfolgreich sein. Ein Wort wird dafür gegeben, um es zu erfüllen. In der Selbstkritik versprechen wir uns selbst etwas und nicht den anderen, denn wir kritisieren uns selbst.



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