zensur
Im Internet ist eine "wirksame Sperrung nicht moeglich" Frankfurt/M (AP) Im Internet ist eine wirksame Sperrung bestimmter Inhalte nicht moeglich. So lautet das Fazit einer mehr als einwoechigen Blockade des niederlaendischen Internet-Rechners XS4ALL (steht fuer Access for all - Zugang fuer alle) durch das Deutsche Forschungsnetz (DFN), die am Montag abend wieder aufgehoben wurde.
"Es hat sich gezeigt, dass eine wirksame Sperrung des rechtswidrigen Inhalts nicht moeglich war", sagte DFN-Sprecher Klaus-Eckart Maass am Dienstag der Nachrichtenagentur AP. So sei die von XS4ALL veroeffentlichte Online-Ausgabe der Untergrundzeitschrift "Radikal" von anderen Web-Servern gespiegelt, das heisst kopiert und allgemein zugaenglich gemacht worden. Dadurch sei erst recht Aufmerksamkeit fuer "Radikal" erzeugt worden. Zudem sei er aus dem Internet mit einer Flut von Protesten und Beschimpfungen konfrontiert worden, sagte Maass. "Die Aufrechterhaltung der Sperre war nicht zumutbar." Das DFN reagierte mit seiner Massnahme am 11. April auf ein Schreiben des Bundeskriminalamts, das auf strafbare Inhalte in der Zeitschrift hinwies. Die Ausgabe 154 der linksradikalen Zeitschrift enthaelt einen "Kleinen Leitfaden zur Behinderung von Bahntransporten aller Art" - eine Anleitung fuer Anschlaege auf Gleise, ueber die Atomtransporte nach Gorleben laufen. Nach dem am Freitag in erster Lesung beratenen Teledienstegesetz sei er verpflichtet, den Zugang zu Internet-Angeboten zu sperren, sobald er Kenntnis von einem strafbaren Inhalt erhalte, erklaerte Maass. Voraussetzung sei aber, dass dies technisch machbar und zumutbar sei. Zwtl: Proteste vom serbischen Oppositionssender B92 Da die Ausschaltung einzelner Web-Seiten technisch nicht moeglich ist, sperrte das DFN den kompletten Zugang zu dem niederlaendischen Rechner, der mehr als 6.000 Informationsangebote bereithaelt - darunter des serbischen Oppositionssenders B92 und mehrerer wissenschaftlicher Bereiche. "Ich kann nichts unternehmen, was die Wissenschaft behindert", erklaerte Maass. So haetten sich drei DFN-Nutzer beschwert, dass sie archaeologische und andere Inhalte auf XS4ALL nicht mehr erreichen koennten. Das DFN, dem alle Universitaeten in Deutschland angeschlossen sind, wird von rund 500.000 Anwendern fuer den Zugang zum Internet genutzt. Proteste kamen auch von B92, weil sich der Sender in seinen Bemuehungen um Demokratisierung in Serbien behindert sah. Im September vergangenen Jahres hatten bereits mehrere kommerzielle Internet-Provider XS4ALL voruebergehend blockiert - aus Sorge, dass die Massnahmen der Justiz existenzgefaehrdende Dimensionen annehmen koennten, wie es damals begruendet wurde. Die Aktion loeste im Internet heftige Proteste aus, veranlasste XS4ALL aber auch, die "Radikal"-Ausgabe 154 voruebergehend vom Server zu nehmen. Dazu kam es bei der juengsten Sperre nicht mehr.
XS4ALL zeigte sich in einer Reaktion auf die neuerliche Sperre befremdet und erklaerte, Zensurmassnahmen im Internet haetten sich wiederholt als kontraproduktiv erwiesen. "Als Provider vertreten wir die Position, dass wir die Meinungsfreiheit unserer Nutzer nicht beschneiden koennen", erklaerte XS4ALL-Sprecher Felipe Rodriquez-Svensson. Wenn es Zweifel an der Rechtmaessigkeit von "Radikal" in den Niederlanden gebe, muessten diese von einem niederlaendischen Gericht geklaert werden. (Felipe Rodriquez Amsterdam, 16 april 1997) Offener Brief an den DFN Unter http://www.dfn.de/dfn/sperrung.html wird auf die Sperrung eines kompletten WWW-Servers in den Niederlanden durch den DFN hingewiesen. Der DFN begruendet die Sperrung damit, es sei technisch moeglich und zumutbar, eine solche vorzunehmen. Dadurch ergaebe sich eine rechtliche Verpflichtung fuer den DFN zur Sperrung, da durch diesem Server unter anderem in Deutschland rechtswidrige Inhalte bereitgestellt werden. Zunaechst ist dem entgegenzuhalten, dass der DFN nicht den Zugang zu den inkriminierten Inhalten, sondern einen gesamten WWW-Server sperrt. Es sollte auch dem Laien klar sein, dass dies wegen der technischen Unmoeglichkeit einer Sperrung der Inhalte geschieht. Die vom DFN ausgeloeste Sperre wird jedoch nicht nur wegen der Existenz vieler Mirrors (die nicht blockiert wurden, was weitere Fragen nach Sinn und Legalitaet dieser Aktion hervorruft) ad absurdum gefuehrt, es ist auch nach wie vor fuer jeden Nutzer im DFN moeglich, den gesperrten WWW-Server selbst zu erreichen. Die installierte Sperre besteht in einer schlichten Nichtweiterleitung von Datenpaketen, die fuer den gesperrten Server bestimmt sind, in die internationalen Netze. Das sieht zunaechst wasserdicht aus, es ist jedoch nach wie vor moeglich, trotz der Sperrung weiterhin saemtliche Inhalte von dem gesperrten Server abzurufen, von einem Rechner im DFN aus und ohne Administrator-Privilegien. Dazu muss nur ein sogenannter Proxy-Server benutzt werden, der ueber nicht vom DFN bereitgestellte Uebergaenge in die internationalen Netze verfuegt. Die Datenpakete gehen damit an eine nicht gesperrte Adresse, und der Proxy-Server leitet die Anfrage um die DFN-Sperre herum. Mit Hilfe einer WWW-Suchmaschine lassen sich innerhalb weniger Minuten mehrere Dutzend solcher Server weltweit ausfindig machen und die Sperre des DFN umgehen. Es muss daher festgestellt werden, dass die vom DFN behauptete technische Moeglichkeit der Sperre nicht existiert. (Achim Gratz)
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kombo(p) | kombo@riffraff.ohz.north.de | 17.07.1997