texte zum knast
KNASTGeschichte

Dies soll einmal der Versuch sein, die Geschichte der Gefängnisse darzustellen.

Die ersten Gefängnisse entstanden so um 1600. Davor wurden Vergehen durch das Fehderecht geregelt, hierbei blieb es den Verletzten selbst überlassen sich Genugtuung zu schaffen. Oft mußte der Beschuldigte ein Entgeld bezahlen oder wurde bei Vergehen gegen die Allgemeinheit mit körperlicher Züchtigung, wie das Martern, Steinigen, Spießen u.ä. bestraft.

Von ökonomisch "sinnlosen" Grausamkeiten zur Zwangsarbeit

Um 1600 gab es ein spürbaren Arbeitskräftemangel auf dem Arbeitsmarkt. Der war einerseits bedingt durch die Entdeckung neuer Edelmetallvorkommen in Übersee und dem damit verbundenen Aufschwung der Wirtschaft und anderseits durch die als Folgen des 30-jährigen Krieges stark dezimierte Bevölkerung. Es war nun einfach ökonomischer, die Verbrecher in Zuchthäusern und Zwangshäusern zur Arbeit zu zwingen, als sie zu verstümmeln oder zu töten. Ein Zitat Kurfürst Friedrich Wilhelms macht dieses deutlich: "Wenn die Züchtlinge wegen ihrer begangenen Verbrechen gezüchtigt werden sollen, muß solches moderat geschehen, damit sie nicht zum Spinnen untüchtig gemacht... werden.

Mit Beginn der Industrialisierung und der damit auftretenden Landflucht trat eine grundlegende Änderung auf dem Arbeitsmarkt ein. Es gab nun genügend billige ArbeiterInnen, so daß die Gefangenarbeit in den Zuchthäusern ihren ökonomischen Sinn verlor. Die Zwangsarbeit als Hauptzweck des Strafvollzuges wurde nutzlos, blieb aber zur Qual und Gefügigmachung der Unterdrückten und Eingesperrten bestehen. Dies äußerte sich dergestalt, daß die Gefangenen nun innerhalb der Anstalten "sinnlos" Steine hin und her schleppen mußten.

Haftziel: Besserung

Mit steigender Industrialisierung stieg die Gesamtkriminalität. In Preußen machten um 1835 Eigentumsdelikte ca. 85% aller Straftaten aus. In dieser Situation, der steigenden Kriminalität und dem Wegfall der der Notwendigkeit der ökonomischen Ausbeutung der Gefangenen wurde mit Inkrafttreten des preußischen Strafgesetzbuches 1851 der Freiheitsentzug zur Hauptstrafe Dieser Wandel wurde propagandistisch mit mehr Menschlichkeit, mehr Gerechtigkeit und der Abkehr von grausamer Barbarei verkauft.

Aber wenn die Strafe sich nun nicht mehr gegen den Körper richtet, wogegen richtet sie sich dann? G.de Mably, ein damaliger Straftheoretiker formulierte es so: "Die Strafe soll, wenn ich so sagen darf, eher die Seele treffen als den Körper."

Hinter der Aussage der "Bestrafung der Seele" verbirgt sich nichts anderes als der Beginn der Anwendung von Unterwerfungstechniken, die den "Schuldigen" zu einem "Umdenken" zwingen, sein Bewußtsein, seine Identität weitgehend brechen, um ihn dann "gebessert" - was heißt angepaßt, wieder der Arbeit zur Verfügung zu stellen. Doch wie soll diese "Umerziehung" durchgesetzt werden? Ein wichtiger Faktor ist die lückenlose Überwachung der Gefangenen. Der/die Gefangene soll permanent das Gefühl haben, beobachtet zu werden, obwohl bei der Menge der Eingesperrten die Kontrolle nur sporadisch sein kann. Ein anderer Faktor ist die Kontrolle der Kommunikation unter den Gefangenen. Um dieses zu ermöglichen wurden das Zellengefängnis eingeführt, d.h. die Gefangenen wurden nicht mehr in Gemeinschaftszellen gesperrt, sondern in einzelne Zellen gesteckt.

So um 1850 wurde das sogenannte PENNSYLVANIA-SYSTEM in Preußen eingeführt. Grundidee dieser Gefängniskonzeption ist die permanente Isolierung der Gefangenen. Im ersten Männergefängnis in Moabit (steht nicht mehr) wurde dieses mit deutscher Gründlichkeit umgesetzt. Die Gefangenen wurden 23,5 Stunden in Einzelhaft gehalten. Bei ihren Hofgängen mußten sie eine Maske tragen, damit sie nicht von Mithäftlingen erkannt wurden. Mit der zunehmenden Größenordnung, der steigenden Vermassung der Gefangenen in Großknästen wurde das System unbrauchbar. Es wurde ein abgestuftes System von Privilegien eingeführt. Gute Führung, also angepaßtes Verhalten, konnte die Haftzeit herabsetzen. Außerdem wurden die Gefangenen in unterschiedliche Tätergruppen unterteilt. Es wurde unterschieden nach Verbrechergruppen wie "besserungsfähig", besserungswillig", "nicht-besserungswillig" und "unverbesserlich". Diese Gruppen sollten einem entsprechenden abgestuften Vollzug unterworfen werden. Für die, die sich im Knastalltag verweigern, nicht unterwerfen, die sog. "Problemgefangenen", werden Knäste der höchsten Sicherheitsstufe bereitgestellt. Erstes Beispiel einer Zusammenfassung der sog. "Unruhestifter" war Alcatras (1934). Durch die Fortschritte in der Elektronik war es ab jetzt möglich, die Gefangenen lückenlos zu überwachen, ohne daß es einen Sichtkontakt zum Schließer gab.

Unter dem liberalen Mäntelchen der frühen sechziger Jahre setzte eine zunehmende Verwissenschaftlichung des Strafens ein. Ein Stab von Sozialtechnikern, Therapeuten, Medizinern, Psychiatern und Sozialarbeitern werden eingesetzt, um das Verhalten, die Anpassungsfähigkeit, Besserungsfähigkeit zu beurteilen, zu, diagnostizieren, um mit größter Effizienz ein Behandlungsprogramm zusammenzustellen, das den Gefangenen möglichst schnell- ohne öffentliches Aufsehen- unterwerfen und brechen soll. Hierbei wurde auch die Isolationshaft wieder für besonders "schlimme Fälle" wiederentdeckt. Auf einem Symposium 1961 mit dem Titel "Neue Horizonte der Besserungsbehandlung" wird die Isohaft ganz offen als Gehirnwäsche bezeichnet. Eggar H. Schein sagt in diesem Zusammenhang: "(...) Mein Hauptargument ist dies: um einen deutlichen Wandel von Verhalten und/oder Einstellung zu erzeugen, ist es erforderlich, die Zusammenhänge mit alten Verhaltensmustern und den alten Einstellungen zu schwächen, zu unterminieren, und zu beseitigen. Weil die meisten dieser Zusammenhänge in der direkten persönlichen Bestätigung des vorhandenen Verhaltens und in den Einstellungen solcher Leute besteht, mit denen enge emotionale Bedingungen existieren, ist es oft notwendig, diese emotionalen Bindungen zu zerstören(...) Ich hätte es gern, wenn sie über Gehirnwäsche nicht in Begriffen von Politik, Ethik und Moral dächten, sondern in Begriffen des überlegten Änderns von Verhalten und Einstellungen durch eine Gruppe von Männern, die eine ziemlich vollständige Kontrolle über die Umgebung haben, in der die gefangene Bevölkerung lebt."

Konsequente Anwendung findet Dr. Scheins "Umerziehung von Erwachsenen", die Sozialtechnik der Manipulation, der Zerstörung und des Brechens der Identität der Gefangenen in seinem 24-Punkte- Programm, von denen wir einige erwähnen möchten

1. Verlegen der Gefangenen in Bereiche, die ausreichend isoliert sind, damit enge emotionale Beziehungen erfolgreich abgebrochen werden oder ernsthaft abgewägt werden.

...

10. Diejenigen, die sich unkooperativ verhalten, bestrafen.

11. Systematische Vorenthalten der Post

12. Den Kontakt zu all denen verhindern, die nicht mit den Behandlungsmethoden und der Kontrolle über den gefangenen Pöbel übereinstimmt.

...

15. Zerstörung jeder emotionalen Unterstützung

17. Zugang zu Publikationen und Büchern ermöglichen und erlauben, die ausschließlich solches Material beinhalten, das das gewünschte neue Verhalten unterstützt oder sich ihm gegenüber neutral verhält.

Hier braucht wohl nichts hinzugefügt werden. Das Programm spricht für sich: Die Parallelen zu den Methoden, die die Bundesanwaltschaft heute Gefangenen gegenüber aufzwingt, sind nicht zu übersehen. Ihr Zuspitzung finden solche Programme in den toten Trakten von Celle, Moabit, Stammheim und Plötzensee.

Eine konsequente Weiterentwicklung ist der wieder in Bau befindliche Knast in Weiterstadt: Seine Konzeption beinhaltet die Möglichkeit der totalen Ausdifferenzierung von Gefangenen durch ein System von Privilegien (für Gefangene, die sich anpassen) und Isolation (für die "unverbesserlichen").

Wohngruppenvollzug" - das System der Differenzierung am Beispiel Plötzensee und Weiterstadt

Das Knastmodell von Weiterstadt, zählt zu den Knästen neuester Betriebsweise und Bauart. Es entwickelt sich wie schon vorher das Modell von Stammheim zu einem Exportschlager auch in die Regionen, in denen Menschen systematisch gefoltert und ermordet werden, so z.B. Kurdistan.Von der hessischen Justizministerin als "Beispiel für modernen und humanen Strafvollzug in Deutschland bezeichnet, sollen dort, untergebracht im "Wohngruppenvollzug", mehrere Hundert Gefangene in variablen Zellenblöcken lückenlos überwacht und sozial konditioniert werden.

Der Gelände des Hochsicherheitskastes liegt weit außerhalb der Ortschaft, eine extra Zufahrtsstraße mußte gebaut werden. Vier Wachtürme sind in die fugenlose 6,5 Meter hohe und 6 km lange Betonmauer integriert. Außen vor der Mauer wird ein Erdwall aufgeschüttet und mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt, was zwei Effekte hat, wenn die Bäume hoch genug sind: Selbst die Gefangenen im höchsten Stock haben keine Sicht nach draußen und von der Bundesstraße aus ist der Knast nicht zu sehen.

Es ist ein Hochsicherheitstrakt für Frauen geplant, sowie architektonisch ähnliche Trakte für den "Wohngruppenvollzug". Jede Wohngruppe, bestehend aus 10 - 20 Personen, die in Einzelzellen untergebracht sind, ist von allen anderen Wohngruppen und Inhaftierten vollständig getrennt. So verfügt jede Wohngruppe gar über einen eigenen Hof. Die Gruppenräume sind kameraüberwacht, die Zellen über Gegensprechanlage abhörbar. Die Einteilung in die Wohngruppen erfolgt nach psychiatrischer Begutachtung in Hinblick auf Anpassungswillen bzw. Widerstandsbereitschaft.

Frauen im Hungerstreik gegen den "Wohngruppenvollzug" in Plötzensee beschrieben ihre Situation folgendermaßen: "Die Situation ist gekennzeichnet durch ein Ausmaß an Kontrolle und Repression, wie es in seiner Totalität kaum vorstellbar ist. Die Plötze ist architektonisch und personell so konzipiert, daß ein Kontakt zwischen den Frauen gar nicht zustande kommt, oder aber bis ins letzte Detail registriert wird. Die Frauen werden in voneinander abgetrennte Zwangsgemeinschaften, den sogenannten Wohngruppenvollzug, gepfercht, in denen sie danach ausgesucht werden, wie gut sie sich anpassen und wie sie sich am besten gegenseitig fertig machen. Die schallisolierten Zellen haben eine Gegensprechanlage, durch die die Frauen jederzeit akustisch überwacht werden können. Die Stationsgänge sind mit Kameras bestückt und der Gruppenraum, in dem die Gefangenen sich in ihrer Freizeit treffen, verglast - kurz die perfekte Überwachung jeder Lebensäußerung. Sehen die Frauen sich nicht bei der Arbeit, haben sie durch die totale Abschottung keine Möglichkeit zusammenzutreffen."

Typisch für die neuen Knäste ist, daß für jede/n Gefangene/n ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, denn es herrscht Arbeitszwang. Die Arbeitsbedingungen sind frühkapitalistisch, niedrigste Stundenlöhne, Akkord und keine arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen (z.B. keine Lohnfortzahlung bei Krankheit). Die sogenannte "Arbeitstherapie" hat als einziges Ziel die Disziplinierung. Der Zwang zur Arbeit entsteht dadurch, daß der Arbeitsplatz einer der wenigen Orte ist, wo Kommunikation möglich ist - Verweigerung der Arbeit bedeutet Isolation und Spaltung.

Die hierarchische Staffelung der Wohngruppen - von unbeugsam bis anpassungswillig hat ein Ziel: eine 'Karriere' der Gefangenen durch Aufstieg von der untersten (unangepaßtesten) zur höchsten (anpassungswilligste) Gruppe. Mitarbeit wird belohnt, gegenteiliges Verhalten wird bestraft (Streichung der Privilegien und Isolation).

Weg mit den Zwangsanstalten - für eine Gesellschaft ohne Knäste!

(Quelle: radikale Zeiten Nr. 1, November 1995)

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kombo(p) | kombo@riffraff.ohz.north.de | 01.07.1997