abtauchen: briefe und interviews
Brief von Jutta Ein Brief von Jutta, einer der Gesuchten im Zusammenhang mit dem radikal-Verfahren: Heute ist nicht alle Tage - ich komm wieder, keine Frage!! da ich nie so sang und klanglos verschwinden wollte, möchte ich hiermit - zumindest was meine persönliche situation betrifft ein wenig licht in das dunkel meines verschwindens bringen. es war ein zufall, daß sie mich damals nicht auch geschnappt haben, wie jene vier die seitdem im knast sitzen. hallo ralf, werner, rainer und andreas, ich grüße euch ganz herzlich, schicke euch viel power und solidarität!!! nun wie gesagt, ein großer zufall, der mich in eine ganz andere welt katapultiert hat. erst mal war ich natürlich völlig durcheinander und hatte genug damit zu tun mich einigermaßen zurechtzufinden. vor allem die plötzliche und vollständige trennung von den frauen (und einigen wenigen männern) die ich am meisten liebe, hat mir am heftigsten zu schaffen gemacht und macht es immer noch. trotzdem war ich von anfang an glücklich darüber, ihnen entwischt zu sein. ich konnte also, so mehr oder weniger, in ruhe erst mal herausfinden was eigentlich los ist und überlegen, was ich für das richtige halte zu tun. und ich halte es immer noch für das richtige, mich weiterhin der festnahme zu entziehen und abzuwarten, was aus der ganzen sache wird. es hat schon eine ganze weile gedauert, bis ich einigermaßen realisiert hatte, was das alles eigentlich bedeutet. z.b. daß ich keine mal so eben anrufen kann, geschweige denn besuchen usw. am meisten beeindruckt hat mich die selbstverständliche und solidarische hilfe von einer ganzen menge von menschen, die mir dabei geholfen haben, daß ich einigermaßen schnell wieder das gefühl hatte, boden unter den füssen zu haben. eine unschätzbare hilfe, die mir ermöglicht hat, bei dieser entscheidung zu bleiben und darin eine vorläufige perspektive zu sehen. in dieser situation hatte ich zeit in rauhen mengen, mich mit meinen ängsten, wünschen, sehnsüchten und meiner wut auseinanderzusetzen. ich habe von anfang an versucht, möglichst eine struktur für den tag aufzustellen, woran ich mich tatsächlich weitgehend gehalten habe, um nicht in ein tiefes loch zu fallen, und auch das hat ganz gut geklappt. ganz wichtig dafür war bewegung und lesen. ich habe sehr gute bücher gelesen, die mir einen teil von auseinandersetzung, von der ich ja weitgehend abgeschnitten war, wiedergegeben haben. es ist schon eine seltsame situation so völlig abgeschnitten zu sein von dem, was mein normales leben ausgemacht hat. sei es die verschiedenen gruppenen, wie schon gesagt vor allem meine freundinnen und viele kleinigkeiten an die ich mich einfach gewöhnt hatte. aber ich habe auch eine menge kraft daraus eschöpft, selber ganz gut mit der situation fertig zu werden, aus der solidarität die ich erfahren habe, und aus dem wissen, daß meine freundinnen an mich denken. ich schicke euch eine ganze menge power für die nächste zeit, von da, wo auch die nacht auf den tag folgt und der tag auf die nacht. NEVER GIVE UP!!!
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kombo(p) | kombo@riffraff.ohz.north.de | 20.02.1999