Worum geht es bei der Gentechnologie?
Wer versteckt sich hinter der Macht der Gene?

Alle Welt debattiert über die Gentechnologie. Nachfolgend einige Argumentationshilfen für die fehlende Positionsbestimmung der Linken.
Es gibt zwei große Anwendungs- und Forschungsbereiche der Gentechnologie. Der eine Bereich befasst sich mit der Humanmedizin und der Entwicklung neuer Arzneimittel und hat den Menschen und höherentwickelte Tiere zum Forschungsgegenstand - das ist die sogenannte "rote" Gentechnologie. Der zweite Bereich befasst sich mit Landwirtschaft und Ernährung und hat vor allem die Pflanzenbiologie, die Insekten und die Nutztiere zum Forschungsgegenstand - das ist die sogenannte "grüne" Gentechnologie.

Die rote Gentechnologie
Seit der mit Milliarden Forschungsgeldern im Jahr 2000 abgeschlossenen vollständigen Sequenzzierung der menschlichen Genomstruktur keimen überall auf der Welt neue Hoffnungen für die Heilung vieler Erbkrankheiten und der sogenannten Volkskrankheiten wie Krebs, Alzheimer, Parkinson. Obwohl Medizin, Wissenschaft und die pharmazeutische Industrie in den letzten Jahrzehnten Milliarden von Forschungsgeldern in die Entwicklung neuer Präparate und neuer Verfahren zur Bekämpfung dieser Krankheiten gesteckt haben, sind die Erfolge bisher recht mager. Doch dank der Gentechnologie vollzieht jetzt eine Revolution in der medizinischen Diagnostik. Immer mehr Krankheiten können scheinbar eindeutig auf ihre genetischen Ursachen zurückverfolgt werden.
Dabei verändert sich zugleich das Krankheitsbild der Humanmedizin. Seit dem 2. Weltkrieg war es fortschrittlichen MedizinerInnen mit viel Mühe gelungen, in der herkömmlichen westlichen Apparate-Schulmedizin einen umfassenderes Krankheitsbild zu implementieren. Krankheit wurde nicht mehr monokausal hergeleitet. Die Ärzte lernten, den Patienten und seine Umwelt, sein soziales Umfeld, seine psychische Verfassung etc. in dem Therapieplan zu berücksichtigen. Damit soll nun wieder Schluss sein. In der Humangenetik wird das Wissen des Arztes nicht mehr aus dem Gespräch/Analyse des Patienten gewonnen, sondern direkt aus der Analyse seiner DNA. Das genetische Wissen wird mit biotechnologischen Methoden an der vermeintlichen Basis des Lebens, der DNA, direkt erhoben und auf den Menschen, die Natur unmittelbar angewendet.
Krankheit und allgemein abweichendes Verhalten ist laut den GentechnikerInnen der Biomedizin eine Folge eines Gendefektes und damit tendenziell heilbar. Weltweit werden schon DNA-Genchips angeboten, wo sich mensch auf alle möglichen Krankheiten durchchecken lassen kann. In den USA verlangen einige Lebensversicherungen bereits einen solchen Gencheck, mit der Folge, dass Menschen mit unheilbaren Erbkrankheiten eine wesentlich höhere Police zahlen müssen oder gar nicht in die Versicherung aufgenommen werden.
Die "neue Formel des Lebens ist durch Menschenhand manipulierbare genetische Information. Die Umprogrammierung des Lebens wird zum technischen Imperativ der Biowissenschaften," so der Gentechnikkritiker Prof. Linus Geisler. Unter Umprogrammierung versteht die Biowissenschaft die Beseitigung von vermeintlichen Gendefekten. Sie aufzuspüren und sie zu beheben ist die eigentliche Aufgabe der Anwendung der Genetik in der Humanmedizin. Hier geht es demnach viel um Embryonenforschung, Stammzellen, therapeutisches Klonen, Keimbahntherapie.
Besonders große Hoffnung hatten die Wissenschaftlerinnen in die somatische Gentherapie in den letzten Jahren gelegt. Doch nachdem unter mysteriösen Umständen mehrere Patienten in den USA gestorben sind, wurden alle weiteren Forschungen eingestellt.
Die Genetiker versprechen den Menschen viel, sehr viel. Mit stolz geschwellter Brust verkündet Craig Venter nach der Entschlüsselung der menschlichen Gensequenz das "Ende des Unwissens"! Mit der Embryonenforschung erhofft sich die Humanmedizin u.a. die künstliche Herstellung von menschlichen Organen bzw. durch die pränatale Implantationsdiagnostik die Eliminierung von Erbkrankheiten. Darüber hinaus sollen mit Hilfe der embryonalen Stammzellen menschliche Zellen, aus denen Organe nachwachsen können, gezüchtet werden. Mit den Hoffnungen auf eine so gezüchteten Niere oder Lunge im Reagenzglas wird der Zuspruch der Bevölkerung zur Humangenetik erkauft. Doch dies sind alles uneingelöste Therapie- und Heilungsversprechen. Kein seriöser Wissenschaftler kann heute für die nahe Zukunft von 10-20 Jahren Vorhersagen über den Erfolg einer solchen Reagenzglaszüchtung machen. Dafür ist die Kette der Misserfolge bei der Klonierung von Mäusen und Schafen zu groß und die Erfahrungen von Mäusen nur sehr eingeschränkt übertragbar auf den Menschen. Dabei wird es auch nicht ohne erhebliche Verluste von toten Embryonen, Todgeburten und neuartigen Tumoren bei den Föten gehen wie geschehen bei der Produktion des Klonschafs "Dolly".
In der pharmazeutischen Industrie tut sich die Anwendung der Gentechnik ähnlich schwer. Bis auf die ökonomisch sehr erfolgreiche gentechnische Herstellung des Diabetikermedikaments Insulin ist es bis heute noch keinem gentechnisch produzierten Präparat gelungen, einen vergleichbaren wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Die bisher eingesetzten gentechnisch hergestellten Medikamente ersetzen zumeist die konventionell erzeugten Präparate bzw. führen nur in wenigen Bereichen (u.a. bei Stoffwechselerkrankungen) zu einem therapeutischen Fortschritt. Trotzdem investiert seit einigen Jahren die Pharmaindustrie Milliarden von Dollar in die Forschung und Entwicklung gentechnischer Medikamente. Die eigentlichen Beweggründe liegen in der neuen Patentierbarkeit der Gen-Präparate. Denn dadurch wird den Pharmakonzernen eine Monopolstellung für 20 Jahre auf dem Weltmarkt zugestanden. So nimmt es nicht Wunder, dass seit einigen Jahren eine regelrechte Jagd auf genetische Ausgangsstoffe durch die biochemische Industrie eingesetzt hat. Die Sequenzzierung der menschlichen DNA hat zu einem sprunghaften Anstieg der Patentanmeldungen auf menschliche Gensequenzen beim europäischen Patentamt geführt. Weil die Patente sehr große Profitchancen versprechen, gibt es heute nahezu kein biomedizinisches oder mikrobiologisches Institut mehr was nicht mit einem börsennotiertes Unternehmen zusammenarbeitet. So kam z.B. der Molekularbiologe Prof. Wittig 1989 nur unter der Zusicherung an die FU Berlin, dass seine Privatfirma direkt am Lehrstuhl angesiedelt wurde. Der Professor kann somit die öffentlich subventionierte Gentechnikforschung privat verwerten und verdient mit seiner Biotechfirma "Mologen AG" Millionen.

Grüne Gentechnologie
In der grünen Gentechnologie geht es einerseits um die Verbesserung der Schädlingsbekämpfung und andererseits um die Erhöhung der Erträge der Pflanzen und Nutztiere sowie um Herstellung neuer Lebensmittel mit neuen Wirkstoffen.
Das Hauptanwendungsgebiet der Gentechnologie liegt in der Schädlingsbekämpfung bei den Nutzpflanzen in der Landwirtschaft. Hierzu wird die Genstruktur der Pflanze so verändert, dass sie z.B. resistent gegen ein bestimmtes Pestizid oder Herbizid ist. So kann dann beim Pestizideinsatz die Maispflanze überleben und alle anderen Unkräuter oder Schädlinge sterben ab. Bei den Nutztieren wie z.B. dem Lachs wird diesen ein zusätzliches Wachstums-Gen eingebaut, dass die Lachse bis zu sechs mal schneller wachsen lässt.
Nach anfänglichen Erfolgen in den 90er Jahren besonders in den USA ist unter den führenden Saatgutmultis mittlerweile Ernüchterung eingetreten. Zwar ist der Marktanteil bei genmanipuliertem Soja oder Baumwolle bei 50%, jedoch sind weder die Erträge deutlich gestiegen noch ist der Pestizideinsatz wie ursprünglich versprochen gesunken. Zudem ist die Abhängigkeit der US-Farmer von den Saatgutmultis enorm gestiegen, denn sie verkaufen nicht nur das Saatgut sondern auch das speziell für die genmanipulierte Pflanze entwickelte Pestizid.
Besonders in Europa ist die Kritik am Einsatz der Gen- und Biotechnologie in der Landwirtschaft einfach zu stark für die Konzerne geworden. Zuviel Unfälle, zu viele unvorhergesehene Gentransfers von z.B. genmanipulierten Raps auf wildwachsende verwandte Arten haben die Anwendung der Gentechnik in der Pflanzenbiologie und Landwirtschaft in Misskredit gebracht. Besonders verlustreich war im Jahr 2000 das Geschäft für den deutsch-französischen Konzern Aventis, der 400 Millionen Dollar Minus allein durch den Einsatz des Genmais "Starlink" gemacht hat. Der Futtermais "Starlink" wurde entgegen den Zusicherungen von Aventis in verschiedenen Lebensmitteln nachgewiesen.
Trotz dieser Rückschläge setzt die Life-Science-Industrie weiter auf die Entwicklung von Genfood. Auch in grünen Gentechnologie ist die Patentierung dafür ein sehr geeignetes Mittel.

Patente und Profite
1980 haben die USA erstmals die Patentierung von Pflanzen bzw. biotechnisch veränderten Teilen zugelassen. Dies war für die Forschungslaboratorien in den Universitäten und in den großen Agrokonzernen die entscheidende Voraussetzung für einen bis dahin nicht gekannten Boom in der Entwicklung neuer, gentechnisch manipulierter Pflanzen und Lebewesen. 1988 wurde das erste Tier in den USA patentiert, die sogenannte Genmaus. 10 Jahre später fügte sich auch das europäische Parlament dem Druck der Universitäten und der boomenden Biotechnologie- und Chemiebranche und befürwortete die Patentierung von genmanipulierten Lebewesen. Zwei Kernsätze aus dem Beschluss des europäischen Parlaments von 1997 drücken die Richtung aus: "biologisches Material, das mit Hilfe eines technischen Verfahrens aus seiner natürlichen Umgebung isoliert und hergestellt wird, kann auch dann Gegenstand einer Erfindung sein, wenn es in der Natur schon vorhanden ist" und: "eine Patentierung wird nicht ausgeschlossen, selbst wenn der Aufbau dieses Bestandteils mit dem eines natürlichen Bestandteils identisch ist". Kurz gesagt: Die aus einer Pflanze oder einem Tier isolierten Gene sind entgegen herkömmlicher Auffassung keine bloße Entdeckung sondern eine Erfindung. Und nur Erfindungen sind patentierbar. Der Patentschutz wird sogar auf die Pflanze oder das Tier ausgedehnt, aus dem das Gen gewonnen ist.
Im Dezember 1999 entschied das europäische Patentamt in München endgültig, dass gentechnische Veränderungen an Pflanzen als "sorten-unabhängige Erfindungen" grundsätzlich patentierbar sind. Damit werden die Forderungen der Life-Science-Industrie umfassend erfüllt. Nunmehr unterliegen nicht nur die neuen Genpflanzen einem Patentschutz, sondern auch die Herstellungsverfahren und die natürlichen Gen- und Pflanzenausgangsstoffe sind patentiert.
Mittels der Patentierung von Genen und ihrer technischen Verwertung eröffnet sich für den artenarmen Norden damit die Chance, sich die Exklusivrechte auf die Genressourcen des Südens zu sichern und ihre weltweite Vermarktung zu monopolisieren. Laut den Statistiken der UNO liegen 97 % aller Saatgutpatente in den Safes der Industrieunternehmen des Nordens, aber 90% der Genressourcen kommen aus den Ländern des Südens!
Zu welchen Abhängigkeiten für die BäuerInnen dies führen wird, verdeutlicht am krassesten die Entwicklung der sogenannten Terminator-Pflanze durch den US-amerikanischen Monsanto-Konzern. Mit der Verwendung der Terminatorpflanze ist es den Bauern nicht mehr möglich, eigenes Saatgut herzustellen. Dafür sorgt ein eingebautes Gen, dass die Samen der Pflanzen sterilisiert.
Die massive Ausweitung der Patentrechte (die selbst vor menschlichen Organen nicht halt macht), schafft für die Biotechnologie und die Life-Science-Industrie ideale Voraussetzungen zur Monopolisierung und Verwertung ihrer Forschungsprodukte.
Mit der Ausweitung des Patentrechts ist es jetzt auch in Deutschland gelungen, in großem Maßstab Risikokapital zur Finanzierung der Forschungsvorhaben in den Biotech-Firmen zu mobilisieren. Denn ohne den Patentschutz würde keine Kapitalgeber in die Biotechnologie investieren, dies geben freimütig die Politiker und Entscheidungsbehörden zu.
Die bundesdeutsche Politik fördert die Biotechnologie jährlich mit mehr als 2 Milliarden DM. Gemäß der Einschätzung aller im Bundestag vertretenen Parteien ist die Biotechnologie die "Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts". Sie sichere den Standort Deutschland und schaffe Arbeitsplätze, verkündet landauf landab Kanzler Schröder.
Doch die bisherigen Prognosen aus dem Wirtschafts- und Forschungsministerium über die Entwicklung der Arbeitsplätze in der Biotechnologie sind eher blamabel. 1996 war von 40.000 Arbeitsplätzen die Rede, 1998 schon von über 100.000 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2000 allein in Deutschland. Tatsächlich sind heute kaum mehr als 6000 neue Arbeitsplätze unter dem Strich entstanden. Trotzdem fließen die Milliardensubventionen für die Gen- und Biotechnologie weiter. Gerechtfertigt wird dies immer wieder mit dem Argument der Standortkonkurrenz.

Der normierte Mensch
Tatsächlich geht es um was ganz anderes. In der roten Gentechnologie, in der Humangentechnik soll der normierte, standardisierte, leistungsbewusste Mensch geschaffen werden. Schon längst wird offen über Auslese und Ausmerze von Kranken (siehe die Debatte um die Sterbehilfe) gesprochen, schon lange sprechen nicht nur deutsche, sondern vor allem auch britische und us-amerikanische WissenschaftlerInnen von der großen Chance "das Schicksal unserer Art selbst in die Hand zu nehmen" (Lee Silver in "Das geklonte Paradies"). Noch sind das lediglich Visionen. Doch lauern ungeheure Gefahren in den neuen Möglichkeiten der Genmanipulation der menschlichen Erbsubstanz. Sie ermöglichen die "Rückkehr der Eugenik auf leisen Füßen", wie es J. Rifkin formulierte. Die moderne Biomedizin verbindet sich mit dem sozialdarwinistischen Denken des 19. Jahrhunderts.
Die Medizin erhielt erstmals im 19. Jahrhundert bevölkerungspolitische Aufgaben (u.a. der Gesundheitsfürsorge, der Seuchenbekämpfung) und wurde damit ein Teil der Biopolitik. "Es scheint, dass eines der grundlegenden Phänomene des 19. Jahrhunderts in dem besteht, was man als die Vereinnahmung des Lebens durch die Macht bezeichnen könnte; wenn sie wollen, eine Machtergreifung in bezug auf den Menschen als Lebewesen, eine Verstaatlichung des Biologischen", schreibt M. Foucault. Genau in dieser Logik stehend beschrieb der Deutsche Bundestag 1988 die neuen Aufgaben der Humangenetik: "Zusammengefasst zielt prädikative Medizin darauf ab, Personen vor Krankheiten zu schützen, für die sie von der genetischen Struktur äußerst anfällig sind und gegebenen falls die Weitergabe der genetischen Disponiertheit an die folgende Generation zu verhindern." 10 Jahre später fordern deutsche Professoren unter der Überschrift "Humangenetische Diagnostik: Die Macht des Machbaren" Screeningprogramme für die gesamte Bevölkerung, um dadurch eine volkswirtschaftlich sinnvolle Familienplanung unter Vermeidung der teuren Erbkrankheiten wie Chorea Huntington oder zystische Fibrose zu entwickeln. - Der neue Mensch wird ein von Universitäten und Konzernen konstruiertes und patentiertes Wesen sein. Damit wird der Mensch vollends zur Ware des kapitalistischen Marktes.

Die Auswahl der Embryos nach Hautfarbe, Geschlecht, Intelligenz hat schon in den USA angefangen. In Deutschland ist im letzten Jahr darüber eine heftige Debatte ausgebrochen. Vordergründig geht es um das Verbot der PID (Pränatale-Implantations-Diagnostik). Noch ist die Gegenwehr und der Widerstand gegen die Pläne der Bundesregierung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Industrie bis auf die Kritik der Kirchen, des Bundespräsidenten und von Behindertenverbänden recht schwach. Doch das kann sich auch sehr schnell ändern... .

In der Pflanzenbiologie geht es für die großen Konzerne der Life-Science-Industrie um den Zugriff auf die weltweiten Genressourcen. "Die Food-Multis lassen sich schlichtweg jede Entwicklung patentieren", klagt Jorge Nieto vom Institut für Biotechnologie der Universität von Mexiko. "Die armen Länder machen sie dadurch zu 'Sklaven der Multis', sobald deren genetisch veränderte Saat - zum Teil Weiterentwicklung von Arten, die in der Dritten Welt seit Jahrhunderten angebaut werden - auf den Markt kämen", schreibt die 'FR' vom 13.8.99. Die Abhängigkeit sämtlicher BäuerInnen von den Saatgutmultis wäre nahezu vollkommen.
Doch im Bereich der grünen Gentechnologie regt sich weltweit Widerstand. Nicht nur BäuerInnen in Indien wehren sich gegen die Diktate der Saatgutmultis, auch die BäuerInnen, die in der weltweiten Bauernorganisation "Via Campesina" zusammengeschlossen sind, fordern das Verbot der Patentierung aller Formen des Lebens.
Greenpeace und die Initiative ‚Kein Patent auf Leben' wenden sich gegen den Machtanspruch der Gentechnik-Konzerne: Die Life-Science-Industrie beansprucht "Patentschutz von geradezu abenteuerlichem Umfang, die Biopatente erstrecken sich nicht nur auf Verfahren und ihre Produkte, sondern auch auf die natürlich vorliegenden Ausgangsstoffe, wie Gene, Zellen etc., und allen möglichen denkbaren Anwendungsfeldern der Produkte. Das heißt: es sollen Großprojekte geschützt werden, eine kleine Manipulation soll ganze Forschungs- und Anwendungsfelder absichern."

Die Frage bleibt, wer hier wen vor sich her durchs Dorf jagt. Ob weiterhin die Wissenschaftscommunity im Verein mit dem Biotech-Business die Politik und die Bevölkerung im Namen der Standortkonkurrenz vor sich hertreiben kann, oder ob nicht Grenzen gezogen und Stoppzeichen gesetzt werden können. Dies wird die Politik nicht freiwillig tun, sondern nur aufgrund des Drucks von unten. Und die Linke sollte schleunigst eine Positionierung nachholen - zwischen den Lebensschützern aus kirchlichen Kreisen einerseits und den Fortschrittsfetischisten andererseits, aber auch zwischen den berechtigten individuellen Interessen auf ein gesundes Kind in einer behindertenfeindlichen Gesellschaft und den eugenischen Visionen der Reproduktionsmediziner und Bevölkerungswissenschaftler auf der anderen Seite.

Hauke Benner, Berlin, Herbst 2000