Menschen für unseren Kampf gewinnen bedeutet in ihnen den Traum von einer anderen Gesellschaft, die Sehnsucht nach nicht entfremdeten Leben wecken!

 

Neoliberalismus und Globalisierung, eine kapitalistische Offensive, die alle Lebensbereiche, gesellschaftliches Eigentum, gesellschaftliche Aufgaben privatisieren und zur Ware machen will, und die die ganze Welt zu einem einzigen Markt unter der Dominanz und den Bedingungen der mächtigen Industrienationen/der transnationalen Konzerne vereinigen will.

Der Staat verlagert seine Aufgaben verstärkt auf die Aufrechterhaltung des "Rechtssystems", auf die Wahrung der "Inneren und Äußeren Sicherheit" und des Besitzstandes des Kapitals. D.h. Sicherheitspolitik bedeutet auch Ausbau von Überwachungs-, Steuerungs-, Ordnungs- und UnterdrückungsStrukturen zur Sicherung der Produktions- und VerwertungsBedingungen, der Absatzmärkte, des Zugriffs zu den Rohstoffen, des Kapitals/der Kapitalströme - und das bedeutet auch Krieg als "legitimes" Mittel der Politik zu betrachten. Und es geht auch um die "Sicherheit" vor unkontrolliertem Zuzug von Migrant_innen.

Die Ideologie des Sachzwangs soll Gewalt und Herrschaft anonymisieren:
     niemand scheint dann verantwortlich für die herrschenden Verhältnisse,
     deine gesellschaftliche Situation beruht in dir selbst, ist Schicksal,
     jede_r ist sich selbst der Nächste,
     wer nicht arbeitet soll auch nicht essen.

Kategorisierung, Normierung, Vereinzelung, Selektion im Interesse von leistungsfähig, effektiv, verwertbar, steuerbar, funktionalisierbar prägen verstärkt die Gesellschaft, aber auch immer stärker die zwischenmenschlichen Beziehungen und das individuelle Bewusstsein. So werden die Unterdrückten und Ausgebeuteten oft selbst Träger der herrschenden Verhältnisse.
Begriffe wie "Kommunikation", "Selbstbestimmung und Kollektivität", "Solidarität" und "Herrschaftsfreiheit" drohen im Sinne der Verhältnisse uminterpretiert zu werden und so für jeden emanzipativen Aufbruch verloren zugehen.

Immer mehr Menschen werden "überflüssig" – weltweit - innerhalb und außerhalb regionaler und politischer Grenzen – für sie bedeutet das u.a. Hunger, Krankheit, Armut, Sozialabbau, Unterdrückung, Ausbeutung, Migration und Flucht.
Und es werden Gesetze und Technologien entwickelt, sie zu kontrollieren, sie zu überwachen und sie über Repression auszurichten.
Nur wer "gebraucht" wird – für die kapitalistische Warenproduktion – hat ein Recht auf Leben.

Das alles ist keine Fehlentwicklung, kein Irrtum, kein Auswuchs, sondern konsequenter, innewohnender Ausdruck der weltweiten kapitalistischen Offensive.

Empörung und Korrekturen verändern daran nichts, nur eine revolutionäre Umgestaltung kann eine Befreiung aus diesem menschlichen Elend herbeiführen.
Aber es gibt kein Automatismus, keine sog. objektive Gesetzmäßigkeit, die zum Scheitern der kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse oder zur Entwicklung von Widerstand führen. Das hat die Geschichte oft genug gezeigt.
Die Verhältnisse sind bewusst von Menschen gemacht und können auch nur bewusst von Menschen verändert werden – und das ist nicht nur eine Frage von Erkenntnis, Einsicht und Bewusstsein sondern immer auch eine Frage der Machtverhältnisse, und das nur in einem dialektischen Verhältnis.

Und die Widersprüche zwischen Herrschaft und Befreiung werden sich nur lösen lassen,
wenn Begriffe wie z.B. "Rasse", "Volk", "Nation", "Geschlecht", "Privateigentum", "Lohnarbeit", "behindert" und "normal", "nützlich" und "unnütz", "lebenswert und nichtlebenswert" verschwinden, wenn Grenzen/Zäune eingerissen werden zwischen den Menschen, in den Köpfen und Herzen und zwischen den geographischen und politischen Regionen,
wenn alle Menschen überall auf der Welt, sich frei bewegen können und jeder Mensch als außergewöhnlich in seiner historischen, kulturellen, körperlichen Identität respektiert wird - als Mensch und nicht nach seiner Verwertbarkeit für ökonomische und politische Interessen - wenn jedem Menschen ein Recht auf würdiges Leben zugestanden wird – bedingungslos, nicht als Almosen, sondern als Menschenrecht!

Wollen wir leben, müssen wir uns unser Leben immer wieder neu aneignen. Und dafür gibt es kein Rezept, kein fertiges Modell: "die Idee der Freiheit wird erst im Verlauf jener Handlungen klar werden, die nötig sind, um die Freiheit zu schaffen" (Paul Feyerabend).
Menschen für diesen Kampf gewinnen, bedeutet in ihnen den Traum von einer anderen Gesellschaft, die Sehnsucht nach nichtentfremdeten Leben wecken.

Fritz Storim, Juli 2008