Die Atomkatastrophe in Japan ist
keine Naturkatastrophe sondern ein Verbrechen!

(Rede auf der ZwischenKundgebung vor Vattenfall/Mönckebergstr. - Hamburg, 26.03.2011, antikapitalistischer Block)

Wenn wir jetzt auf Japan schauen, dann sind wir von Traurigkeit und tiefem Mitgefühl mit der betroffenen Bevölkerung erfüllt – wir sind entsetzt und erschüttert.
Aber wir sind auch voller Wut und Zorn.

Denn die Atomkatastrophe ist keine Naturkatastrophe, ist kein Schicksal, ist nicht einem Irrtum, einem Versehen oder einer Fehleinschätzung geschuldet – sondern ist von Menschen bewusst in Kauf genommen.

Wir wussten immer, dass so eine Katastrophe nicht auszuschließen ist.
Und dennoch haben wir immer gehofft, so eine Katastrophe möge sich nicht ereignen.

Über 40 Jahre weisen wir – durch unzählige Analysen, auf Erörterungsterminen, Prozessen, mit Artikeln, Demonstrationen und anderen Aktionen – darauf hin, dass diese Technologie nicht beherrschbar ist, dass sie ein Verbrechen an Mensch und Umwelt darstellt, dass die Parolen:
"deutsche Atomkraftwerke sind sicher",
"ohne Atomstrom gehen die Lichter aus",
und jetzt : "Atomstrom als Brückentechnologie",
Werbelügen für das große Geschäft sind.

Jetzt stellt sich uns die Frage:
Haben wir bisher genug getan, haben wie alle unsere Möglichkeiten ausgeschöpft, um dieser Atompolitik ein Ende zu bereiten?
Diese Frage müssen wir uns für die Gegenwart und Zukunft neu beantworten!

Selbst die großen Katastrophen mit 100 000den Toten und Verletzten:
- in Majak in Rußland 1957,
- in Windscale in Großbritannien 1957,
- in Harrisburg in den USA 1979,
- in Tschernobyl in der Ukraine 1986,
- oder die Beinah-Katastrophe in Forsmark in Schweden 2006,
haben die Verantwortlichen für das Atomgeschäft nicht dazu bewegt, ihr mörderisches Projekt einzustellen.

Als in Forsmark - in einem Vattenfall-AKW - nach einem Kurzschluss der Reaktor vom Netz ging, die Kühlung komplett für 23 Minuten ausfiel und dann einer der Chef-Ingenieure öffentlich sagte: "Wir standen sieben Minuten vor der Kernschmelze" - was geschah dann?
Vattenfall feuerte den Mann und alles läuft wie gehabt.

Noch einen Tag, nachdem die Atomkatastrophe in Japan bekannt wurde, veröffentlichte der Energiekonzern E.on (mit 80% am AKW-Brokdorf beteiligt) in der Wilsterschen Zeitung (12.03.2011) einen Artikel als Reaktion auf die Forderungen der Bremer "Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz", die signifikante Anhäufung von Krebs in der Nähe des Atomkraftwerks Brokdorf wissenschaftlich zu untersuchen, in dem es heißt:
"Mit modernsten, das heißt genauesten Messmethoden sei wissenschaftlich und unter permanenter behördlicher Aufsichtspflicht belegt, dass ein Kernkraftwerk im Leistungsbetrieb keine direkte Strahlung in seiner Umgebung sende." Und weiter:
"So sei der Bremer Verein, mit der unscheinbaren, vertrauenserweckenden Bezeichnung "Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz" eine eindeutig dem linkspolitischen Spektrum zuzuordnende Organisation. Für sie sei nach eigenem Verständnis "eine radikal ökologische Sichtweise nicht zu trennen von der Kritik an den bestehenden politischen und sozialen Verhältnissen". Dieser Ideologie folgend fordere der Verein an anderer Stelle seines Onlineauftritts das sofortige Abschalten aller kerntechnischen Anlagen."
Dieser Versuch, durch Diffamierung und Lügen, die Meßstelle und die örtliche Bevölkerung zu spalten, wird nicht aufgehen und wird E.on auf die eigenen Füße fallen (s. www.MAUS-Bremen.de ).

 

Das Geschäft mit der Atomtechnologie und Atomenergie macht deutlich, wie ganz bewusst mit dem Leben und der Gesundheit von Mensch und Umwelt spekuliert wird. Die Gier nach Profit und Macht geht über Leichen.
Wir müssen uns immer wieder vergegenwärtigen, dass die Atomtechnologie kein Fehler, kein Irrtum, auch kein Auswuchs dieser herrschenden Verhältnisse ist, sondern bewusster, konsequenter Ausdruck. Für die Konzerne steht ihr Profitinteresse im Vordergrund und dafür nehmen sie Ausbeutung und Zerstörung von Mensch und Umwelt billigend in Kauf. Deshalb sollte es uns nicht nur darum gehen, bestimmte Symptome zu kurieren, sondern in unserem Widerstand auch immer die Ursachen für diese Symptome – nämlich die kapitalistischen Verhältnisse – anzugreifen.
Sonst werden wir gegen ein Symptom nach dem anderen kämpfen – ein Leben lang – ohne unserer Utopie von Kommunikation, Solidarität und Befreiung,von Selbstbestimmung und Kollektivität einen Schritt näher zu kommen.

Dem Kapitalist Vorwürfe zu machen, empört über bestimmte sog. "Auswüchse" zu sein, suggeriert, dass ein humaner Kapitalismus möglich ist. Aber im Rahmen der kapitalistischen Logik ist eine humane Lösung nicht denkbar.
Der Kapitalismus macht keine Fehler – er ist der Fehler. Und der muss beseitigt werden, damit wir leben können!

Die Welt ist jetzt, nach der Katastrophe in Japan, eine andere als die, die sie vor der Katastrophe war. Große Teile des Landes werden auf Jahrzehnte oder Jahrtausende verstrahlt sein, große Teile der Bevölkerung werden extremen Gesundheitsbelastungen ausgesetzt sein.
Und wenn Menschen hier meinen, Japan ist ja so weit entfernt und das trifft uns hier nicht, dann irren sie sich. Auch wir werden – zumindest längerfristig – die Auswirkungen zu spüren bekommen.

 

Wie ist die Situation in Deutschland?

Bremen z.B. liegt im Umkreis (150 km) von 6 AKWs. Keine Großstadt In Deutschland hat eine höhere Dichte von AKWs.
Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) räumte vor Kurzem (15.03.2011, Weser Kurir) ein:" Auf eine atomare Katastrophe haben wir keine Antwort!"
Und in Hamburg sieht es ganz ähnlich aus.

Und von den Gefahren, die auch vom sog. "Normalbetrieb" der Atomanlagen oder vom Uranabbau ausgehen und von den unlösbaren Problemen bei der Lagerung von Atomabfällen wird hier gerade gar nicht mehr gesprochen.

Und weiter:

Über die Stadtgebiete und Häfen von Hamburg und von Bremen/Bremerhaven gehen eine Vielzahl von Atomtransporten.
alle 1,5 Tage ein Atomtransport durch Hamburg!
alle 2 Tage ein Atomtransport durch Bremen!

Damit ist Norddeutschland eine wichtige Drehscheibe im internationalen Atomgeschäft.
Uranoxide, das extrem giftige Uranhexafluorid, unbestrahlte und bestrahlte Brennelemente oder andere Produkte im Zusammenhang mit der Nutzung der Atomtechnologie werden in den Häfen umgeschlagen und/oder durch die Stadtgebiete transportiert.
Empfänger und Absender des atomaren Materials sind Orte in der ganzen Welt, in: Deutschland, Belgien, Schweiz, Niederlande, Schweden, Großbritannien, Norwegen, Frankreich, Spanien, Kanada, USA, Argentinien, Australien, Süd-Korea, Russland, Kasachstan, Namibia, Brasilien, Süd-Afrika, Finnland.

Ein extrem gut florierender weltweiter Handel!

 

Auf den massiven öffentlichen Protest gegen verschiedene Transporte argumentierte der Bürgermeister aus Bremen Jens Böhrnsen (SPD) in einem Interview dagegen:
"... wegen der Sicherheitsprobleme solcher Transportgüter generell und auch wegen des zu erwartenden Demonstrationspotentials, das angesichts der aktuellen Debatte als sehr hoch eingestuft werden muss. Der Transport wird einen unverhältnismäßig hohen Polizeieinsatz nötig machen. Das kostet uns nicht nur viel Geld, sondern es wird auch die Funktion unserer Häfen beeinträchtigen."

und der ehemalige Bürgermeister von Hamburg, Christoph Ahlhaus (CDU) hatte, nach den letzten massenhaften Protesten in Gorleben, Angst vor politischen Unruhen und Blockaden des Hafens und wollte die "Belastung unserer Stadt durch die Transporte nicht akzeptieren".

Auch andere Städte wie z.B. Emden, Wilhelmshaven, Lübeck, Cuxhaven, Rostock, Kiel haben sich inzwischen zumindest gegen bestimme Transporte über ihre Häfen ausgesprochen und/oder über die Möglichkeit einer Endwidmung diskutiert..
Das ist schon mal ein schöner Erfolg des Anti-AKW-Widerstandes, daran sollten wir anknüpfen und nicht locker lassen.

Atomtransporte sind von größter strategischer Bedeutung für das Funktionieren der Atomindustrie. Atomtransporte verhindern heißt die Atomanlagen stilllegen. Und genau das ist unser Ziel.

In die Zukunft geblickt:

Wenn deutsche Firmen weiterhin am Bau von Atomanlagen weltweit beteiligt sind oder Materialien für den Bau und Betrieb herstellen und exportieren, oder wenn Atomstrom aus anderen Ländern importiert wird, erweist sich das ganze Gerede vom "Ausstieg aus der Atomenergie" oder "Atomenergie als Brückentechnologie" als dreiste Irreführung und Lüge.

Für die sofortige und bedingungslose und endgültige Stilllegung aller Atomkraftwerke weltweit.

Aber das werden wir nicht ausschließlich erreichen durch Argumente und Appelle an die Politiker_innen, sondern: da müssen wir schon selbst Hand anlegen!

Und vergessen wir dabei nicht:

Keinen Frieden mit den herrschenden Verhältnissen. Eine Welt erkämpfen, in der nicht die ökonomische Rationalität sondern der Mensch im Mittelpunkt von Denken und Handeln steht - jetzt und überall!

In diesem Sinne ist es unsere moralische Pflicht, die Verantwortlichen für das Atomgeschäft - und damit auch für die vielen Toten und Verletzten - aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik beim Namen zu nennen und zur Verantwortung zu ziehen:

das sind in Deutschland u.a.:
- die 4 großen Stromkonzerne: Vattenfall, E.on, EnBW, RWE,
- und auch die ehemalige Rot-Grüne Regierung Schröder-Fischer-Trittin mit ihrem Konsensvertrag zur Bestandssicherung der deutschen Atomanlagen – der Garantie von beträchtlichen Laufzeiten und Profiten-, zum Ausbau der Urananreicherungsanlage Gronau u.s.w,
- und jetzt auch die Schwarz-Gelbe Regierung mit Merkel-Westerwelle-Röttgen, die gerade noch die Laufzeitverlängerung beschlossen haben,
- die (Natur-)Wissenschaftler_innen und Techniker_innen (bis auf wenige Ausnahmen, die dann auch noch oft politisch verfolgt, mit Berufsverbot belegt und versucht wurden mundtot zu machen) wenn sie sich "wertneutral" jeder gesellschaftlichen Positionierung verweigern, wenn sie wider besseren Wissens schweigen.

Die Erfahrung sagt uns:

nicht das Beispiel der Anpassung/Unterwerfung macht den Menschen Mut, sondern das Beispiel der Rebellion.

die Großen erscheinen nur so groß, weil wir vor ihnen auf den Knien liegen – erheben wir uns!

das heißt für uns:

Vorwärts und nicht vergessen die Solidarität!

Wir sehen uns wieder auf der Straße, passt gut auf euch auf!