Gentechnik macht arm!

Mehr als die Hälfte alle Menschen leben auch heute noch in der landwirtschaftlichen Produktion. In den letzten Jahrzehnten hat jedoch die Landflucht wegen Hunger, Unterernährung und Landvertreibung durch die Großgrundbesitzer und Agarkonzerne zu einer Beschleunigung der Verstädterung in den Ländern des Südens geführt.

Wenn es um die Zukunft der Landwirtschaft geht, sprechen Politiker und Wirtschaftsbosse immer von der Notwendigkeit des Kampfes gegen den Welthunger. Jährlich sterben 30 Millionen an Hunger und fast eine Milliarde Menschen ist unterernährt. Nur durch eine moderne Landwirtschaft lasse sich diese ‚Geissel der Menschheit’ beseitigen.

Was verstehen die Politiker dabei unter moderner Landwirtschaft? An erster Stelle ‚unsere’ vorbildliche, hochertragreiche industrielle Landwirtschaft hier in Europa, an zweiter Stelle noch mehr Technik, noch mehr künstliche Bewässerung und noch ertragreichere Sorten vor allem für die ärmeren Länder des Südens – und damit verbunden die Gentechnologie. Bund und Länder geben jährlich mehr als 1 Milliarden Euro aus zur Weiterentwicklung der Bio- und Gentechnologie, angeblich "die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts" zur Bekämpfung des Welthungers, wie das Bundesforschungsministerium in seinen Hochglanzbroschüren schreibt.

Sie wird als neues Allheilmittel für die Landwirtschaft verkauft. Zum Beispiel beim Maiszünsler-Befall im Oderbruch: statt der Verbesserung der herkömmlicher ackerbaulicher Maßnahmen heißt die Lösung nun Anbau von Bt-Mais. Das ist billig und erfolgreich, spart Pflanzenschutzmittel und erhöht die Erträge – angeblich. Doch ist es wirklich so einfach mit der Gentechnik?

Das Hauptanwendungsgebiet der grünen Gentechnologie liegt in der Schädlingsbekämpfung bei den Nutzpflanzen in der Landwirtschaft. Hierzu wird die Genstruktur der Pflanze so verändert, dass sie z.B. resistent gegen ein bestimmtes Pestizid ist. So kann dann beim Pestizideinsatz die Maispflanze überleben und alle anderen Unkräuter oder Schädlinge sterben ab. Bei den Nutztieren wie z.B. dem Lachs wird diesen ein zusätzliches Wachstums-Gen eingebaut, dass die Lachse bis zu sechs mal schneller wachsen lässt.

Seit etwa 15 Jahren versuchen transnationale Konzerne wie Monsanto, Syngenta, DuPont, Bayer und BASF diese Gentechnik weltweit durchzusetzen. Dabei geht es um nicht weniger als die vollständige Kontrolle der landwirtschaftlichen Produktion. Mit Biopiraterie, Patenten, Aufkäufen, Sortenschutzabkommen, WTO-Schiedsverfahren und Terminatortechnologie soll den BäuerInnen die Freiheit genommen werden, darüber zu entscheiden, was sie auf ihren Feldern anbauen.

Die Multis aus der Saatgut- und Chemieindustrie bestimmen seit Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) 1995 in enger Zusammenarbeit mit den reich gewordenen Großgrundbesitzern den Welternährungsmarkt. Die hochverschuldeten Länder des Südens, wie Brasilien oder Argentinien oder die afrikanischen Ländern südlich der Sahara werden durch Kreditauflagen der Weltbank oder des Internationalen Währungsfonds (IWF) gezwungen, den Export von landwirtschaftlichen Produkten auf Teufel-komm-raus zu fördern, weil dies häufig die einzige Form für die hochverschuldeten Länder darstellt, Dollar-Devisen zu erwirtschaften. Die Blumen, die wir billig aus Kolumbien auch im Winter kaufen können, die Garnelen aus Bangladesch, das Soja aus den Amazonaswäldern Brasiliens für die europäischen Rinder - müssen die einheimischen ProduzentInnen mit einer hohen Gesundheits-gefährdung wegen des massiven Gifteinsatzes bei den Blumen, der Zerstörung der Mangrovenwälder durch die Garnelenzucht und der Landvertreibung der KleinbäuerInenn durch massenhaften Gensojaanbau bezahlen.

Die globalisierte Landwirtschaft hat zu einer weltweiten Angleichung der Nahrungsmittelgewohnheiten und vor allem der industrialisierten Anbau- und Pflanzenzüchtungsmethoden geführt. Die Gentechnik treibt das auf die Spitze: Monokulturanbau und totale Abhängigkeit von der Saatgut- und Düngemittelindustrie: "Die Bauern sind zu Sklaven der Multis geworden", beklagte vor ein paar Jahren Jorge Nieto von der Universität aus Mexiko-City.

Das Zurückdrängen der bäuerlichen Subsistenzwirtschaft, die unabhängig von den Gesetzen des Weltmarktes die lokale Versorgung organisierte, ist ebenfalls eine Folge der Förderung des Agrobusiness. Die BäuerInnen können ihre Produkte nicht mehr vermarkten, weil sie für den nationalen Markt oder den Weltmarkt die "falschen" Produkte anbieten und wegen der subventionierten Agrarexporte durch die EU oder die USA zu teuer sind.

Was für Auswirkungen hat die Gentechnik?

Mit Beginn des 21. Jahrhunderts hat die Gentechnik in einigen Ländern wie den USA, Brasilien, China und Argentinien einen regelrechten Siegeszug angetreten. In Argentinien ist der Gen-Sojaanbau sehr stark ausgeweitet worden und Gensoja ist wie in Brasilien zum Exportschlager für die hochgradig verschuldeten beiden Staaten Lateinamerikas geworden – zu Lasten der Rodung des tropischen Regenwaldes und der Vertreibung von Millionen BäuerInnen in die Slums von Buenos Aires oder Rio de Janeiro. Scheinbar ist der Siegeszug der Gentechnik nicht mehr aufzuhalten.

Doch wie wir aus Nordamerika wissen, wo die Gentechnik auf Millionen von Hektar seit Jahren angebaut wird, ist das nicht so einfach wie die Herrn der Gentechnik es gerne darstellen. Langfristige Untersuchungen über 10 Jahre in den USA haben ergeben, dass die Erträge der Farmer zurückgehen und vor allem der Pestizideinsatz sich deutlich – entgegen den Versicherungen des US Konzerns "Monsanto" – erhöht hat. Zudem steigert der massive Einsatz der Gentechnik in den USA die Verseuchung des Grundwassers, den Rückgang der Artenvielfalt und die Verarmung der Böden.

Auch sind die Exporte US-amerikanischer Produkte in den letzten Jahren eingebrochen, weil viele Lebensmittelverarbeiter auf der ganzen Welt Angst vor einer Kontamination mit gentechnisch veränderten Organismen und einer Rufschädigung haben. Gentechnik, das ergibt die Erfahrung aus den USA, rechnet sich letzten Endes allein nur für Monsanto und die fünf anderen großen Saatgut-Multis.

Nach wie vor wollen 70 % der europäischen Verbraucher keine Gentechnik auf ihrem Teller. Auch die allermeisten Landwirte stehen dem Einsatz von Gentechnik ablehnend gegenüber. In Europa ist die Kritik am Einsatz der Gen- und Biotechnologie in der Landwirtschaft für die Konzerne nach wie vor sehr stark: Zu viele Unfälle, zu viele unvorhergesehene Gentransfers von z.B. genmanipulierten Raps auf wildwachsende verwandte Arten haben die Anwendung der Gentechnik in der Pflanzenbiologie und Landwirtschaft in Misskredit gebracht. Besonders verlustreich war im Jahr 2000 das Geschäft für den deutsch-französischen Konzern Aventis, der 400 Millionen Dollar Minus allein durch den Einsatz des Genmais "Starlink" gemacht hat. Der Futtermais "Starlink" wurde entgegen den Zusicherungen von Aventis in verschiedenen Lebensmitteln nachgewiesen. Gensoja und Genmais verursachten in den letzten Jahren in umfangreichen Forschungsversuchen bei Mäusen und Ratten erhebliche Missbildungen. Trotzdem gab die europäische Union den Monsanto-Genmais 810 für den Anbau im Jahr 2005 frei – wissenschaftliche Untersuchungen hätten die Ungefährlichkeit des Genmaises nachgewiesen.

Was uns die offizielle Wissenschaft jedoch nicht sagt: Es gibt inzwischen zahlreiche Studien, die belegen, dass es sehr wohl einen Gentransfer von der Nahrung in den Körper geben kann, der Herbizidverbrauch durch die sich entwickelnden Resistenzen langfristig steigt und Superunkräuter entstehen. Auch haben Studien der UNO längst nachgewiesen, dass der wahre Grund für den Hunger in der Welt die ungerechte Landverteilung, der fehlende Zugang zu Wasser, die schlechte Lagerung und vor allem Armut sind - und nicht etwa fehlende Gentechnik!

Die Strategie der Gentechnikkonzerne zielt jetzt vor allem auf Europa. Denn sollten sie sich hier trotz einer weitgehend gentechnikkritisch eingestellten Bevölkerung durchsetzen, dann würden auch die Eliten der ärmeren Länder die Einführung der Gentechnik stärker unterstützen, stellt doch Europa einen wichtigen Absatzmarkt für landwirtschaftliche Produkte dar.

Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer hat in diesem Jahr erstmalig den Genmaisanbau durch Eintragung in das Pflanzensortenregister völlig freigegeben. Noch sind das nicht große Flächen, in Mecklenburg-Vorpommern noch nicht einmal 200 ha, in Brandenburg knapp über 400 ha.

Aber Seehofers Ministerium hat auch die Oberaufsicht über einen Freilandversuch mit Genraps in Groß Lüsewitz bei Rostock. Mit diesem Versuch will die Uni Rostock die notwendigen Sicherheitsstandards für den Freilandanbau von Genraps in Europa herausfinden. Wir fragen uns allerdings, was das ganze soll? Nachdem der Genraps innerhalb von wenigen Jahren in Kanada sämtlich konventionellen und biologischen Natursorten verunreinigt hat, nachdem entgegen den Behauptungen der Saatgutmultis der Gentraps eine wesentlich größere Auskreuzung von über 20 km hat, erübrigt sich jegliche Sicherheitsforschung. Genraps ist nicht sicher, erst recht nicht im kleinteiligen Anbau hier in Europa. Was da in Lüsewitz gemacht wird, ist schlicht und einfach der helle Wahnsinn! Damit sollen dem Genraps die Tore geöffnet werden für den großflächigen Anbau zur Gewinnung von Rapsöl, der Lieblingsidee von Bundeskanzlerin Merkel. Das könnte zwar ein Minibeitrag sein zur Lösung der Energieknappheit, die eines der Hauptthemen auf dem nächstjährigen G 8 - Gipfel in Heiligendamm sein wird. Aber mit Genraps die Rapsölproduktion anzukurbeln ist aus der Sicht der bäuerliche Landwirtschaft, die sich um den Erhalt von Natur und Umwelt kümmert, verheerend. Raps hat in Mitteleuropa mehr als 3000 verwandte Pflanzensorten, die wären binnen von ein paar Jahren verseucht. Es wäre das Ende der gentechnikfreien Landwirtschaft. Dieses Ende wollen Monsanto und Co mit aller Gewalt herbei führen. Monsanto hat auf seiner Homepage das unmissverständlich angekündigt. In wenigen Jahren wollen sie den Saatgutmarkt für alle Genpflanzen zu 100% zu beherrschen.

Wieder einmal begeben sich Politiker wie Merkel, Seehofer und karrieregeile Wissenschaftler in die Rolle des Steigbügelhalters für die Großindustrie. Koste was es wolle. Und was die Bevölkerung will, ist denen so und so egal.

Aber sowohl die BäuerInnen auf allen Kontinenten und die VebraucherInnen nehmen das so nicht widerstandslos hin. Überall regt sich Widerstand, werden Genfelder abgemäht, gründen sich Bürgerinitiativen gegen Genversuchsfelder wie in Mecklenburg oder in Brandenburg. Noch haben die Konzerne nicht gewonnen, vor allem hier in Europa. So ist z.B. nur aufgrund von Protesten der lokalen Bevölkerung die Anbaufläche in Brandenburg in diesem Jahr um die Hälfte geschrumpft.

Zusammengefasst: Gentechnik hat nichts, aber auch gar nichts mit der Förderung von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft zu tun, sie dient einzig und allein den Interessen der Großkonzerne und Großbauern, sie vernichtet die Pflanzenvielfalt, verseucht die Ackerböden und das Grundwasser und beschleunigt die Landvertreibung in den Ländern des Südens. Gentechnik macht in vielerlei Hinsicht einfach nur noch mehr arm!!

 

Barnimer Aktionsbündnis gegen Gentechnik, Juni 2006