Dokumentation

Stand: Anfang Juni 2000


Zur politischen Verfolgung wegen Hakenkrallen-Anschlägen gegen CASTOR-Transporte der Deutschen Bahn.



Die unmittelbar Betroffenen haben erklärt, daß sie mit den politischen Angriffen gegen sie, soweit wie möglich, offen und offensiv umgehen wollen. Das drückt sich auch aus in der Arbeit der Solidaritätsgruppen z.B.: in einem "Offenen Brief" mit der Aufforderung, diesen zu unterzeichnen, diversen Veanstaltungen, einem Theaterstück "Die Franz Meiser Show", in der Enthüllung des Wanderdenkmals "Die Goldene Hakenkralle" (bisher in Bremen, Dannenberg, Berlin und Braunschweig), einer Ausstellung zu den Angriffen, zum Widerstand und zur Solidarität. Denn » was die Staatsschutzbehörden wissen, vermuten, spekulieren und gegen uns einsetzen, das sollten auf jeden Fall auch die FreundInnen und weitere solidarisch Interessierte wissen, - selbst dann, wenn dadurch eigene Fehler oder Nachlässigkeiten bekannt werden. Damit sie die Möglichkeit haben, sich ein eigenes Bild von der Situation zu machen, selbst politisch Position zu beziehen und sich mit uns auseinanderzusetzen. Nur diese Auseinandersetzung kann Grundlage für Solidarität, für weiteres gemeinsames politisches Handeln und für Selbstkritik und Veränderung sein«.
Uns als Solidaritätsgruppe geht es auch darum, zu entlarven und nachvollziehbar zu machen, was hinter diesen Angriffen steckt, und daran auch deutlich zu machen, was wir selbst wollen - über unsere Ziele und Utopien zu reden.
Menschen für einen gemeinsamen Kampf gewinnen wird uns nicht über bloße Appelle und bloße akademische Analysen gelingen, sondern hauptsächlich, wenn wenn wir Lust und Hoffnung auf ein anderes Leben - herrschaftsfrei und solidarisch weltweit - vermitteln und das - wenn auch nur punktuell und in seiner ganzen Widersprüchlichkeit - selbst und immer wieder neu zu realisieren versuchen. Das wird uns auch nicht gelingen, über Empörung, indem wir uns als Opfer darstellen oder um Mitleid werben z.B indem wir verbreiten, wir werden ungerecht behandelt, wir sind ja eigentlich harmlos und unschuldig!
Wir wollen kein Mitleid, wir wollen Solidarität - d.h. auch Auseinandersetzung und Kritik -, und wir sind nicht harmlos, denn wir stellen diese Gesellschaft, diese herrschenden Verhältnisse grundsätzlich in Frage und wollen sie verändern!




Die Durchsuchungen


Es war am 6.Juli 1999 - also inzwischen vor fast einem Jahr - als das Bundeskriminalamt (BKA) insgesamt 10 Wohnungen in Berlin, Bremen, Hamburg, im Landkreis Lüchow-Dannenberg und im Landkreis Lüneburg, einen Taxi-Betrieb in Berlin Kreuzberg und ein Umweltinstitut in Bremen durchsuchte.

Der Vorwurf lautet: "Verdacht auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" (§ 129a) und/oder "gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr" (§315).

Nach der Pressemitteilung des Generalbundesanwaltes (vom 6.7.1999) waren 9 StaatsanwältInnen, 100 BKA-BeamtInnen und weitere 200 PolizistInnen der Länder beteiligt.

Die Beschuldigten wurden erkennungsdienstlich behandelt, teilweise wurden noch zusätzlich Speichelproben und Haarproben (aus Haarbürsten) für DNA-Analysen entnommen [ 1 ]. In eine Wohnung in Berlin drangen vermummte SEK-BeamtInnen mit Stahlhelm und gezogenem Revolver ein. Ein Mensch wurde von der Arbeit in seine Wohnung "verbracht".

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft gingen der Durchsuchungsaktion "intensive Ermittlungen der "Arbeitsgruppe Energie" beim Bundeskriminalamt" voraus. Diese Ermittlungen hätten ergeben, daß die Aktionen auf eine Personengruppe aus dem militanten Widerstand gegen die CASTOR-Transporte und auf eine, die aus dem Widerstand gegen die Olympischen Spiele in Berlin (AOK, Anti-Olympia-Komitee) stammt, zurückzuführen sind.


Begründet wurde der Vorwurf mit den Hakenkrallenaktionen gegen die Deutsche Bahn AG [ 2 ], die laut Pressemitteilung des Generalbundesanwaltes
In dem breit veröffentlichten Kommuniqué heißt es dazu:
"Ziel der Anschläge war es, die Deutsche Bahn AG unter Druck zu setzen, um die CASTOR-Transporte auf dem Schienennetz einzustellen."

Aus der Zeitgleichheit der Aktionsserien und gemeinsamer Erklärungen schließt die Generalbun-desanwaltschaft auf die Existenz einer Organisation "Autonome Gruppen", deren "ührungskader" sie in den Beschuldigten gefunden zu haben glaubt.


Es gibt elf sog. "Beschuldigte" und neun weitere sog. "Betroffene". Wobei "Betroffene" Personen sind, die mit den "Beschuldigten" in Kontakt stehen und zu den Räumen der "Beschuldigten" Zugang haben sollen.
Teilweise scheinen aber "Betroffene" auch "Beschuldigte" zu sein. Wobei "Betroffene"aber, wie jetzt in einem Fall geschehen, als Zeugen vorgeladen werden können.

Gegen vier "Beschuldigte" wird auch wegen gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr im Rahmen des Widerstandes gegen das AKW Krümmel ermittelt. Es soll sich hierbei um das "Durchtrennen der Schienenstränge der Bahnstrecke Geesthacht-Bergedorf" handeln. Gemeint ist das Anschlußgleis, das das AKW-Krümmel an das öffentliche Bahnnetz anschließt.


Im Fall der Hakenkrallenaktionen unterstellt die Staatsanwaltschaft, daß durch die reißenden Oberleitungen Gefahr für Leib und Leben von LokomotivführerInnen und Reisenden entstanden war.
Dagegen geht aus den Diskussionen der Anti-AKW-Bewegung ganz klar hervor, daß solche Aktionen so angelegt sind, daß keine Menschen gefährdet werden.


Die Durchsuchungen - zumindest bei den "Beschuldigten" - fanden in allen Räumen statt, zu denen sie nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Zugang haben.
Das betraf auch Keller, Dachböden, Schuppen, Ställe, Autos, Gärten und landwirtschaftliche Flächen.
Die Durchsuchungen begannen zeitgleich etwa um 8 Uhr morgens und dauerten bis zu 13 Stunden. Es wurde zugelassen, eine AnwältIn zu benachrichtigen, dann aber konnten, bis auf eine Ausnahme, keine weiteren Telefongespräche geführt oder empfangen werden.


In Bremen gehört ein Mitarbeiter der Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz (MAUS e.V.) zu den Beschuldigten.
Sein Arbeitsplatz, aber auch die Räume der Meßstelle und das gesamte Haus - d.h. mehrere Wohneinheiten -, in dem sich die Meßstelle befindet, einschließlich einer Kunstgalerie, wurden durchsucht. Geschäfts- und Arbeitsunterlagen wurden in einem Ausmaß beschlagnahmt, daß ein Weiterbetrieb nur notdürftig möglich ist.
Hier wurde vor Ort eine weitere Beschuldigung erhoben: "Anfangsverdacht des Betruges durch unzweckmäßig verwendete Fördergelder" (aus der Anlage zum Durchsuchungsprotokoll des BKA vom 6.7.99). Da es diesen Vorwurf juristisch gar nicht gibt, wurde er in "Subventionsbetrug u.a." (Schreiben der Staatsanwaltschaft Bremen vom 26.7.99) umgeändert. Daß dieser Vorwurf ausschließlich politisch motiviert ist zeigt sich auch daran, daß die Eröffnung des Ermittlungsverfahrens und die Beschlagnahme der Unterlagen durch die Staatsanwaltschaft Bremen allein auf Anordnung der Staatsanwältin der Generalbundesanwaltschaft erfolgte [ 3 ]. Wohl auch, um alle Unterlagen in Ruhe sichten zu können.
Das geschah sicher nicht zufällig: Die MAUS gehört seit ihrer Gründung 1984 zu den entschiedenen KritikerInnen von Atomtechnologie und deren Verwertung im militärisch-wirtschaftlichen Sektor. Dies hat sich niedergeschlagen in diversen Veröffentlichungen und Durchführungen von Seminaren zu diesem Thema, in der Beteiligung an unzähligen Veransstaltungen, Kundgebungen, Demonsstrationen, in GutachterInnentätigkeit und wissenschaftlicher Beratung. Nicht zuletzt hat die Meßstelle auch die Kampagne gegen Atomtransporte durch Bremen und Bremerhaven ('97,'98) wissenschaftlich begleitet und politisch unterstützt. Diese Kampagne bekam durch den "CASTOR-Skandal" im Früjahr 1998 eine zusätzliche Bestätigung. Der MAUS sind sämtliche öffentliche Mittel gestrichen worden, sie mußte daraufhin alle Beschäftigten entlassen und kann auch nicht mehr die Bearbeitung spezieller Aufgaben durch Werkverträge absichern. Sie versucht zur Zeit ihr Überleben notdürftig durch Spenden und verstärktem ehrenamtlichen Einsatz zu gewährleisten.

Sie konnte inzwischen Kopien von einigen Geschäftsunterlagen machen, hat ihre PC-Anlage zurückerhalten und konnte bei der Bremer Staatsanwaltschaft Akteneinsicht nehmen. Eine irgendwie juristisch anfechtbare Aussage (zB: Ergebnisse der Ermittlungen oder eine Anklage) von Seiten der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts hat die MAUS auch nach fast einem Jahr nicht erhalten.


Das Projekt "Opferperspektive" aus Brandenburg (kümmert sich um Opfer rechter Gewalt) mußte anfänglich seine Arbeit einstellen, da die weitere Förderung durch das Land Brandenburg gestoppt wurde. Schon vor den Durchsuchungen am 6.7. wurde den MitarbeiterInnen im Mai `99 aus dem Justizministerium eröffnet, daß die Namen von zwei ProjektmitarbeiterInnen in Ermittlungsakten der BAW genannt wurden, und zwar im Zusammenhang mit Anschlägen im Bereich "Anti-Olympia" und "Hakenkrallen gegen CASTOR-Transporte".
Es gab eine schriftliche Aussage aus dem Brandenburger Justizministerium, daß eine weitere Finanzierung möglich sei, wenn "ein Mitarbeiter" aufhört.
Inzwischen arbeitet das Projekt sehr eingeschränkt allein auf Spendenbasis weiter.


Die KTG (Kreuzberger Taxigenossenschaft), der bei der Durchsuchung Werkzeuge beschlagnahmt wurden, ist inzwischen wieder arbeitsfähig und repariert auch ihre Autos wieder - mit Ersatzwerkzeugen.


Bei den Durchsuchungen wurden beschlagnahmt (wobei bei den verschiedenen Durchsuchungen sehr unterschiedlich vorgegangen wurde): PCs und Datenträger (Disketten, CDs), Videofilme, Fotos, Kalender, Adress-, Notiz- und Tagebücher, Material, an dem gerade gearbeitet wurde (unter anderem Artikel und weitere Texte, unabhängig vom konkreten Tatvorwurf), Krankenunterlagen und Therapieunterlagen über die eigene Behandlung, PatientInnenunterlagen, Strategiediskussionen zu Uran-, CASTOR-Transporten und AKW-Widerstand, Unterlagen zu Bankkonten, Quittungen, Verträge usw., Schraubstöcke, Rohrzangen, Bolzenschneider, Schraubschlüssel, Eisenbahnschienen, Funkscanner, Signalwesten, Landkarten, Schreibmaschinen, Typenrad, Handschriften- und Schreibmaschinenproben, Haarbürsten und Hanfpflanzen. Außerdem wurden Zigarrettenkippen beschlagnahmt, da laut eines Durchsuchungsbeschlusses eine Zigarette (Marke Juwel) auf einer Betonschwelle im Gleisbett ausgedrückt worden sei. Sie soll 13,20 m von der Stelle gelegen haben, an der eine Hakenkralle bei Potsdam eingehängt worden sein soll.

Erfahrungsgemäß kann es als Folge der Auswertung von beschlagnahmten Material zu weiteren Durchsuchungen kommen. Darauf sollten wir immer vorbereitet sein! Das ist inzwischen auch geschehen. Dazu später.

Die Pressesprecherin der BAW Eva Schübel begründete die Tatsache, daß trotz der schweren Vorwürfe keine Verhaftung durchgeführt wurde mit: "Die Personen sind alles Deutsche, es besteht keine Fluchtgefahr" (TAZ 7.7.99).



Observationen und Zeugenverhöre

Aus Begründungen der Bundesanwaltschaft zu den Ermittlungen und aus Vernehmungen von Zeugen ergibt sich, daß über längere Zeiträume Telefongespräche abgehört, Wohnungen und Treffen observiert wurden. Das ganze Ausmaß ist zur Zeit noch weitgehend unbekannt.

Das BKA hat inzwischen vier Zeugen vorgeladen und drei sind inzwischen auch von der Bundesanwaltschaft verhört worden:
Es sei hier noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Vorladungen zur Polizei oder zum BKA nicht befolgt werden müssen und auch nicht sollten und Vorladungen zur Staatsanwaltschaft nie ohne anwältliche Begleitung nachgekommen werden sollten!


Bekannt wurde auch - und das scheint uns in diesem Ausmaß neu zu sein -, daß das BKA unmittelbar mit Sozialamt, Arbeitsamt, Finanzamt, Verkehrsamt, Katasteramt und Banken zusammenarbeitet. Die Ermittlungsbefugnisse bei § 129a-Verfahren [ 4 ] entsprechen denen bei Verfahren gegen "organisieter Kriminalität" (z.B.: Geldwäsche, Mafia). D.h. es gibt keinen Datenschutz, kein Bankgeheimnis - auch nicht für Verwandte, FreundInnen, MitbewohnerInnen u.s.w. Der § 129a öffnet der polizeilichen Willkür Tür und Tor!
So wurden z.B. die Vermögenslage, Konten (über mehrjährige zurückliegende Zeiträume), Immobilienbesitz oder Urlaubszeiten überprüft. Es wird vermutet, daß bei Aufenthalt in anderen Ländern das BKA mit den jeweiligen Polizeidiensten zusammengearbeitet hat.
Das führte in einem Fall dazu, daß die Arbeitslosenhilfe gestrichen wurde und finanzielle Rückforderungen gestellt werden.



Juristische Verteidigung

Die AnwältInnen (etwa 20 an der Zahl, denn jede(r) "Beschuldigte" oder "Betroffene" kann sich ja nur unabhängig von den anderen vertreten lassen) haben sofort Widerspruch gegen die Durchsuchungen und gegen die Beschlagnahmungen eingelegt, Akteneinsicht gefordert, spezielle beschlagnahmte Gegenstände oder Papiere (oder deren Kopien) zurückgefordert.

Akteneinsicht wurde bisher abgelehnt, um "die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden". Ablehnungen der Rückgabe von Beschlagnahmungen oder auch die Anfertigung von bestimmten Kopien wurden u.a. vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes (BGH) in unterschiedlichen Schriftsätzen inhaltlich begründet mit:
» Der Beschuldigte steht im Verdacht, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung zu beteiligen, die bestrebt ist, die "Castor"-Transporte der Deutschen Bahn durch militante Aktionen (Hakenkrallenanschläge, Schienensägereien und andere Aktionsformen des militanten Widerstandes) zu unterbinden und dadurch auch die Gesellschaft als solche revolutionär zu erschüttern. Die Mitglieder der Vereinigung stehen untereinander in regem Kontakt, arbeiten dabei aber äußerst konspirativ. ...

Sie (gemeint sind: die schriftlichen Unterlagen) können Aufschluß geben über die Art und Weise der Begehung der Straftaten sowie deren Vorbereitung, über die Kommunikationswege der Gruppenmitglieder untereinander, die Konzeption der terroristischen Vereinigung und die Einbindung des Beschuldigten in die Führungsstrukturen der "Autonomen Gruppen" ....

Ihr militanter Widerstand wendet sich nicht allein gegen die CASTOR-Transporte, sondern steht in einem viel größeren Zusammenhang, nämlich dem Kampf gegen den Staat. ...

Der Beschuldigte ... steht nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen im Verdacht, sich insbesondere am Versand der Selbstbezichtigungsschreiben zu der Anschlagsserie vom 7. Okt. 1996 beteiligt zu haben. Der Verdacht wird bestärkt durch den während der Durchsuchung am 6. Juli 1999 im Zimmer des Beschuldigten ... in einem Stahlschrank aufgefundenen vollständigen Block von zehn Postwertzeichen zu je 1,00 DM mit dem Motiv "Luise Henriette von Oranien". Briefmarken der gleichen Art fanden sich auf dem bei den Presseagenturen "ADN" und "AP" in Magdeburg eingegangenen Selbstbezichtigungsschreiben, dem "Kommunique autonomer Gruppen". Nach Auskunft der Post AG wurden Briefmarken mit diesem Motiv nur bis Oktober 1997 verkauft. «

In einem Beschlagnahmebeschluß gegen den Einspruch eines Anwalts wird die Herausgabe einer Haarbürste von einem Richter am BGH wie folgt abgelehnt:
» Ob es im Hinblick auf die Beweissicherung sachgerecht erscheint, das Asservat Nr. 1.4.9.3.1 (=Haarbürste) nach evtl. Entfernung der Haare herauszugeben, bedarf noch der näheren Prüfung. Im Interesse einer möglichst weitgehenden Sachaufklärung kann dem Beschuldigten zugemutet werden, eine Haarbürste bei seinen Mitbewohnern vorübergehend zu entleihen, bzw. eine neue Bürste zu erwerben, damit sein individuelles, schutzwürdiges Interesse an einer geordneten Haartracht befriedet werden kann. «


Die Herkunft des Namens "Goldene Hakenkralle", unter dem die BKA-Aktion lief, ergibt sich nach Aktenlage aus einem abgehörten Telefongespräch (§ 100a-Maßnahme). Anläßlich des Geburtstages eines "Beschuldigten" sollen sich zwei weitere "Beschuldigte" über ein mögliches Geschenk unterhalten haben. Der Vorschlag soll eine vergoldete Hakenkralle gewesen sein. Und die Bemerkung eines "Beschuldigten", noch einen ganzen Kasten davon bei sich zu haben, sei Anlaß für die bundesweiten Hausdurchsuchungen gewesen.
Im Übrigen wurde versucht, die zu dieser Geburtstagsparty eintreffenden Gäste zu filmen, was unseren Wissens nach zumindest teilweise unterbunden werden konnte.



Aktueller Stand und weitere Beschuldigungen

==> Am 6. 6. 2000 haben wir erfahren, daß das Verfahren wegen "Subventionsbetrug" gegen die MAUS eingestellt worden ist - und das ohne weitere Begründung. Vielleicht wird die beantragte Akteneinsicht näheren Aufschluß über Absicht und Ablauf des Verfahrens liefern.



Wie erklären wir uns diesen immensen Aufwand des Staatsschutzes?




Beispiele aus der letzten Zeit sind die Ermittlungen und Verfahren gegen die Zeitschrift "Radikal", gegen die Gruppe "Autonome Antifa (M) in Göttingen, die Zeitschrift "Interim", die antifaschistische Aktion Passau, jetzt - aber auch schon vorher z.B. im Wendland - gegen AKW-GegnerInnen und gegen angeblich frühere Mitglieder der RZ (REVOLUTIONÄRE ZELLEN).




Aber, auch wenn vielleicht manches in dem Verfahren konstruiert und lächerlich erscheinen mag, sollten wir diesen Angriff nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Wir haben schon ein sehr ernsthaftes Anliegen und das richtet sich gegen die bestehenden Herrschaftsverhältnisse, und genau das wissen auch die, die uns jetzt angreifen.
Denn es geht uns nicht nur darum, die Atomtechnologie zu stoppen - und zu glauben, danach ist alles in Ordnung - sondern es geht uns um eine Gesellschaft, in der u.a. diese menschenverachtende Technologie keinen Platz hat.
Die Atomtechnologie ist nicht ein Fehler, sondern konsequenter Ausdruck dieser herrschenden Verhältnisse. Verhältnisse, in denen die Profitinteressen der Konzerne über die Lebensinteressen der Menschen gestellt werden, in denen Menschen zunehmend nach ihrer Verwertbarkeit klassifiziert und selektiert werden.


Solidaritätsgruppe Goldene Hakenkralle, Juni 2000.









[ 1 ] Aus einer Vorladung zur Entnahme einer Speichelprobe - oder im Falle der Weigerung, zur Entnahme einer Blutprobe: » Am 8.9.1998 ist in der BRD das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz in Kraft getreten. Durch §1 dieses Gesetzes ist die Strafprozeßordnung um einen Paragraphen § 81g StPO ergänzt worden: Die Vorschrift erlaubt Abnahme und Speicherung eines sog."genetischen Fingerabdrucks" bei Personen, die einer Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere eines Verbrechens, eines Verbrechens gegen die sexuelle Selbstbestimmung, einer gefährlichen Körperverletzung, eines Diebstahls im besonderen schweren Fall oder der Erpressung verdächtig sind. Voraussetzung dafür ist, daß wegen der Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, daß gegen ihn künftig erneut Straftaten wegen einer der vorgenannten Straftaten zu führen sind.

Diese Regelung findet gem. § 2 des DNA-Identifizierungsgesetzes auch Anwendung auf bereits verurteilte Personen, solange der Eintrag ihrer Verurteilungen im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist. «

Nach einer Meldung der Hamburger Morgenpost vom 6. Mai 2000 sind alleine in Hamburg davon 22 000 Menschen betroffen.]

[ 2 ] Unsere bisherigen - sicher sehr unvollständigen - Recherchen haben ergeben: Zwischen Sept. 1994 bis Juni 2000 haben wir 118 Anschläge gezählt: davon 19 im Jahr 1994 an 11 verschiedenen Orten, 31 im Jahr 1995 an 21 verschiedenen Orten, 39 im Jahr 1996 an 27 verschiedenen Orten, 27 im Jahr 1997 an 18 verschiedenen Orten, 3 im Juni 2000 an 3 verschiedenen Orten als Protest gegen die Weltausstellung in Hannover.

[ 3 ] Die Generalbundesanwaltschaft darf in diesem Fall nur wegen § 129a ermitteln. Das hätte aber die Beschlagnahme der Geschäftsunterlagen der MAUS nicht gerechtfertigt. Deshalb das Hinzuziehen der Bremer Staatsanwaltschaft erst im Verlauf der Durchsuchung mit der Konstruktion eines neuen Vorwurfs. Die Bremer Staatsanwaltschaft gab sich darüber selbst erstaunt, scheint gar nicht zu wissen, wie mit der Situation umzugehen ist und wartet jetzt wohl auf neue Anweisungen von der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe.

[ 4 ] Zum § 129a und zu Erfahrungen damit s.: "Aufruhr, Widerstand gegen Repression und § 129a", ID-Archiv, Amsterdam, 1991.