Stellungnahme der Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz e.V. zu den Durchsuchungen ihrer Geschäftsräume, aus Anlaß der Verfolgung von KritikerInnen des G8-Gipfels.

 

Im Rahmen der bundesweiten Hausdurchsuchungen im Auftrag des Generalbundesanwalts durch Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA), der Landeskriminalämter (LKA) und der verschiedenen Landespolizeien wurden an etwa 40 Objekten in Hamburg, Berlin, Bremen, Schleswig - Holstein, Niedersachsen und Brandenburg am 9. Mai auch die Räume der Bremer Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz (MAUS) sowie einige im selben Haus befindliche Wohnräume verschiedener BewohnerInnen durchsucht. 900 Beamte waren bei der gesamten Aktion im Einsatz; koordiniert wurde sie durch 20 StaatsanwältInnen der Bundesanwaltschaft.
Die Durchsuchung der MAUS dauerte von 8.00 bis 21.45 Uhr.
Gegenüber einem Vertreter aus dem Vorstand der MAUS und einer hinzugezogenen Anwältin weigerte sich der die Durchsuchung leitende Staatsanwalt mehrfach ausdrücklich, einen Durchsuchungsbeschluss vorzulegen.

Beschlagnahmt wurden alle Computer der MAUS, fast sämtliche Disketten und CDs und viele, auch gerade handschriftliche Unterlagen zu laufenden Arbeiten. Ebenfalls beschlagnahmt wurden alle Adressenverzeichnisse aus dem Büro und dem Archiv, weiter TeilnehmerInnenlisten und Arbeitsmaterialien eines Seminars an der Universität Bremen.

Die inzwischen zurückerhaltenen Computer waren geöffnet, die Festplatten kopiert und die Arbeitsspeicher ausgelesen worden.

Durch diese Maßnahmen ist die Arbeit der MAUS sehr stark behindert.


Erklärtes Ziel der Durchsuchungen war, die Sicherstellung von Dateien oder Unterlagen zur Organisation der Kampagne gegen den G8-Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm sowie von Kommunikationsplänen und -nachweisen, von Personen- und Adressenverzeichnissen, die Auskunft über weitere Kontaktpersonen geben sollen, von Tatmitteln wie Zündvorrichtungen, Zeitschaltuhren und Werkzeugen (nach dem Durchsuchungsbeschluss gegen einen Mitarbeiter der MAUS für seine Wohnung).

Offiziell und öffentlich wurde die Suche nach anschlagsrelevantem Material vorgeführt. Mitgenommen wurden jedoch vor allem Adressenlisten, Computer, Mobiltelefone, Faxgeräte, schriftliche Arbeitsmaterialien, um Einblick in die Gesinnung, Arbeitsweise und Strukturen zu erhalten.
Die an anderer Stelle angeblich gefundenen Brandsätze und gefälschten Papiere entpuppten sich als Sylvesterböller, Wecker und abgelaufene Schülerausweise. Entlarvend für das BKA, wenn es der Öffentlichkeit - trotz des immensen Aufwandes - nichts "besseres" zu präsentieren hat.


Mit dem Gesinnungs- und Schnüffelparagraphen 129a (Bildung oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung) - mit dem die Durchsuchungen juristisch „legitimiert“ wurden - ist es der Justiz heute wieder möglich, Oppositionelle - wie z.B. Menschen, die sich gegen den bevorstehenden G8-Gipfel in Heiligendamm engagieren - auszuforschen, sie zu kriminalisieren und die laufende Arbeit zu behindern.

Der §129a ist bisher nur in 2% der Fälle zur Aufklärung von "Straftaten" dienlich gewesen. Alle restlichen Verfahren wurden sang- und klanglos eingestellt. Was bleibt, ist jedoch z.B. die Stigmatisierung bestimmter politischer Zusammenhänge und einiger von dem Verfahren unmittelbar betroffener und durch die Presse herausgehobe­ner Personen.
Vor diesem Hintergrund sehen wir im §129a ein Instrument staatlicher Willkür, das prinzipiell alle politisch kritischen Menschen unter Generalverdacht stellen kann. Wir alle sind potentiell Verdächtige.

Die zudem augenscheinlich eher willkürlich ausgewählten Betroffenen sowie die fadenscheinige Be­gründungslage - keine konkreten und begründeten Verdachtsmomente - in den Durchsuchungsbeschlüssen zeigen, in welcher Not sich die Bundesregierung befindet, den bevorstehenden G8-Gipfel reibungslos ablaufen zu lassen.
Um dieses Ziel zu erreichen, scheint jedes Mittel recht. Vor nicht allzu langer Zeit wurden Menschen in Gefängnisse oder Lager gesperrt, wenn sie systemkritische Flugblätter verteilten oder Kontakt zu bestimmten Personen hatten. Heute reicht dieser "Tatbestand" scheinbar immerhin schon wieder aus, um Hausdurchsuchungen damit zu begründen. Überrascht sind wir nicht!


Innenminister Schäuble forderte, unter „Anfangsverdacht“ stehende Menschen schon vor den Protesten in so genannten „Unterbindungsgewahrsam“ zu nehmen.
Die Hausdurchsuchungen wurden von Andreas Christeleit, dem Sprecher der Bundesanwaltschaft am 9. Mai, gegenüber dem ZDF-Heute-Journal wie folgt kommentiert: “Die heutigen Durchsuchungen sollten Aufschluss erbringen über die Strukturen und die personelle Zusammensetzung von diesen Gruppierungen und dienten nicht in erster Linie zur Verhinderung von konkreten Anschlägen, dafür gab`s keine Anhaltspunkte.“
Laut Hamburger Innensenator Nagel sollen die Durchsuchungen zeigen, dass "die Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Extremisten nicht wehrlos sind", und er kündigte ihnen gegenüber „Null Toleranz“ an.
Polizeipräsident Jantosch hat dies mit den Worten auf den Punkt gebracht: "Heute haben wir richtig durchgeatmet. Für den in Hamburg stattfindenden ASEM-Gipfel und die nachfolgenden Veranstaltun­gen ist die Polizei gerüstet."
"Wir haben in den Busch geschossen, nun sehen wir, was und wer sich dort bewegt" hat ein Fahnder des BKA auf Spiegel-Online erklärt.

Doch dieser Schuss ist eindeutig nach hinten losgegangen. Er hat zur massiven Mobilisierung für den Widerstand gegen den G8-Gipfel - auch weltweit - geführt und die unterschiedlichen politischen Spektren stärker zusammengeführt. Vielen Menschen wurden die Augen über diese herrschenden Verhältnisse geöffnet. Denn angeklagt sind wenige, gemeint sind wir alle.
Die Massivität, mit der die Herrschenden ihr Bollwerk errichten, Bewegungsfreiheit einschränken, Grundrechte außer Kraft setzen, staatskritische Personen und Bewegungen ausspionieren und kriminalisieren, zeigt das wahre Gesicht der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung", die viele irrtümlich immer noch mit „Freiheit“ und „Demokratie“ verbinden.

Wir erklären allen, die von den Durchsuchungen und Verfolgungen nach §129a betroffen sind, unsere volle Solidarität!

Wir fordern die Einstellung aller Verfahren und die Rückgabe aller beschlagnahmten Materialien!

Auf zur internationalen Demonstration gegen den ASEM- Gipfel

am 28.5. in Hamburg!              und dann: G8-Gipfel stilllegen!

Bremen, den 17.05.2007

für Nachfragen:

Tel.: 0421 - 34 29 74, mausev@maus-bremen.de , www.MAUS-Bremen.de



Anm.: Erst im März 2008 hat die MAUS die beschlagnahmten Gegenstände und Unterlagen zurückerhalten. Durch diese Maßnahmen wurde die Arbeit der MAUS stark behindert.