Presseerklärung:

Hamburg, den 1. Oktober 2008

Das mit den bundesweiten Durchsuchungen am 9. Mai 2007 bekannt gewordene §129a-Verfahren (Bildung einer terroristischen Vereinigung) ist am 24. September 2008 eingestellt worden.

Es wurden 18 Personen beschuldigt einer "militanten Kampagne gegen den G8-Gipfel" anzugehören.

Der BGH hatte bereits mit Beschluss vom 20.12.07 entschieden, dass Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß §129a STGB schon aus rechtlichen Gründen ausscheide, aber auch keine hinreichende Verdachtslage hinsichtlich der Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß §129 STGB gegeben sei. Daraufhin gab die BAW das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Hamburg ab. Diese zögerte die Einstellung nahezu 9 Monate hinaus. Erst mit Bescheid vom 24.9.08 wurde das Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung bei allen Betroffenen ohne jede Begründung eingestellt.

Das Rad der Geschichte lässt sich nicht so einfach zurückdrehen – und das ist auch gar nicht beabsichtigt. Bundesanwaltschaft, Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Landeskriminalamt haben zumindest teilweise das erreicht, was sie vorhatten. Sie haben Daten gesammelt, Strukturen durchleuchtet, bundesweit ein Manöver durchgeführt, um ihre Apparate zu koordinieren und die Funktionsfähigkeit auszuprobieren, und sie haben die politische Konsensfähigkeit ihrer Strategien ausgetestet. Und sie haben versucht, eine Stimmung der totalen Kontrolle und Überwachung zu verbreiten.

Die Auswirkungen auf uns - die Verfolgten - und auf die gesamte Gesellschaft sind nicht zu ignorieren und sind durch den BGH-Beschluss und den der Staatsanwaltschaft Hamburg nicht rückgängig zu machen.

Der größte Teil der Ermittlungen ist vom Verfassungsschutz durchgeführt worden und Ergebnisse und Handlungsvorschläge wurden dem BKA zur Verfügung gestellt. Das ist aus den Akten ersichtlich. Hier wird eine sehr enge Zusammenarbeit von Geheimdienst und Polizei sichtbar. Nicht zufällig wurde nach dem zweiten Weltkrieg – als Reaktion auf den deutschen Faschismus und den unsäglichen Erfahrungen mit dem allmächtigen "Reichssicherheitshauptamt" - die Arbeit von Geheimdienst und Polizei per Festlegung der Allliierten 1949 getrennt. Das scheint heute aber keine Rolle mehr zu spielen. (siehe http://www.cilip.de/terror/vdj.htm)

Weiter wurden auch Ermittlungen des Staatssicherheitsdienstes der früheren DDR (STASI) herangezogen. Aus den Ermittlungs-Akten wird auch ersichtlich, dass das BKA unmittelbar mit Sozialamt, Arbeitsamt, Finanzamt, Verkehrsamt, Ordnungsamt, Versicherungen, Ausländerbehörde und Banken usw. zusammenarbeitete.

Kein anderer Paragraf eröffnet dem Staatsschutz so viele Möglichkeiten an Überwachung und Ausforschung wie der § 129a oder b. Im Rahmen der aktuellen Verfahren hat er über einen langen Zeitraum seine ganzen technischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Flächendeckende Observationen, Telefonüberwachung, e-Mail Überwachung, Postüberwachung, Filmaufnahmen, Peilsender, Rasterfahndung, Einsatz verdeckter Ermittler, Verwertung geheimdienstlich erlangter Informationen (nach dem G10-Gesetz), Aufhebung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, akustische Raumüberwachung, großer Lauschangriff usw.
Diese Überwachungsmaßnahmen haben weit mehr Leute getroffen als die unmittelbar Beschuldigten.

Aber uns scheint, dass zumindest ihr Konzept der Einschüchterung, Verunsicherung und Spaltung des Widerstandes nicht aufgegangen ist.
Große Teile der Öffentlichkeit reagierten mit Unverständnis und Protest. Wir haben viel Unterstützung erfahren. Ein Ausdruck davon sind die vielen Solidaritätserklärungen, Veranstaltungen und Demonstrationen, wie die Demonstration am 15. 12. 07 in Hamburg unter dem Motto: »gegen den kapitalistischen Normalzustand, gegen Überwachungsstaat und Repression«. Die Mobilisierung gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm bekam einen neuen Schub.
Der Stein, den sie gegen uns erhoben haben ist auf ihre eigenen Füße gefallen. Sorgen wir dafür, dass das so weitergeht.

Einer der Beschuldigten – unser Freund und Genosse Joachim Täubler – ist für uns alle vollkommen unerwartet gestorben. Er war der staatlichen Überwachung, wie Verwanzung der Wohnung, Videoüberwachung des Hauseinganges, besonders stark ausgesetzt. Wir fühlen uns mit seinen politischen Ideen und Aktivitäten weiterhin stark verbunden.

Solidarische Grüße an Axel, Florian und Oliver. Sie stehen zur Zeit mit der Anklage §129 STGB (kriminelle Vereinigung) – Mitgliedschaft in der mg (militante gruppe) – und versuchter Brandstiftung gegen Militärfahrzeuge in Berlin vor Gericht. Wegen Widerstand, der das Ziel hat, die Gewalt des Krieges, die Kriegswirtschaft, sowie das Militär anzugreifen, um eine Situation der Besatzung, der Ermordung von Zivilist_innen und die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen zu unterbinden.

einige Betroffene des nun eingestellten §129(a)-Verfahrens

 

 

Bei weiteren Fragen: Ra. Andreas Beuth, Ra.'in Britta Eder 040 320 33 756, Ra. Dirk Audörsch 040 317 01 800, Ra. Hendrik Schulze 040 399 05 407, Ra. Marc Meyer 040 399 05 407