Seeblättle <<  >>  Quelle:  Seeblättle  Jg. 2000  Nr.6


Haushaltsplan 2001-2002

Soziale Sicherung

Vergleicht man im Faltblatt "Daten-Fakten-Zahlen" der Stadt Konstanz die wichtigsten Investitionen von 2000 miteinander, so ist unschwer zu erkennen, daß für soziale Zwecke (7,3 Mio.) deutlich weniger abfällt als für Straßenbau und -beleuchtung (12,7 Mio.). Das Schlußlicht ist die Wohnungsbauförderung mit 1,8 Mio. DM. Die Investitionsschwerpunkte für 2001-2003 sind dann zum Beispiel: Kindergärten/Spielplätze mit 2,4 Mio.; Altenheime 5,1 Mio.; Wohnungsbau 2,4 Mio. und als Glanzlicht: Straßenbau mit 43,5 (!) Mio. DM.

In dieser Stadt gibt es 43 Kindertageseinrichtungen, davon sind lediglich neun städtisch, und die stellen nur 534 (20,48%) der insgesamt 2607 Plätze. Außerdem herrscht eine große Nachfrage nach Krippenplätzen für unter 3-Jährige. Der Bedarf steigt, weil in immer mehr Fällen beide Elternteile arbeiten müssen, da das Einkommen des Vaters für den Lebensunterhalt, wegen zu niedrigen Lohnes, nicht ausreicht.

Da die Stadt Konstanz einen Großteil ihrer sozialen Verpflichtungen an kirchliche und freie Wohlfahrtsverbände, sowie an Bürgerinitiatven übertragen hat, ist es nur rechtens und notwendig, daß sie deren Anträge auf finanzielle Unterstützung befürwortet und die nötigen Geldmittel zur Verfügung stellt.

Damit eine größere Beitragsgerechtigkeit für die verschiedenen Elterngruppen entstehen kann, ist die Einführung von einkommensabhängigen Elternbeiträgen dringend notwendig, wie sie in vielen bundesdeutschen Städten schon seit Jahrzehnten üblich ist. Am Beispiel der Stadt Ulm ist zu ersehen, daß gestaffelte Elternbeiträge den Geringverdienern eine deutliche finanzielle Entlastung bringen. Niedrigster Beitrag (bei einem Kind ) ist pro Monat 80 Mark; der höchste Beitrag beträgt 155 Mark (wobei die Bedingungen nicht näher erläutert sind). In Konstanz kostet ein städtischer Platz in der Ganztagsgruppe 370 Mark; in der verlängerten Vormittagsgruppe mit Essen 235 Mark; in der verlängerten Vormittagsgruppe ohne Essen zwischen 110 und 140 Mark, und in der Regelgruppe vormittags ohne Essen 110 Mark. Obwohl die Ulmer die Beiträge nach Kinderzahl (unter 18) und Einkommen gestaffelt haben, beträgt der Kostendeckungsgrad der Betriebsausgaben für die Tagesstätten, ebenso wie in Konstanz, 16 %. Es gibt also keinen Grund, sich gegen einen einkommensabhängigen Beitrag zu stellen, denn er wird zu einer gerechteren finanziellen Belastung der betroffenen Haushalte führen: Ein Arbeiter-Verkäuferinnen-Ehepaar hat halt nur den Bruchteil vom Einkommen eines Lehrerpaares oder eines Facharzthaushaltes zur Verfügung.

Soziale Infrastruktur Berchen/Öhmdwiesen

In diesem Gebiet gibt es einen großen "Nachholbedarf" an sozialen Einrichtungen, um den Bedürfnissen der hier lebenden Kinder, Jugendlichen, Alten, AusländerInnen, Alleinerziehenden, AussiedlerInnen und Flüchtlingen gerecht zu werden. Im Berchengebiet wohnen 2499 Menschen, darunter 199 deutsche Kinder unter 15 Jahren und 165 Ausländerkinder. Nicht berücksichtigt sind die Familien von Spätaussiedlern, die oft große Sprachprobleme und andere Integrationsschwierigkeiten haben (Zahlen von 12/99). Viele der sozial schwachen Anwohner haben nur in der Berchensiedlung die Möglichkeit gehabt, in Konstanz bezahlbaren Wohnraum zu finden. Auch das macht das Gebiet zum sozialen Brennpunkt. In den Öhmdwiesen sind es heute wahrscheinlich sogar mehr als die damals gezählten 499 Kinder, die dort auf relativ kleinem Raum zusammenleben.

Es ist dringend notwendig, möglichst schnell Begegnungs-, Beratungs- und Freizeitorte für alle obengenannten Bevölkerungsgruppen zu schaffen. Es ist zwar löblich, daß der Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) dort in der leerstehenden "Deutschen Bank"- Filiale ein Frauenberatungszentrum einrichten will, aber das kann wirklich nur eine Übergangslösung sein, denn: Erstens ist bekanntlich die Hälfte der Menschheit männlich und zweitens haben viele Menschen mit der Kirche "nichts am Hut". Ein Begegnungs- und Beratungszentrum muß einen glaubensneutralen Träger haben und am besten städtisch sein. Da die Stadtplaner durch das enge Zusammenpferchen so vieler verschiedener Anwohner die Bildung eines "Berchen-Ghettos" in Kauf genommen haben, muß zügig ein neues und sinnvoll gestaltetes Jugendzentrum gebaut werden, mit Möglichkeiten zum Feiern und Übungsräumen für Bands (mit Schall-Isolierung und Eingangsbereich in Richtung Bahnlinie). Da eine konfliktorientierte Jugenarbeit tagsüber und abends gewährleistet sein muß, werden zwei halbe Fachkraftstellen nicht ausreichen. Die Bolzplätze Cherisy und Berchen müssen ebenfalls schnell realisiert werden, da der sehr schöne Platz neben dem "Südkurier"-Gelände wegfällt.

Angesichts der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich, wäre das leerstehende Flüchtlings-Haus, nach einem Umbau, ein guter Ort für Menschen, die hier auf dem Wohnungsmarkt keine Chance haben. Besonders wohnungsuchende Langzeitobdachlose aus Konstanz oder andere, die sonst in die Obdachlosigkeit abgleiten würden. Auch solche, die Probleme mit legalen und illegalen Drogen (wie die Hälfte der Bevölkerung insgeheim auch) haben, könnten hier zuhause sein. Sie brauchen kleine Wohneinheiten mit Kochgelegenheit und Sanitärraum. Eine Betreuung durch zwei "Hausmeister", wie es die "Betroffenen-Initiative" (BI) vorgeschlagen hat, wären nötig, um dort Hilfen bei Problemen der Lebensführung anbieten zu können. So könnte die Integration in das neue Umfeld erleichtert werden.

lir


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linksrheincm16.12.2000