Seeblättle  <<  >>  Quelle:  Seeblättle  Jg. 2000  Nr. 2 

Dokumentiert

Nein zu UN-Militäreinsätzen - Internationale Krisen und Konflikte friedlich lösen

Beschluss der 3. Tagung des 6. Parteitages der PDS (7.bis 9. April 2000, Münster)

Am Beginn des 21. Jahrhunderts sind Kriege, Militärinterventionen, qualitative Aufrüstung und militärische Blockbildung Kennzeichen der internationalen Politik. Entgegen weit verbreiteten Hoffnungen und Ansprüchen ist der Frieden in der Welt seit Beendigung der Ost-West-Blockkonfrontation nach 1990 nicht sicherer geworden. Die Militarisierung von Politik, zwischenstaatlichen Beziehungen und Gesellschaften ist vielmehr zu einer existentiellen Bedrohung geworden. Das Friedensgutachten 1999 der deutschen Friedens- und Konfliktforschung listet für das Jahr 1998 weltweit 33 Kriege sowie Dutzende Spannungs- und Krisenherde auf. (...)

Bestehende Chancen für Frieden und Abrüstung und für ein ziviles und kooperatives internationales Sicherheitssystem werden vor allem von den USA und ihren NATO-Verbündeten bewusst missachtet. Der globalisierte Kapitalismus maßt sich das Recht an militärisch zu intervenieren, wo und wann immer er es für erforderlich erachtet. Er blockiert notwendige internationale wirtschaftliche und soziale Wandlungen, insbesondere einen grundlegenden solidarischen und sozial-ökologischen Umbau der Weltwirtschaft. Die internationale Sicherheit wurde dadurch gravierend vermindert, dass Abrüstung ebenso verhindert wird wie die Entmilitarisierung und Demokratisierung der internationalen Staatenorganisationen.

Nach dem Ende des bipolaren Weltsystems und des "Gleichgewichts des Schreckens" ist der Krieg auch nach Europa zurückgekehrt. Die deutsche Außenpolitik hat in den 90er Jahren zur Eskalation der Krisen und bewaffneten Konflikte im früheren Jugoslawien beigetragen. Sie hat ein hohes Maß an politischer Mitverantwortung am Zerfallsprozess dieses Landes sowie an der Zuspitzung der Lage auf dem Balkan. (...)

Die UNO, die OSZE und die nichtmilitärischen kooperativen Formen internationaler Sicherheit werden zugunsten eines politischen und militärischen Machtmonopols des Westens an den Rand der internationalen Politik gedrängt. Globale Kapitalinteressen sollen durch globale Militär- und Interventionsmacht abgesichert werden. (...)

Die PDS engagiert sich ... auch weiterhin für die Auflösung der NATO und gegen die Militarisierung der Europäischen Union, für das Verbot von Rüstungsexporten und das Verbot aller Massenvernichtungswaffen, für allgemeine, vollständige Abrüstung und Rüstungskonversion ... Sie wendet sich gegen jegliche Auslandseinsätze der Bundeswehr, setzt sich für die deutliche Reduzierung der Streitkräfte in kürzester Zeit ein und will, dass die Wehrpflicht als Bestandteil eines einseitigen, langfristigen und vollständigen Abrüstungsprozesses abgeschafft wird.

Die PDS tritt entschieden für internationale kollektive Sicherheitsstrukturen und -systeme ein sowie für die Durchsetzung des militärischen Gewaltverbots in der internationalen Politik. Sowohl die UNO als auch die OSZE, die aufgrund ihrer Zusammensetzung und vereinbarten Arbeitsgrundsätze am besten für ein wirksames europäisches Sicherheitssystem geeignet ist, verfügen über zahlreiche Mechanismen und Instrumentarien für präventive Konfliktbearbeitung und zivile Konfliktbeilegung. (...)

Seit den 90er Jahren (beginnend mit dem vom Sicherheitsrat unter Berufung auf Kapitel VII der UN-Charta sanktionierten und damit UN-mandatierten Golfkrieg im Gefolge der Aggression Iraks gegen Kuwait) ist zudem mehr und mehr offensichtlich, dass die USA aufgrund der veränderten Weltlage sowohl die UNO als auch die OSZE (wie z.B. beim Abzug der OSZE-Beobachter aus dem Kosovo) je nach ihrer Interessenlage benutzen. Aus all dem erklärt sich vor allem auch die sprunghafte Zunahme UN-mandatierter Militärinterventionen zur "humanitären Krisen- und Konfliktbeilegung", die in den letzten 10 Jahren unter Berufung auf Kapitel VII der UN-Charta stattfanden. Haiti, aber auch Ost-Timor bilden da keine Ausnahme. Im Gegenteil. Die Analyse der Vorgeschichte, der Ursachen und des Verlaufs dieser beiden Konflikte bestätigen, dass auch hier - wie bei allen anderen nach Kapitel VII mandatierten UN-Militäreinsätzen - zivile Möglichkeiten der Konfliktbeilegung nicht nur ungenutzt blieben. Vielmehr haben die USA in Haiti durch direkte und indirekte Einmischung bzw. in Ost-Timor ebenso wie andere Mächte durch Parteinahme oder fortgesetzte Rüstungsexporte konfliktverschärfend agiert. In Ost-Timor wurde das mit Hilfe der UN durchgeführte Referendum höchst halbherzig vorbereitet und, wie inzwischen eingeräumt wird, Tod und Vertreibung in Kauf genommen. (...)

Bei der Entwicklung ihrer alternativen Politikkonzepte wird die PDS die UNO, als der einzig existierenden universellen politischen Staatenorganisation, auch bei aller berechtigten Kritik an ihr verteidigen. Sie sieht sie gerade angesichts der Globalisierungsprozesse in unserer heutigen Zeit als unverzichtbare internationale Organisation an, die gestützt auf ihre Spezialorganisationen eine wichtige Rolle zur Lösung der globalen Probleme dieser Welt spielen kann. (...)

In der gegenwärtigen Diskussion um Konfliktbeilegung und -prävention nimmt das Verhältnis von Völkerrecht und Menschenrechten einen zentralen Platz ein. Die PDS bekräftigt ihre Auffassung, wonach ohne Beachtung des Völkerrechts keine umfassende Durchsetzung von Menschenrechten möglich ist. Menschenrechte haben eine zivile, keine militärische Logik. Sie sind im Völkerrecht verankert. Ihre Grundlagen sind die internationalen, von den Staaten abgeschlossenen Verträge sowie die entsprechenden Artikel der UN-Charta, die Interventionen mit militärischen Mitteln zu deren Umsetzung nicht vorsehen. Darin liegt die eigentliche ethische völkerrechtliche Verankerung der Menschenrechte. Dies sind für die PDS die maßgeblichen Kriterien zur Einschätzung und Festlegung von Positionen im Hinblick auf Entscheidungen des UN-Sicherheitsrats. Dabei berücksichtigen wir auch, dass die Vereinten Nationen, die anderen Organisationen des UNO-Systems und die UN-Charta trotz Dominanz der USA und ihrer Bündnispartner über die Weltorganisation zugleich ein wichtiges Hindernis gegen die globalen Machtambitionen der NATO und zugleich der Rahmen für die Bewahrung demokratischer Alternativen sind.

Die PDS lehnt aus all diesen Gründen UN-mandatierte Militärinterventionen unter Berufung auf Kapitel VII der UN-Charta ab. (...)


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Linksrheincm27.09.2000