Seeblättle  <<  >>  Quelle:  Seeblättle  Jg. 2000  Nr. 1 

Im übrigen meine ich

Macchiavelli und die kleinen Brandstifter

Irgendwo bin ich im Zusammenhang mit der Kommentierung der CDU-Spendenaffäre dem Hinweis auf Macchiavelli begegnet. Das ist sicher in dem Sinne gerechtfertigt, als Macchiavelli vor ca. 500 Jahren Ansichten über die Geschichte politischer Ideen äusserte, die Anlass sein sollten, unter einem dadurch gegebenen Aspekt sich mit der aktuellen Geschichte zu beschäftigen.

Diese, von ihm als "ewig" angesehen und - wie er meint - durch die Analyse der bis damals bekannten Historie eindeutig erwiesenen Kennzeichnungen des Charakters der Menschen generell, aber insbesondere der politischen Akteure, haben an Aktualität bis heute nichts verloren. Ich erwähne aus seinem Hauptwerk "Il principe" (Der Fürst) nur zwei Zitate, die durch viele entsprechende ergänzt werden könnten.

Einmal: "Aber wenn ihr das Benehmen der Menschen berücksichtigt, so werdet ihr sehen, dass alle, die sich zu Macht und Reichtum erhoben, nur durch Gewalt und Betrug dazu gekommen sind". Ist das nicht eine treffende Schilderung dessen, was diesem System immanent, nun aber seit Wochen für jeden, der nicht blind ist, sichtbar wird? Der Betrug der Geldbeschaffung, mit dem der "homo oeconomicus (in unsere Zeit wäre das der dem Konsumterror ausgesetzte und erlegene Bürger) ein "triebgesteuerte??Tier", gelenkt wird. Aus seiner Sicht nicht verwunderlich, wenn er die Opfer dieser Manipulation als "unbeständige, heuchlerische, furchtsame und eigennützige" Wesen kennzeichnet.

Interessant auch, was er in diesem Zusammenhang über die Jugend schreibt: "Müssiggehend verwenden die Jungen heute alle ihre Zeit und all ihre Habe aufs Spiel und auf Ausschweifungen mit den Frauen" Dies könnte Anlass sein die Erwartung zu hinterfragen ob mit den Yuppies (siehe Koch) für die CDU irgend etwas gewonnen wird. Selbstverständlich sind diese Zitate nur ein ganz geringer Teil aus dem Fundus dieses ausserordentlichen Denkers. Zur Charakterisierung der Parallelen zu unserer Zeit noch ein Hinweis auf die Hauptfigur, eben den "Fürsten". Er ist zwar in seiner politischen Wirksamkeit zum Sinnbild des Skrupellosen, von bedingungsloser Macht und von Machterhalt über die Menschen, die "schlecht sind und ihren Neigungen folgen, was die Geschichte beweist", geworden, aber eben auch einer, der einem höheren Prinzip huldigt. Er ist zwar der Anwalt staatlicher Unterdrückung, die aber der Erhaltung der Ordnung gegen die Kräfte des Chaos die "in der Seele des Menschen wüten" dienen soll.

In diesem Sinne diese fiktive Figur unvoreingenommen zu betrachten, ist angesichts des Stempels, der ihm - grob vereinfachend mit dem Signum des skrupellosen Machtmenschen aufgedrückt wurde, politisch "nicht korrekt". Mich treibt die Versuchung, dieser naheliegenden Klassifizierung und damit Gleichsetzung mit "unseren" Politikern zu begegnen. Unter ihnen ist keiner, der eine gewisse Grösse besitzt, nicht einmal die des "Bösen".

Wir haben es mit mittelmässigen Figuren zu tun, von denen keiner das Format eines "Fürsten" besitzt. Jedem wird das Bild von einem in den Sinn kommen, der nur für das "Aussitzen" eine, allerdings dafür bestens ausgestattete, Prädestination besitzt. Daneben eine unendliche Vielzahl von Schwätzern, die unentwegt von der "Last" ihrer "Verantwortung" (es gibt nicht viele derart missbrauchte Begriffe - ich denke hier nur an die "Verantwortung" eines Managers, dessen ruhmloser Abgang mit 60 Millionen versüsst wird) schwadronieren, die von "rückhaltloser Aufklärung" reden und nach Strich und Faden lügen und tricksen, um nur ja nicht in den Sog dieser "Aufklärung" zu kommen. Ihr Verhalten wird allein vom Kampf um das anvisierte Mandat bestimmt.

Sicher ist mehr als fragwürdig, ob man die Meinung Macchiavellis überhaupt in Betracht ziehen kann, dass für die staatliche Selbsterhaltung jedes Mittel als da sind Betrug, Mord, Wortbruch, Lüge und Bestechung gerechtfertigt ist. Aber für Macchiavelli ist ein "Fürst" akzeptabel, der diese Instrumente benutzt um die "in Frage gestellte Ordnung" herzustellen und zu schützen. Um meine Vorstellung zu exemplifizieren, möchte ich ein paar Namen aus der modernen Geschichte nennen, denen ich dieses Macchiavellische Format zugestehen möchte: Robespierre, Napoleon, Disraeli, Roosevelt, Churchill, de Gaulle und Lenin.

Michael Venedey


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Linksrheincm27.09.2000