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Nazis Stoppen!

Am 18.8.07

In Friedrichshafen.

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Am 08.10.05 fand in Friedrichshafen ein Aufmarsch von Nazis des "Freien Widerstands Süd" statt. Der Verfassungschutz wusste angeblich nicht viel, die Polizei beschwichtigte, die Stadt genehmigte den Aufmarsch und versuchte die Anmeldung nicht bekannt werden zu lassen. Bürger organisierten eine Gegendemo und ein Fest weitab der Demo.


Eine breite Gegenmobilisierung rund um den Bodensee versammelte an dem Tag überraschend zahlreiche und entschlossene AntifaschistInnen, die sich den Nazis kämpferisch in den Weg stellten. 800 Polizisten knüppelten den Nazis den Weg durch die Friedrichshafener Innenstadt und setzten sogar Wasserwerfer ein.

Pressespiegel

Warum die Rechten marschieren dürfen

02.07.2006, 00:54, Südkurier
Friedrichshafen  |  

Demo am 15. Juli: Stadt hatte keine Handhabe für Verbot - Rechtsamt informiert über die häufigsten Fragen


Weshalb kann die Stadt rechtsradikale Kundgebungen wie jene am 15. Juli nicht verbieten? Warum hat die Stadt stattdessen den lange schon angesetzten Tag der Bürgergarde gestrichen? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt Roland Sabacinski, der Leiter des städtischen Rechtsamtes.
Friedrichshafen

VON HELMAR GRUPP

Bild: Boller
Am 15. Juli wollen die Rechtsradikalen wieder in Friedrichshafen aufmarschieren, bereits zum dritten Mal innerhalb weniger Monate. Die Stadt hatte keine Handhabe, die Kundgebung zu verbieten.

Friedrichshafen - Tatsache sei, so Sabacinski gestern: Einem Verbot einer rechtsextremen Demonstration stehen gewaltige Hürden entgegen. Dafür habe der Gesetzgeber bei der Abfassung des Grundgesetzes gesorgt. Dieses gewähre für jedermann, und zwar ohne inhaltliche oder politische Bewertung, die Versammlungs- und Meinungsfreiheit als ein hohes Gut. Das heißt: Auch wenn Radikale die Wertordnung der Verfassung ablehnen, können sie sich auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit berufen. "Grundrechte sind Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat", präzisiert Sabacinski. Die jedoch könnten nur als Abwehrrechte funktionieren, wenn der Staat wertneutral bleibe. Mit Blick auch auf den Nationalsozialismus wollten die Gründungsväter der Bundesrepublik staatlicher Willkür einen Riegel vorschieben.

Konkret bedeutet das: Eine Stadt hat kaum eine Chance, eine solche Kundgebung von vornherein zu verbieten. Es gebe zahlreiche Fälle, in denen das Bundesverfassungsgericht Verbote wieder aufgehoben habe, so wie jüngst in Gelsenkirchen. Obwohl die Polizei mit einem parallelen Aufmarsch von polnischen Fußball-Hooligans beim WM-Spiel rechnete und bereits umfangreiche Einsatzkräfte verplant waren, musste die angemeldete rechte Demo genehmigt werden.

Wann aber kann ein Verbot ausgesprochen werden? Der Schutz der Versammlungsfreiheit wird nur jenen gewährt, die sich friedlich und ohne Waffen versammeln, gewalttätige Versammlungen genießen keinen Grundrechtsschutz. Da jedoch die Rechtsradikalen des "Freien Widerstand Süd", die sich in Friedrichshafen angekündigt haben, konsequent ihre Gesinnungsgenossen zur Gewaltfreiheit aufrufen, hat die Stadt keine Handhabe. Möglich ist ein Verbot auch, wenn das Motto einer Kundgebung gegen das Grundgesetz verstößt, wie bei einem Fall in Norddeutschland, wo es hieß: "Kein Geld für jüdische Synagogen!" Gerade hier in der Region seien die Rechtsradikalen hingegen bis ins Detail informiert über ihren Rechtsspielraum, weiß Sabacinski. Für den 15. Juli lautet so auch das Motto: "Schluss mit Repressionen - Für Meinungs- und Demonstrationsfreiheit". Also: Nichts zu machen für die Stadt.

Nun könnte man einwenden, dass die Tatsache, dass sich linke Autonome zu Gegenaktionen am 15. Juli angekündigt haben, für genügend Gewaltpotenzial sorge. Doch auch hier ist ein Verbot nicht möglich: Auch wenn die "Störer" auf Gewalt setzen, kann die "friedliche" Demo nicht verboten werden. Im Gegenteil: Die Polizei ist verpflichtet, den Verlauf der Versammlung zu gewährleisten und die Rechtsradikalen vor den Linken zu schützen, informiert Sabacinski.

Weshalb jedoch wurde die Demo nicht verboten, nachdem der Tag der Bürgergarde bereits viel früher schon angemeldet war? Auch dies war der Stadt nicht möglich. Rein rechtlich gesehen, waren beide Veranstaltungen an unterschiedlichen Orten angemeldet, obwohl der Ausgangspunkt der rechten Demo am Stadtbahnhof nur wenige Steinwürfe von der Uferpromenade, an der die Bürgergarde defilieren wollte, entfernt liegt. Auch die Auflage an die Rechten, sich an einem anderen, eventuell weiter von der Innenstadt entfernten Ort zu versammeln, sei laut Sabacinski nicht durchzusetzen gewesen, da die Stadt kein akutes Gefahrenpotenzial hätte nachweisen können. Befürchtungen alleine würden nicht genügen. Grundsätzlich gelte: Bevor man ein Verbot aussprechen könne, müssten zuerst alle Formen von Auflagen erschöpft sein und sich als ungenügend erweisen.

Auflagen jedoch hat die Stadt bereits erteilt, in dem so genannten Kooperationsgespräch mit den Veranstaltern. Das, so Sabacinski, sei "keine Kumpanei", sondern schlicht erforderlich, will die Stadt auf rechtlich sicherer Seite bleiben. Die Stadt, so Corina Wolf, Abteilungsleiterin im Amt für öffentliche Ordnung, habe ein Vermummungs- sowie ein Uniform- und Waffenverbot ausgesprochen. Hinsichtlich des Umzugsweges, so Wolf, habe die Stadt keine Auflagen machen können. Der Umzugsweg wird im Übrigen vorab nicht bekannt gegeben - aus polizeitaktischen Gründen.

Bleibt noch eine wesentliche Frage: Weshalb müssen die Veranstalter nicht im Nachhinein für die Kosten des Polizeieinsatzes aufkommen? Ganz einfach: Das Versammlungsrecht wird kostenlos gewährt, denn als Grundrecht muss es jedem zur Verfügung stehen. Könnte jemand sein Versammlungsrecht nicht wahrnehmen, weil er sich die anfallenden Kosten nicht leisten könne, wäre es kein Grundrecht, das auch gleiches Recht für alle bedeuten muss, mehr.

Südkurier, 01.07.2006