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Was tun, wenn's brennt?
01.10.2005, 21:57, Rote Hilfe
Rechtshilfe |
Rechtshilfebroschüre der Roten Hilfe von http://www.rote-hilfe.de
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Was tun, wenn es brennt?
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Mit Festnahmen bei Demonstrationen und anderen Aktionen,
mit Beschlagnahme von Flugblättern, Zeitungen usw., mit Hausdurchsuchungen,
Strafbefehlen und Prozessen muss heute jede/r rechnen,
der/die aktiv politisch tätig ist, gegen Ausbeutung und Unterdrückung
kämpft, egal ob als AntifaschistIn, AKW-GegnerIn, AntimilitaristIn,
KommunistIn oder AnarchistIn.
Mit immer neuen Gesetzen wird selbst das Wenige, was der
kapitalistische Staat an Meinungsfreiheit, Organisationsfreiheit und
Demonstrationsrecht gewährt, ständig eingeschränkt.
Die staatliche Repression nimmt noch lange nicht deswegen
ab, weil die Linke immer schwächer wird – im Gegenteil, weil die
staatlichen Stellen mit wenig organisierter Gegenwehr rechnen
(müssen), können sie sich Kriminalisierungsversuche erlauben,
die in Zeiten starker Massenbewegungen nicht durchsetzbar wären.
Ihre Einschüchterungsversuche und Kriminalisierungsstrategien
verfangen grundsätzlich nur in dem Maße, wie es uns nicht gelingt,
unsere Vereinzelung aufzuheben und uns gemeinschaftlich zu
organisieren.
Eine gute Voraussetzung, um die erste Grundregel im "Ernstfall"
wirklich beherzigen zu können, ist Vertrauen. Nicht in die göttliche
Allmacht, des Schicksals Weg oder die Unzertrennlichkeit von Ying
und Yang, sondern Vertrauen auf Genossinnen und Genossen, die
sich um einen kümmern, wenn mensch in der Scheisse sitzt –
und die bei Polizei und Staatsanwaltschaft genauso die Schnauze
halten wie du!
Demo-Einmaleins
Klar, es gibt riesige Unterschiede zwischen einer Demo und
einer Demo. Oft sagen wir uns, dass bei der Demo sowieso nix
passiert und haben auch oft recht damit. Dennoch sollten einige
Grundregeln auch auf einer "Spaziergangs-"Demo beherzigt
werden, weil auch solche schon Objekt polizeilicher Aktionen
geworden sind.
Auf dem Weg zur Demo
Gehe nach Möglichkeit nie alleineauf eine Demo oder zu einer
anderen Aktion. Es ist nicht nur lustiger mit Menschen unterwegs zu
sein, die Du kennst und denen Du vertraust, sondern auch sicherer.
Profimäßig ist es, zusammen hinzugehen und zusammen den Ort des
Geschehens wieder zu verlassen. Sinnvoll ist es auch, in der Gruppe
vorher das Verhalten in bestimmten Situationen abzusprechen. Dabei
sollte Raum für Ängste und Unsicherheiten einzelner sein. Während
der Demo sollte die Gruppe möglichst zusammen bleiben.
Achte auf angemessene Kleidung inkl. Schuhe, in denen Du
bequem und ggf. schnell laufen kannst. Steck einen Stift und ein Stück
Papier ein um wichtige Details zu notieren (siehe unten: Das
Gedächtnisprotokoll). Nimm eine Telefonkarte und ein paar Groschen
mit, die Polizei ist zwar nach einer Festnahme verpflichtet, Dir
auch dann 2 Telefonate zu gewähren, wenn Du kein Geld dabei
hast, aber sicher ist sicher. Nimm Medikamente, die Du regelmäßig
einnehmen musst, in ausreichender Menge mit. Besser Brille als
Kontaktlinsen. Lass persönliche Aufzeichnungen, besonders Adressbücher
zu Hause. Überleg gut, was Du unbedingt brauchst. Alles
andere kann im Falle einer Festnahme der Polizei nützen. Drogen
jeglicher Art sollten weder vorher konsumiert, noch auf die Demo
mitgenommen werden; schliesslich musst Du einen klaren Kopf
bewahren und jederzeit in der Lage sein können, Entscheidungen zu
treffen. Einen Fotoapperat brauchst Du auch nicht, Deine Fotos helfen
im Falle einer Festnahme nur der Gegenseite!
Der Ermittlungsausschuss
Meist gibt es einen EA (Ermittlungsausschuss) dessen Telefonnummer
durchgesagt oder per Handzettel verbreitet wird. Der EA
kümmert sich vor allem um Festgenommene, besorgt für sie Anwält-
Innen. Wenn jemand festgenommen wurde, sollte sie/er sich beim
EA melden. Wenn Du ZeugIn einer Festnahme wirst, versuch den
Namen der/des Festgenommenen zu erfahren. Melde die Festnahme
dem EA, damit ihr/ihm geholfen werden kann. Menschen,
die nach einer Festnahme wieder freigelassen werden, sollten sich
sofort beim EA zurückmelden und ein Gedächtnisprotokoll anfertigen.
So ein Gedächtnisprotokoll kann sehr nützlich sein, wenn nach
einigen Monaten noch ein Verfahren eröffnet wird. (Auch die Polizei
hält alles in ihren Unterlagen fest!) Auch ZeugInnen von Übergriffen
sollten ein Gedächtnisprotokoll anfertigen. Beinhalten sollte ein Gedächtnisprotokoll
auf jeden Fall: Ort, Zeit und Art (Festnahme, Prügelorgie,
Wegtragen) des Übergriffs, Namen der/des Betroffenen, Zeug-
Innen sowie Anzahl, Diensteinheit und Aussehen der Schläger (Oberlippenbart
reicht nicht!). Dieses Gedächtnisprotokoll ist nur für den EA
bestimmt, so es einen gibt, andernfalls erstmal sicher aufbewahren.
Bei Übergriffen
Nicht in Panik geraten. Tief Luft holen, stehen bleiben und auch
andere dazu auffordern. Spätestens jetzt heisst es, schnell Ketten zu
bilden und wenn’s gar nicht anders geht, sich langsam und
geschlossen zurückzuziehen. Oftmals können Übergriffe der Freunde
und Helfer allein durch das geordnete Kettenbilden und Stehenbleiben
abgewehrt, das Spalten der Demo, Festnahmen und das
Liegenbleiben von Verletzten verhindert werden.
Bei Verletzungen
Kümmere Dich um Verletzte und hilf mit, deren Abtransport
gegenüber Greiftrupps abzusichern. Wende Dich an die Demo-
Sanis, soweit vorhanden, oder organisiere mit FreundInnen selbst
den Abtransport oder die Versorgung der Verletzten. Wenn Ihr ein
Krankenhaus aufsuchen müsst, dann möglichst eins, das nicht mit der
Veranstaltung in Verbindung gebracht wird. Wichtig ist, auch dort
keine Angabenzum Geschehen zu machen – oft schon haben Krankenhäuser
mit der Polizei zusammengearbeitet und Daten weitergegeben.
Deine Personalien musst Du, allein schon wegen der Krankenversicherung,
korrekt angeben – aber darüberhinaus nix oder
"Unfall im Haus" o.ä.
Bei Festnahmen
Mache auf Dich aufmerksam ( "Scheisse" brüllen kann jedeR
am lautesten!), rufe Deinen Namen, ggf. den Ort, aus dem Du
kommst, damit Deine Festnahme dem EA mitgeteilt werden kann.
Wenn Du merkst, dass kein Entkommen mehr möglich ist,
versuche möglichst bald die Ruhe wiederzugewinnen und vor allem:
ab diesem Moment sagst Du keinen Ton mehr!Nach der Freilassung
sofort beim EA melden.
Wieder zuhause angekommen, schreib Dir so genau wie nur
möglich die Umstände Deiner Festnahme auf und alles, an das Du
Dich sonst in diesem Zusammenhang erinnern kannst, insbesondere
mögliche ZeugInnen des Vorfalls. Nimm Kontakt auf zum EA, zu einer
eventuellen Prozeßgruppe, einer Bunten Hilfe oder zur Roten Hilfe.
Beim Abtransport
Auf der Fahrt zu Gefangenensammelplätzen oder Revieren
sprich ggf. mit den anderen Festgenommenen über Eure Rechte, aber
mit keinem Wort über das, was Ihr oder Du gemacht habt/hast.
Das wäre nun wirklich nicht das erste mal, dass da ein Spitzel unter
Euch ist, auch wenn Du ein gutes Gefühl zu allen hast. Achte auf
andere und zeige Dich verantwortlich, wenn sie mit der Situation
noch schlechter klar kommen als Du, das beruhigt auch Dich. Redet
darüber, dass es Sinn macht, ab sofort konsequent die Schnauze zu
halten. Tausche mit Deinen Mitgefangenen Namen und Adressen
aus, damit der/die zuerst Freigelassene den EA informieren kann.
Auf der Wache
Gegenüber der Polizei bist Du nur verpflichtet, Angaben zu
Deiner Person zu machen, das sind ausschliesslich:
Name, Vorname, ggf. Geburtsname
(Melde-)Adresse
allgem. Berufsbezeichnung (z.B. "Student", "Angestellte" o.ä.)
Geburtsdatum und Ort
Familienstand (z.B. "ledig"), Staatsangehörigkeit
(auch diese Angaben kannst Du natürlich verweigern, nur lieferst
Du ihnen damit einen billigen Vorwand, Dich zu fotografieren,
Dir Fingerabdrücke abzunehmen und Dich bis zu 12 Stunden
festzuhalten – was sie aber, wenn sie wollen, ohnehin machen
können. Ansonsten ist die Verweigerung der Personalien nur eine
Ordnungswidrigkeit und kostet Dich ein paar Hunderter Bußgeld)
Und das war’s dann aber auch maximal! Keinen Ton mehr! Nichts
über Eltern, Schule, Firma, Wetter…; einfach:
Nach der Festnahme hast Du das Recht, zwei Telefongespräche
zu führen. Nerv die PolizistInnen so lange, bis sie Dich
telefonieren lassen, droh mit einer Anzeige. Bei Verletzungen
einen Arzt verlangen, von diesem ein Attest fordern. Nach der
Freilassung weiteren Arzt aufsuchen und ein zweites Attest
anfertigen lassen. Bei beschädigten Sachen schriftliche
Bestätigung verlangen. Bei erkennungsdienstlicher Behandlung
(Fotos, Fingerabdrücke) Widerspruch einlegen und
protokollieren lassen. Selbst aber nichts unterschreiben!
Im Verhör
Auf der Wache
Lass Dich nicht einwickeln. Lass Dich weder von Brutalos
einschüchtern, noch von verständnisvollen Onkel-Typen
weichlabern. Glaube nicht, die Beamten austricksen zu können.
Jede Situation ist günstiger, um sich was Schlaues zu überlegen,
als die, wenn Du auf der Wache sitzt, und alles – wirklich alles
– ist auch nach Absprache mit GenossInnen und AnwältIn noch
möglich, auch wenn Dir die PolizistInnen erzählen, dass es
besser für Dich wäre, jetzt sofort Aussagen zu machen: das ist
gelogen! Auch keine "harmlosen" Plaudereien, "ausserhalb" des
Verhörs, z.B. beim Warten auf dem Flur o.ä., keine "politischen
Diskussionen" mit den Wachteln: Jedes Wort nach Deiner Festnahme
ist eine Aussage!
Auch wenn Du meinst, Dir werden Sachen vorgeworfen, mit denen Du
garnix zu tun hast, möglicherweise auch Sachen, die Du nie tun
würdest – halte bitte trotzdem die Klappe. Was Dich entlastet,
kann jemanden anderen belasten, hat von zwei Verdächtigen einer
ein Alibi, bleibt einer übrig. Auch Informationen darüber, was
Du nicht getan hast, helfen dem Staatsschutz, ein Gesamtbild
gegen Dich und andere zu konstruieren.
Es ist jedoch nicht nur ein Gebot der Solidarität gegenüber
anderen und der Vernunft im Hinblick auf ein mögliches eigenes
künftiges Strafverfahren, sondern darüberhinaus auch schlichtweg
am einfachsten, am (relativ) "bequemsten", am (relativ)
"schmerzlosesten" für Dich in dieser Situation, total und
umfassend garnix zu sagen und von vorneherein den
VernehmerInnen klar zu machen, dass Du umfassend die Aussage
verweigerst. Nach den Fragen zur Person kommen oft erstmal
ganz "unverfängliche" Fragen: "Wie lange wohnen Sie denn schon
in…"; "Sind Sie mit dem Auto hergekommen?"; "Im wievielten
Semester sind Sie?"... Und wenn sie merken, dass Du darauf,
vielleicht auch widerwillig, noch eingehst und antwortest,
werden sie ihre Chance wittern und gnadenlos weiterbohren, wenn
Du auf andere Fragen nicht mehr antworten willst: "Was ist denn
dabei, wenn Sie mir sagen, ob Sie mit xy zusammenwohnen?";
"Warum wollen Sie mir denn das nicht sagen?"; "Das lässt sich
doch feststellen, wem das Auto gehört, das hält doch jetzt nur
auf, wenn Sie es nicht von sich aus sagen" usw, usw… Sie werden
keine Ruhe geben, solange Du überhaupt auch nur auf das Gespräch
eingehst.
Völlig anders ist die Situation in dem Augenblick, in dem Du
unmissverständlich klar machst, und zwar so eindeutig und
monoton wie möglich, daß es jeder Schimanski kapiert, dass Du
die Aussage verweigerst: Auf jede, aber auch jede Frage,
eintönig wie eine kaputte Schallplatte: "Ich verweigere die
Aussage!". "Regnet es draussen?" – "Ich verweigere die
Aussage!"; "Wollen Sie eine Zigarette/einen Kaffee?" – "Ich
verweigere die Aussage!"; "Wollen Sie vielleicht mit jemandem
anders sprechen?" – "Ich verweigere die Aussage!"... Keine
Angst, niemand hält Dich für blöde, auch wenn Dein Gegenüber so
tun wird. Er/sie wird im Gegenteil sehr schnell kapieren, dass
es Dir ernst ist und Du nicht zu übertölpeln bist, dass Du genau
weisst, was Du zu tun hast, und wird aufgeben. Das heisst für
Dich auf jeden Fall erstmal raus aus der Verhörmühle und im
besten
Fall, daß Du nach hause gehen kannst.
Freilassen müssen sie Dich
bei Festnahmen zur Identitätsfeststellung:
nachdem Du Deine Personalien angegeben hast und wenn Du
einen Ausweis dabei hast eigentlich sofort; um zu überprüfen, ob
Deine Angaben auch stimmen, können sie Dich jedoch bis zu 12
Stunden festhalten.
bei Festnahmen als Tatverdächtiger:
spätestens um 24:00 Uhr des auf die Festnahme folgenden
Tages (also maximal 48 Stunden), es sei denn, sie führen Dich einem
Richter vor und dieser verhängt entweder Untersuchungshaft (nur bei
schweren Straftaten und Flucht- oder Verdunklungsgefahr - bis zu 6
Monaten, aber auch länger) oder ordnet ein "Schnellverfahren" an
(dazu mehr weiter unten, dann maximal eine Woche).
bei Vorbeugehaft ("Unterbindungsgewahrsam"):
wenn nach Auffassung der Polizei die Gefahr besteht, Du
könntest Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begehen: bis zum
Ende der Aktion, zu der Du wolltest (Demo, Widerstandstage,...),
maximal je nach Bundesland zwischen 24 Stunden (so zur Zeit in
Berlin) und 2 Wochen (Bayern, Sachsen…). Da die Polizeigesetze,
in denen das festgelegt ist, ständig verschärft werden, solltest Du Dich
vor einer Aktion in einem anderen Bundesland immer kundig machen,
um keine Überraschungen zu erleben.
Hausdurchsuchungen
Nicht ungewöhnlich sind im Zusammenhang mit grösseren Aktionen
oder nach Festnahmen oder im Rahmen offensiver staatlicher Razzien
Hausdurchsuchungen. Auf die eigentlich notwendige richterliche
Durchsuchungsanordnung wird oft wegen behaupteter "Gefahr im
Verzug" verzichtet.
Hausdurchsuchungen gehören zu den gemeinsten Übergriffen
des Staatsapperats: neben dem vordergründigen Ziel, etwas zu
finden, mit dem sie Dir was anhängen können, ist das Eindringen in
Deine Wohnung auch immer ein Versuch, Dich zu demütigen, zu
demoralisieren und "Allmacht" über Dich zu demonstrieren. Dem
kannst Du am besten widerstehen, wenn Du einen ruhigen Kopf
bewahrst! Wenn sie Dich morgens geweckt haben, werde erstmal
richtig wach, setz Dir einen Kaffee auf, geh erstmal aufs Klo...
Wenn sie erst einmal in Deiner Wohnung stehen, kannst Du die
Durchsuchung nicht mehr verhindern. Aber Du kannst einiges tun,
damit sie nicht zur Katastrophe wird:
Das Wichtigste: Keine Aussage, kein Wort von Dir, z.B. zu
dem Vorwurf, aufgrund dessen die Durchsuchung stattfindet. Du
solltest ja ohnehin nie mehrere Exemplare von "brisanten" Flugblättern
im Haus haben (Dir könnte "Verbreitung" vorgeworfen werden), vor
Demos oder grösseren Ereignissen, z.B. Revolutionen, räumst Du
Deine Bude ohnehin gründlich auf (auch das Piece und die Quittung
vom letzten Versicherungsbetrug!) – falls sie trotzdem was "belastendes"
bei Dir finden: kein Wort von Dir dazu! Auch nicht: "Das gehört
mir nicht" o.ä., einfach garnix!
Versuche ZeugInnen herbeizuholen, rufe FreundInnen an und
lass den Hörer daneben liegen, damit der/die Angerufene so
ungefähr mitbekommt, was abgeht. Wenn möglich, informiere Deine
RechtsanwältIn. Lass Dir die Durchsuchungsanordnung zeigen, verlange
eine Kopie; bei "Gefahr im Verzug" lass Dir zumindest den
Grund der Durchsuchung genau sagen und die Sachen, nach denen
gesucht wird und schreib Dir das auf. Schreib Dir Namen und
Dienstnummern der Beamten auf. Verlange, dass Deine Beschwerde
(ohne inhaltliche Begründung!) zu Protokoll genommen wird.
Du hast das Recht, bei jedem einzelnen durchsuchten Raum
dabeizusein, verlange deshalb, dass ein Raum nach dem anderen
durchsucht wird. Wird etwas mitgenommen, Beschlagnahmeverzeichnis
verlangen, aber nicht unterschreiben! Wenn nichts
beschlagnahmt wurde, lass Dir das bescheinigen.
Wenn sie wieder weg sind, detailliertes Gedächtnisprotokoll
anfertigen, EA, Prozessgruppe, Bunte Hilfe oder Rote Hilfe und die
AnwältIn informieren. Dann lade Dir Deine beste Freundin, Deinen
besten Freund ein, denn nach einer solchen Sache bist Du mit den
Nerven erstmal fertig und hast jedes Recht, Dich auszuquatschen,
auszuheulen und/oder verwöhnt zu werden!
Vorladungen
Wochen oder Monate nachdem Du Dich an einer Aktion/Demo
beteiligt hast, bekommst Du Post von den Bullen oder der Staatsanwaltschaft,
manchmal rufen sie auch an.
Egal, ob Du ZeugIn oder BeschuldigteR in ihrem Spielchen sein
sollst, spätestens jetzt ist es Zeit, Dich an EA oder Rote Hilfe zu
wenden und eine AnwältIn zu suchen. In den meisten Fällen ist jetzt
der Zeitpunkt, die Sache öffentlich zu machen, politischen Protest zu
organisieren und Solidarität einzuwerben.
Auf keinen Fall aber ist eine Vorladung Grund, in Panik zu
geraten oder plötzlich einem Anwalt mehr zu trauen als den eigenen
politischen Überzeugungen und auf irgendwelchen "Handel" mit der
Staatsgewalt zu spekulieren o.ä.! Hier gilt wie immer: Ruhe
bewahren – Widerstand organisieren! Bisher war der Repressionsapparat
noch immer eher bereit, seine Verfolgung zurückzunehmen,
wenn in einem Fall grosser öffentlicher Druck aufgebaut werden
konnte, als wenn die Verfolgten sich einschüchtern liessen!
Aussageverweigerung als BeschuldigteR/AngeklagteR
Als BeschuldigteR (so heisst das im Ermittlungsverfahren) oder
AngeklagteR (im Strafprozess) hast Du jedes Recht, die Aussage zu
verweigern, in jeder Phase des Verfahrens. Das solltest Du zu Beginn
der Verfolgung auf jeden Fall tun, nie ein Wort "zur Sache" nach
Festnahme, Hausdurchsuchung, beim Verhör! Wirst Du von der
Polizei vorgeladen, musst Du nichtmal hingehen, zur Staatsanwaltschaft
und zum Ermittlungsrichter (und natürlich ggf. zu Deinem
eigenen Prozesstermin) musst Du erscheinen, aber nichts sagen. Ob
Du später in Prozess eine Erklärung, "politisch" oder "zur Sache",
abgeben willst, kannst Du später immer noch in Ruhe mit Genoss-
Innen, Roter Hilfe und RechtsanwältIn besprechen.
Aussageverweigerung als ZeugIn
Als ZeugIn ebenfalls kein Wort zu Polizei oder Staatsanwaltschaft!
Auch hier gilt: zur Polizei nicht hingehen, zur Staatsanwaltschaft
und Richter musst Du hin, sonst können sie Dich festnehmen
und hinschleppen.
In der ersten Phase des Verfahrens, unmittelbar nach der
Aktion, nach Festnahme, Durchsuchung, im Verhör, bevor Du Dich
mit Beschludigten, Prozessgruppe, Roter Hilfe, Anwälten usw.
besprechen konntest, ist jede Zeugenaussage nur falsch und
schädlich für Dich und für andere, da solltest Du auf jeden Fall Deinen
Mund halten, egal mit was sie Dir drohen oder was sie Dir
versprechen. Es gibt in dieser Phase keine "Entlastungsaussagen" und
auch keine "harmlosen Aussagen"! Einfach kein Wort, das ist das
einfachste und auch der schnellste Weg, aus der Mühle wieder raus
zu kommen (vgl. oben "Im Verhör").
Wirst Du später als ZeugIn von der Staatsanwaltschaft oder zum
Gerichtsprozess geladen, solltest Du Dich genau mit den anderen
Beteiligten, vor allem den Angeklagten, beraten, was welche
Aussage von Dir bringen oder schaden kann. Weil die Staatsschutzjustiz
in politischen Prozessen immer mehr veranstaltet, als die
Überführung und Verurteilung Einzelner, nämlich z.B. das Ausforschen
von Widerstandszusammenhängen, Entsolidarisierung durch Herausgreifen
Einzelner, Spalten durch Fordern von Unterwerfungsgesten
usw. usw. – darum ist sehr oft auch im Gerichtsprozess das einzige
richtige ZeugInnen-Verhalten: konsequente und umfassende Aussageverweigerung.
Als ZeugIn besteht grundsätzlich, sofern kein Zeugnisverweigerungsrecht
(z.B. als Verwandter, hierzu zählen auch die/der Verlobte)
besteht, die Pflicht zur Aussage. Sie kann mit Ordnungsgeld
und Beugehaft durchgesetzt werden.
Der "§ 55"
Bei bestimmten Fragen hast Du das Recht diese nicht zu
beantworten, wenn Du Dich eventuell damit selbst belasten könntest,
sog. Aussageverweigerungsrecht (§ 55 StPO). Einige empfehlen dies
als Mittel, nichts zu sagen und trotzdem der Beugehaft zu entgehen.
Da Du aber u.a. begründen musst, warum die Antwort auf diese
Frage Dich belasten würde, sagst Du meist doch ähnlich viel aus, als
würdest Du die Frage selbst beantworten. Im Gegenteil lieferst Du
damit der Gegenseite meist weitere Informationen.
Ausserdem gibt es immer Fragen, bei denen eine Selbstbelastung
völlig undenkbar ist, die Du bei dieser "Taktik" also beantworten
müsstest und schon bist Du im Reden und die Praxis zeigt,
dass niemand mehr in dieser Situation eine selbstbestimmte Grenze
ziehen kann. Schliesslich lieferst Du der Staatsschutzjustiz damit auch
die von ihr geforderte Unterwerfungsgeste und trägst ggf. zu einer
Spaltung innerhalb der Gruppe der ZeugInnen und Angeklagten bei,
denn eine gemeinsame Prozessstrategie ist dann meist nicht mehr
möglich.
Daher warnen wir nachdrücklich vor dem Versuch, sich
mit der Methode "Aussageverweigerung wegen Selbstbelastung"
aus der Affaire ziehen zu wollen!
Beugehaft
Wer nicht als ZeugIn aussagt, obwohl er/sie müsste (also weder
Zeugnis- noch Aussageverweigerungsrecht hat), kann mit dem
Zwangsinstrument der Beugehaft belegt werden. Damit sollen in
erster Linie Aussagen erzwungen werden, es wird aber auch gegen
Widerspenstige, bei denen die Ermittler genau wissen, dass sie
auch nach Beugehaft keine Aussagen bekommen werden, als
Schikaneund reine Repressions-Maßnahme genutzt. Es darf
Beugehaft von insgesamt 6 Monaten angeordnet werden, also auch
mehrmals eine kürzere Dauer, die zusammengerechnet maximal 6
Monate ergeben. Beugehaft wird manchmal bereits von der
Staatsanwaltschaft angedroht, aber auch hier gilt: Ruhe
bewahren: Nur der Richter darf Beugehaft anordnen, nicht der
Staatsanwalt! Vor einer eventuellen Beugehaft steht also in der
Regel die Möglichkeit, sich darauf vorzubereiten, eine Kampagne
zu planen, für die Miete u.ä. zu sorgen, die Folgen für
Arbeitsplatz, Schule u.ä. zu minimieren usw. Wem droht, in diese
Situation zu kommen, der/die muß sofort Kontakt zur Roten Hilfe
aufnehmen.
Wir lassen keineN, der/die in Beugehaft sitzt, alleine!
Schnellverfahren
Seit 1994 bzw. 1997 gibt es das sog. "beschleunigte Verfahren"
und die "Hauptverhandlungshaft" – ausdrücklich eingeführt
um "reisenden Gewalttätern", also DemonstrantInnen, für "kleinere
Delikte" (Höchstrafe 1 Jahr) einen kurzen Prozess zu machen. Du wirst
festgenommen und gleich dabehalten (maximal 1 Woche), bis einige
Tage später Dir der Prozess gemacht wird, mit eingeschränkten
Verteidigungsrechten und ohne die Möglichkeit für Dich, Dich
angemessen vorzubereiten.
Schon daraus wird ganz klar: Am Schnellverfahren beteiligen
wir uns niemals aktiv! Keine Aussagen, keine Kooperation. Das
kann mensch nur "durchstehen", über sich ergehen lassen wie einen
Regenschauer, da gibt es auch keine Verteidigung! Da von extremen
Ausnahmen abgesehen, im Schnellverfahren nur Bewährungs- oder
Geldstrafen verhängt werden können, kommst Du sofort nach dieser
Karikatur einer Gerichtsverhandlung wieder auf freien Fuß, kannst
durchatmen, überlegen, besprechen und wenn Du innerhalb einer
Woche Rechtsmittel einlegst, Dich in aller Ruhe auf den "richtigen"
Prozess vorbereiten.
In Hauptverhandlungshaft solltest Du versuchen, Deine AnwältIn
zu erreichen, schon damit diese das Schnellverfahren abzuwenden
und Dich rauszuholen versuchen kann.
Auch macht es natürlich Sinn, in einem Schnellverfahren eine
AnwältIn dabei zu haben, auch wenn eine sinnvolle Verteidigung in
diesem Prozess ganicht möglich ist. Auf garkeinen Fall aber solltest
Du, wenn keine AnwältIn dabei ist, irgendwelche Prozessanträge
o.ä. selber stellen, auch wenn Du vom Gericht belehrt werden wirst,
dass Du das kannst! Vor allem keine "EntlastungszeugInnen" benennen
oder ähnliches: es hilft Dir nichts und Du reitest sie rein, es haben
schon ZeugInnen, die von unverteidigten Angeklagten benannt
wurden, erstens selber dasselbe Verfahren bekommen und zweitens
noch eins wegen "Meineid" in dem Verfahren, in dem sie ZeugInnen
waren! Also: Keine Anträge stellen, keine ZeugInnen benennen!
Strafbefehl
Statt eines Prozesses kann Dir als Beschuldigter/m nach einer
Aktion auch ein sog. Strafbefehl ins Haus flattern. Das ist quasi ein
Urteil ohne Verhandlung, legst Du dagegen innerhalb von zwei
Wochen Widerspruch ein, bekommst Du einen ganz normalen
erstinstanzlichen Prozesstermin und der Strafbefehl ist dann nur noch
die Anklageschrift. Den Widerspruch brauchst Du und solltest Du
nicht begründen. Es gilt, wie nach einer Vorladung: sofort Kontakt
aufnehmen zu EA, Bunter oder Roter Hilfe, ggf. Prozessgruppe oder
anderen Beschuldigten wegen derselben Aktion und zur RechtsanwältIn.
Wichtig ist nur, dass Du die Zweiwochenfrist einhältst, sonst
wird der Strafbefehl rechtskräftig! Solltest Du dies wegen Abwesenheit
von Deiner Wohnung einmal nicht können, z.B. Urlaub,
musst Du sofort nach Deiner Rückkehr Dich beim Gericht melden und
das mitteilen und nachweisen (sog. "Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand").
Mögliche ausländerrechtliche Folgen politischer Strafverfolgung
Schon während eines Ermittlungsverfahrens (also vor der Verurteilung)
kann die Ausländerbehörde versuchen, Dich abzuschieben.
Voraussetzung ist der Vorwurf einer "schweren" Straftat, z.B.
schweren Landfriedensbruchs. Dagegen kann jedoch in den meisten
Fällen erfolgreich durch die Einschaltung einer AnwältIn
vorgegangen werden. Für Menschen ohne deutschen Pass ist die
Hilfe durch UnterstützerInnen-Gruppen und durch AnwältInnen
noch viel wichtiger als ohnehin! Am grössten ist die Gefahr, dass Du
abgeschoben wirst, nach der Verurteilung.
Den relativ grössten Schutz gegen Abschiebung haben
Flüchtlinge, deren Asylantrag anerkannt ist oder die eine Duldung
wegen drohender Folter oder drohender Todesstrafe erhalten haben;
sie stehen unter dem Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention
und der Genfer Flüchtlingskonvention, wonach in solchen
Fällen eine Abschiebung verboten ist. Doch die politische
Zusammenarbeit, z.B. zwischen BRD und Türkischer Republik, hat es
auch in diesem Bereich schon zu praktischen und juristischen Aufweichungen
kommen lassen.
Am meisten bedroht durch eine Abschiebung sind Menschen,
die sich illegal in der BRD aufhalten, z.B. Flüchtlinge, deren
Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist und die auch keine
Duldung erhalten haben. In solchen Fällen sollte sofort nach einer
Verhaftung durch die Polizei mit anwaltlicher Hilfe ein (zweiter)
Asylantrag gestellt werden, dadurch kann die drohende
Abschiebung zumindest verzögert werden und es wird Zeit
gewonnen, um weitere Schritte zu überlegen.
Einerseits droht bei politischer Aktivität zunehmend die
strafrechtliche Verurteilung, andererseits können dadurch auch neue
Asylgründe entstehen. So kann ein sog. Asylfolgeantrag damit
begründet werden, dass Du in einem Strafverfahren als Aktivist gegen
den Staat, dessen Staatsangehörigkeit Du hast, angeklagt wirst.
(der letzte Abschnitt ist gekürzt entnommen: Rechtsinfogruppe Tübingen)
Rote Hilfe e.V.
Bundesvorstand
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