linksrhein Quelle: AZW Nummer 08, erschienen am 31.08.1995
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Gespräch mit Bärbel Köhler

Pures grünes Lippenbekenntnis

Nachdem Bärbel Köhler ihr Amt als Vorstandsmitglied im Kreisverband der Grünen niedergelebgt hat, führten Ulla Allgeier ein kurzes Gespräch zu ihrer Einschätzung.

Ulla: Die grünen Mitglieder haben Dich nicht zur Landtagskandidatin gewählt - trotz Deiner sehr guten Wahlerfolge zuletzt bei den Kreistagswahlen im Kreis Konstanz. Wie erklärst Du dir das?

Bärbel Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens hätte ich wahrscheinlich stärker mobilisieren müssen. Es war zu blauäugig, sich auf eine - sozusagen - automatische Anerkennung meines langjährigen kommunalpolitischen Engagements zu verlassen. Zweitens habe ich für manche Mitglieder nicht die richtigen Schwerpunkte. Während mit dem Näherrücken einer möglichen Rot-Grün-Koalition wirtschafts- und technologiepolitische Themen immer mehr an Gewicht gewinnen, liegen meine eigentlichen Interessen eher in der Sozial- und Gesundheitspolitik, im Bereich von Asyl- und Ausländerrecht und in der Entwicklungspolitik. Das sind nicht die Themen der Macher, sondern altlinker Utopisten und Utopistinnen.

Ulla: War das also eine Entscheidung für ein realpolitisches und gegen ein fundamentalistisches Lager?

Bärbel: Ich glaube nicht. Ich sehe mich selber sowieso nicht als Fundamentalistin, eher als Linke, die durchaus realpolitisch denken und handeln kann. Mit der Bosniendiskussion habe ich mich z.B. zwischen zwei Stühle gesetzt, was mich mindestens die Stimmen von zwei Frauen gekostet hat. Ich unterstützte die Position derjenigen grünen Bundestagsabgeordneten, die für die deutsche Beteiligung am militärischen Schutz der Blauhelme gestimmt hatten.

Ulla: Du hast Dein Amt als Vorstandsmitglied im Kreisverband niedergelegt mit der Begründung, "Anspruch und Wirklichkeit in der Partei klaffen enttäuschend auseinander". Wie hast Du das gemeint?

Bärbel: Ich habe damit nur den freuenpolitischen Aspekt gemeint. Die Grünen haben ein radikales frauenpolitisches Programm. Sie propagieren überall den Satz: "Bei gleicher Qualifikation bevorzugen wir eine Frau", und bleiben dann eben doch wie die anderen Parteien patriarchalisch. In fast allen aussichtsreichen Wahlkreisen im Ländle haben sich wieder Männer in den Nominierungsversammlungen durchgesetzt, auch gegenüber wirklich guten Frauen. Übrigens, im Moment liegt der Frauenanteil im Landtag bei 11 % und die Grünen tun nichts dazu, um das zu ändern.

Ulla: Ziehst Du Dich jetzt erst mal aus der grünen Politik zurück?

Bärbel Ganz sicher nicht. Meine Kreistagsarbeit geht vorläufig weiter. Aber zukünftig möchte ich wieder mehr in Initiativen mitarbeiten.

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