linksrhein Quelle: AZW Nummer 01, erschienen am 11.05.1995
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Veranstaltung

Mexikanische AnarchistInnen in Konstanz

Anarchismus in Mexiko? Ana-Laura Hernandez und Gustavo Rodriguez gaben am Donnerstag, 4. Mai, in der Infokneipe einen kleinen Einblick, dass auch in Lateinamerika die Idee der Staatenlosigkeit seine AnhängerInnen hat.

Im bewegten Jahrzehnt der mexikanischen Revolution (1910 - 1920) wurden auch die schwarzen Fahnen der Anarchisten ausgerollt. Die populäre zapatistische Parole "Tierra y libertad" - Erde und Freiheit - machen den historischen Einfluss libertärsozialistischer Strömungen erkennbar. Nur: Die allmächtige Staatspartei PRI mit dem bezeichneten Namen "Partei der Institutionalisierten Revolution" vereinnahmte alle gesellschaftlichen Ebenen. Anarchosyndikalismus unter den Campesinos und Arbeitern hatte so unter den versteinerten Verhältnissen des PRI-Staates keine Chance weiter Wurzeln zu schlagen. Mit der StudentenInnenbewegung der späten 60er flammte unter den Studierenden wieder die Idee eines Sozialismus ohne Staatlichkeit auf. Der Staat reagierte mit größter Repression. Dafür steht das brutale Massaker vor der Universität von Mexiko- City 1968 kurz vor Eröffnung der Olympischen Sommerspiele. Die revolutionären StudentInnen, ob maostisch, trotzkistisch oder anarchistisch, gingen in den Untergrund. 1973 bildete sich als Antwort auf die polizeistaatliche Verfolgung die anarchistische Guerillagruppe "Banadera negra" (Schwarze Fahne), die aber bereits bevor sie aktiv werden konnte, von den Repressionskräften aufgedeckt wurde.

Der lange historische Exkurs zeigt schon an: Die Hoffnung, der ZuhörerInnen, die sich mehr Informationen über Chiapas erwartet haben, wurde enttäuscht. Das lag aber nicht an den beiden mexikanischen ReferentInnen, sondern an den Konstanzer Autonomen, die sich an Detailfragen festbissen. Da wurde diskutiert, ob die Autonomie- Forderung der indigenen Völker nicht geradewegs den Weg vorplaniert, an deren Ende ein chauvinistischer Nationalismus steht. Zu Chiapas selbst setzten dann die mexikanischen AnarchistInnen einige kritische Akzente. Ihrer Meinung nach triftet die zapatistische Führung mitsamt ihres Sprachrohres Subcommandante Marcos in ein nationales Fahrwasser. Besonders deutlich wurde nach Auffasung der beiden ReferentInnen, die sich nicht als Nachfolger der historischen Anarcho-Bewegung begreifen, sondern im Sinne der Autonomen, die nationale Inszenierung bei der Convencion in der Selva Lacandona. Kurz vor den Wahlen wurde dieses Treffen der vielbeschworenen "Sociedad Civil" (Zivilgesellschaft) zu einer Propagandaveranstaltung der sozialdemokratisch geprägten PRD und ihres Präsidentschaftskandidaten Cuathemoc Cardegenas. Die PRD-KritikerInnen erinnerten daran, dass die Oppositionspartei ihre höhere Kader allesamt aus der PRI stammen.

Wer weiterhin Interesse an einer Beschäftigung mit Mexiko hat, kann sich unter der Nummer: 07531/67337 melden.

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linksrhein,cm, 29.5.00