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cm, Konstanz 22. 10. 99

Wie weiter?

Wir messen der Auseinandersetzung um die Kriminalisierung große Bedeutung bei. Wir haben in den verschiedenen Beiträgen dieser Broschüre die Konstanzer Entwicklung des antifaschistischen Kampfes eingeschätzt. Gewerkschaftliche und grüne Kräfte vertreten die anfängliche Einheit "Keinen Fußbreit den Faschisten" in ihrer praktischen Politik nicht mehr, manche hatten diese nie vertreten. Ihre (zwischenzeitliche) Untätigkeit haben auch die beiden Sitze der REPs im Gemeinderat nicht erschüttert. Mit ihrer Kampagne haben die Herrschenden versucht, die Linie durchzusetzen, daß Antifaschismus ein Delikt, während das Maul halten richtig sei. Und ihre Rechnung ging bis zu einem gewissen Grad auf. Die bürgerliche Normalität - Faschisten etabliert, AntifaschistInnen kriminalisiert - droht. Dagegen wollen wir angehen.

Die bürgerliche Gesellschaft will uns aufzwingen, die Etablierung der Faschisten als normal hinzunehmen. Als genauso normal will sie durchsetzen, daß der Widerstand dagegen Repressionen ausgesetzt ist. Dies lahmt sozialdemokratische und grüne Kreise. Ihre Empörung über angebliche Sachbeschädigung durch antifaschistische Menschen nimmt ihnen die Luft, die Stimme gegen einen Handwerksmeister Bohland oder einen Wirtschaftsberater Niedermayr zu erheben. Sie geben sich offenbar geschlagen, anstatt wenigstens nach ihren Möglichkeiten, Forderungen der Gemeinderatsinitiative (siehe Dokument) aufrechtzuerhalten und praktisch umzusetzen. Aber nicht einmal der bald drei Jahre alte Beschluß, den Konstanzer Haushalten die Resolution 'NPD - Nachfolgeorganisation der NSDAP' zuzustellen, wird eingefordert.

Wir wollen die Diskussion wieder in Gang bringen, was antifaschistischer Widerstand ist, wie er in seiner Vielfalt geführt werden kann und wie diese eine Einheit bilden kann. Mitten in einer darüber begonnenen Debatte ist damals der DGB aus dem Antifa-Komitee ausgestiegen. Die GRÜNEN oder die FGL haben sich damit noch nie beschäftigt, Ausnahmen gibt es. Wir gehen davon aus, daß dieser Widerstand auf einer breiten Basis geführt werden muß. Dies bedeutet für uns das Akzeptieren verschiedener Formen und die Solidarität, die nicht dort endet, wo der Staat seinen Apparat schützend vor die Faschisten stellt. Aber genau dieser Frage sind viele ausgewichen, als die Illusion, der Staat verhalte sich neutral, nicht mehr zu halten war.

Stellvertretend zitieren wir einen Beschluß der damaligen IG Druck und Papier (heute IG Medien), der deutlich macht, daß auch in den Gewerkschaften diese Frage nicht ausgeklammert wird.

"Sei es die HIAG-SS in Nesselwang, die 'Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei' (FAP) in den Fußballstadien des Ruhrgebietes oder die NPD und die von ihr unterstützten 'Ausländer-Stop-Initiativen': überall nehmen faschistische und neonazistische Aktivitäten zu. Greifen Antifaschisten zur Gegenwehr, gelten nach Meinung der Polizei und Gerichte nicht selten sie als die Unruhestifter und Krawallmacher. Das letzte traurige Opfer dieser ungestörten, von städtischen und staatlichen Stellen oft mehr als geduldeten faschistischen Aktivitäten war der Antifaschist Günter Sare in Frankfurt. Die Gewerkschaften wissen, daß die Faschisten - egal in welcher Verkleidung sie auftreten - ein Stoßkeil rassistischer, ausländer- und arbeiterfeindlicher Hetze sind. Die Duldung und Förderung faschistischer Organisationen durch Bürgermeisterämter, Landräte, Innenministerien... kann nicht länger hingenommen werden. Diese Praxis macht das Opfer zum Täter" (14. ordentlicher Gewerkschaftstag Essen 1986).

Wir haben in der Zwischenzeit erleben müssen, daß sich die Kräfte selbst handlungsunfähig machen, die zulassen, daß die obengenannte antifaschistische Kritik in ein "linksradikales Ghetto" gestellt wird. Wer hinnimmt, daß die parlamentarische Arbeit der REPs keinen Skandal macht, wer übergeht, daß Faschisten und Konservative Koalitionen schließen (z.B. gegen die Frauenbeauftragte), wird ohnmächtig. Aber sie sind nicht Opfer eines Dilemmas, sondern haben diese bürgerliche Normalität mit zu verantworten. Praktische Ansätze sind uns nicht bekannt, daß sich das ändern soll.

Wir gehen davon aus, daß es in breiterem Interesse ist, weiterhin eine Front aufzubauen, die sich gegen Rassismus, Sexismus und Nationalismus stellt und von emanzipatorischen Standpunkten aus gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung wirkt. Wer dieses Interesse hat, muß sich schon mit den Fragen beschäftigen, die wir in dieser Doku aufgeworfen haben. Und muß sich darüber Gedanken machen, wie eine Spaltung und Unterdrückung einzelner Teile dieser Opposition eine Schwächung und Niederlage der gesamten bedeutet.

Wir geben zu, daß uns die Staatsgewalt mit ihren Angriffen in vielerlei Hinsicht davon abgehalten hat, Themen und Aktionen zu realisieren, die uns im antifaschistischen Widerstand weitergebracht hätten. Aus dieser Blockade wollen wir raus. Und wir wollen darüber raus, in dem wir die Fragen klären, welche Rolle der Staatsapparat im Faschisierungsprozeß spielt, welche Interessen und Toleranz die bürgerliche Gesellschaft entwickelt, um die Faschisten zu integrieren. Diese Dokumentation soll der erste Schritt sein, um darüber aufzuklären und eine Diskussion in Gang zu bringen, welche Aufgaben sich dem antifaschistischen Widerstand stellen. Wir wollen diese Diskussion breit führen. Unsere Anklage an die Staatsgewalt, die faschistische Formierung zu begünstigen, verbinden wir mit dem Appell, über die Bündnispolitik und Solidarität zu sprechen.

Wir wollen in den nächsten Monaten in verschiedenen Veranstaltungen diese Diskussion öffentlich führen. Zunächst werden wir direkt zu dieser Dokumentation eine Veranstaltung machen. Sie soll schwerpunktmäßig zum Thema "Antifaschismus nützt nur den Faschisten" - Kriminalisierung, Bündnispolitik und praktische Schritte sein. Wir stellen uns das als Beginn einer gemeinsamen Beratung vor.

Wir fordern die Einstellung aller Straf- und Ermittlungsverfahren gegen AntifaschistInnen.

Wir fordern die Solidarität mit allen kriminalisierten AntifaschistInnen und erwarten von allen antifaschistischen Kräften, aktiv zu werden und ihre Möglichkeiten zu entwickeln.