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cm, Konstanz 22. 10. 99

"Ne gute Repression ist die beste Prävention"

Connys Tod ist kein Zufall; Zufall ist, daß die Göttinger Polizei bisher noch keine Toten bei ihren Einsätzen hinterlassen hatte.

Die Öffentlichkeit stand noch unter dem Eindruck der Aufdeckung schwerer Mißhandlungen von vorläufig festgenommenen Linken auf einer Göttinger Polizeiwache, als die Polizeiführung im Jahre 1981 ein in Zivil operierendes Sonderkommando (Aufklärungs- und Festnahmekommando", "Aufkdo") im Rahmen eines niedersächsischen Modellversuchs aufteilte. Dessen Zielgruppe: die Linke. Dessen Motto: "ne gute Repression ist die beste Prävcntion" (der damalige Polizeichef Mogwilz). Dessen Auftrag: "Die Szene aus der Anonymität herausholen" (Ex- Polizeichef) unter Einsatz eines eigens eingerichteten Computersystems, durch Einschüchterung, durch Drohungen, durch "Maßnahmen". Dessen Arbeitsweise: geheim, denn ... "es soll definitiv nicht klarwerden, was die Polizei in Göttingen tut und läßt" (Ex-Polizeichef).

Die Existenz dieses Kommandos, der Vorläufertruppe des heutigen "zivilen Sonderkommandos" (ZSK), das an dem Einsatz gegen die Gruppe um Conny beteiligt war, wurde 1982 aufgedeckt, u.a. durch die Veröffentlichung von Funksprüchen, die in ihrer Qualität dem "Plattmachen" um nichts nachstehen, vielmehr ein und dieselbe Schule offenbaren, Haß und Menschenverachtung dem polizeilichen Opfer gegenüber dokumentieren. Ein paar Beispiele: "Wir warten nur noch, daß so das eine Wort das andere gibt, dann dröhnen wir uns mit denen."

"Wenn ich mich nicht verguckt habe, geht A. W. Richtung Innenstadt ... Jau ... alleine? — Ja richtig, er hat mich aber gleich erkannt. — Ja, hau ihm welche."

"Zwei von unseren Freunden stehen gerade am Theaterkeller, spielen Anhalter, ihr könnt sie ja mitnehmen. — Jau. — Im Kerstlingröder Feld, da werden sie rausgeschmisscn, kleines Loch hacken, reinschmeißen."

"Hatte ne dicke Lippe? Können wir ihn aufmischen? — Ach nee, lohnt sich nicht. — Und ich hatte schon ne Wette auf dich abgeschlossen, daß du heute einen Widerstand bringst. — Nur bei Kurtchen haben wir ein bißchen mit angefaßt. — Na, immerhin, es geht aufwärts. — Es geht wieder an. — Wunderbar."

Die "flapsigen Sprüche" von heute (PolizeichefWill) hießen damals "Mangelnde Funkdisziplin", "sprachliche Schnitzer", "nicht gutzumachende Verwilderung" der Sprechweise und gar "leider Gottes dummes Geschwätz" (Ex-Polizeichef Mogwilz).

Nachdem der langjährig Gorleben-erprobte Polizeichef Will in einem Flugblatt kurz "Betroffenheit" über Connys Tod geheuchelt hat, kommt er schnell zur Sache: "Aber wir distanzieren uns in aller Entschiedenheit von dem Versuch. der Polizei vorschnell die Schuld zuzuweisen. Die Staatsanwaltschaft ist mit den Ermittlungen befaßt, und die Gerichte werden über den Sachverhalt zu entscheiden haben."

Wie deren Bemühungen verlaufen werden, läßt sich leicht erahnen: Die Staatsanwaltschaft weigerte sich 1982, gegen die Polizei und ihre Führung zu ermitteln. Am 23.7.82 stellte sie fest: "Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß es sich um dienstinterne Äußerungen von Kollegen handelte, sich dem bekanntgewordenen Funkverkehr keine Straftaten zu entnehmen ..." Außerdem stehe den Beamten ihrerseits "das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5, Abs. l GG zu." Dieses Grundrecht galt jedoch nicht für den Drucker und den presserechtlich Verantwortlichen einer Broschüre der damaligen AGIL (Alternative Grüne Initiativenliste), in der der Funkverkehr auszugsweise nachgedruckt und kommentiert worden war. Beide wurden vor Gericht gebracht, letzterer verurteilt, weil der Funkverkehr veröffentlicht, Sprache, Struktur und Einsatzmethoden des damaligen Sonderkommandos mit der historischen Gestapo verglichen worden waren. Das Gericht ließ die Praxis der Polizeieinsätze völlig außer acht, wollte die Funksprüche nicht beurteilen und schlug statt dessen vor: "Eine einfache Information der Öffentlichkeit über die angstmachende Polizeipraxis."

Wie dies aussehen könnte, konkretisierte die Staatsanwaltschaft: Man solle Leserbriefe schreiben oder den Leiter der Sondertruppe telefonisch über das Verhalten seiner Beamten aufklären. Den angeklagten Kritikern der Polizei wurde gelegentlich auch empfohlen, die parlamentarischen Institutionen zu nutzen. Das war längst geschehen. Unter johlenden Pöbeleien der Parteien, die heute "bedauern" und "Gewalt verurteilen", mit Mikrophonentzug und Heiterkeitsausbrüchen empfahlen sich die Parlamentarier: Landtag: "Neddermeyer (Grüne) zitierte einige Sprüche ... darunter auch "kleines Loch hacken, reinschmeißen'. Das Landtagsprotokoll verzeichnet Heiterkeit."

Stadtrat: Ein AGIL-Stadtratsmitglied versucht mit einer Rede, eine Anfrage zu dem Kommando zu begründen. Das Protokoll liest sich so: "AGIL ... Im Gegenteil, diese Django-Methoden (des Kommandos) ("Skandal, Schweinerei, Schluß") ... wie Wettig-Danielmeier sie zurecht ... ("Jetzt, Unerhört" — Ordnungsruf von OB Rinck) ... bezeichnet hat, werden auf den Straßen im nächtlichen Gottingen auch tatsächlich praktiziert. Wer den Funkspruch-Mitschnitt in Gänze gehört hat ... ("Jetzt reichts! Aufhören, wie lange noch, genug!")'... der wird sich des Eindrucks nicht erwehren können, daß hier völlig enthemmt Polizeibeamte regelrechte Menschenjagden im nächtlichen Göttingen veranstalten ... (Rinck zum Ratslakaien: "Schalten Sie das Mikrophon ab!") Was auch geschah." — So weit die "demokratischen Institutionen" bei der "Wahrnehmung der Kontrolle" staatlicher Gewalt.

Heute fordert CDU-Noack die Polizei auf, "den Ablauf ihrer Maßnahmen zu überdenken". Damals kommentierten seine Parteifreunde Fischer und Stroetmann mit Blick auf die Kritiker der Polizei: "Die Kampagne erinnert in fataler Weise an Nazi- Methoden."

Renner, Regierungspräsident in Braunschweig, bezeichnete die Kritik am 82er Sonderkommando als Kampagne; die Gewerkschaft der Polizei dankte für "die geleistete Arbeit" und versprach Beistand gegen den "Psychoterror", der gegen die Polizei ausgeübt werde.

Die komplette örtliche CDU-Spitze dankte der Göttinger Polizei und nannte die AGIL-Dokumentation einen "Gipfel an Menschenverachtung". Man könne stolz sein, daß die Polizei reagiert habe, nicht nur im rechtlich zulässigen, sondern zugleich auch in einem höchst wirkungsvollen Maße ...

Nachweisbar wurde in Göttingen alles getan, um die Zustände bei der Göttinger Polizei, ihr Verhalten in Sonderkommandos und bei Sondereinsätzen zu verharmlosen, zu rechtfertigen, und der breiten Öffentlichkeit als völlig legales Vorgehen zu präsentieren oder aber ihren Blicken völlig zu entziehen. Damals kommentierte die AGIL die Verurteilung ihres Presseverantwortlichen: "Das Urteil ... ist damit eine offene Ermunterung an die Adresse der Götiinger Polizei, unbekümmert mit der harten, brutalen Linie gegen die gesamte Linke fortzufahren. Indem der Richter (und alle anderen hier genannten — d.V.) es ablehnte, die Polizeipraxis zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, legalisierte er ... Existenz und Vorgehen dieser Polizeitruppe."

Die heutige Truppe braucht mit der damaligen personell nicht identisch zu sein; Geist. Ausrichtung, Methoden und Führung sind dieselben. Es sind diejenigen, die heute noch als "besonnen" bezeichnet werden — die Verantwortlichen dafür müssen weg! Noch aus ihren Bedauemsäußerungen ist zu hören und herauszulesen, daß sie so weitermachen werden.

- Quelle: ak Nr. 313-