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cm, Konstanz 22. 10. 99

Tuttlingen, 14. April 1989:
NPD-DVU-Veranstaltung zur Europawahl

Reorganisation das faschistischen Lagers - Wahlbündnis von NPD und DVU

NPD und DVU haben sich im Frühjahr 1987 zusammengefunden. Im Rahmen der Reorganisation des faschistischen Lagers haben sie eine enge Zusammenarbeit vereinbart, die sowohl eine finanzielle und organisatorische Unterstützung wie auch wahltaktische Absprachen beinhaltet. Ergebnis dieser Absprachen war der Verzicht der NPD auf eine Kandidatur bei den Europawahlen. Stattdessen trat die Deutsche Volksunion - Liste D an.

Am 14.4.89 will die NPD-DVU eine Veranstaltung zur Europawahl in Tuttlingen durchführen. Tuttlingen ist bekannt als eine Hochburg der NPD-Faschisten und zugleich Wohnsitz ihres Bundesvorsitzenden Martin Mußgnug. Dieser betreibt dort eine Anwaltskanzlei.

Antifaschistinnen blockieren Zugang zur Veranstaltung

Martin Mußgenug und Gerhard Frey, der Vorsitzende der DVU, sollen am Abend des 14.4. als Hauptredner dieser Veranstaltung auftreten. Zu der Veranstaltung in der Festhalle in Tuttlingen haben sich nicht nur ca. 500 - 600 Zuhörerinnen eingefunden, sondern auch 150 AntifaschistInnen. Diese versuchen den Zugang zur Festhalle zu blockieren, um weitere Zuhörerinnen am Zutritt zur Festhalle zu hindern. Die Polizei versucht, einen Weg durch die Antifaschistinnen zu bahnen. Dabei kommt es zu kleineren Schiebereien. Die von den Antifaschistinnen gebildete Kette hält jedoch stand, so daß einzelne Leute am Zutritt zu der Veranstaltung gehindert werden können.

Rangelei vor der Festhalle

Einer der am Zutritt gehinderten Faschisten schreit plötzlich lautstark, von einem Antifaschisten getreten worden zu sein. Nachdem auch die Polizei dem zunächst keine Beachtung schenkt, versucht sie nach 10 Minuten mit 8 -10 Beamten, den von dem Faschisten Beschuldigten festzunehmen. Dies scheitert jedoch am gemeinsamen Widerstand der Antifaschistinnen.

Folge: Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Körperverletzung

Die Rangelei vor der Festhalle hat Folgen. Manfred Vollack, NPD-Mitglied und gleichzeitig stellvertretender Kreisvorsitzender des Schwarzwald-Baar-Kreises, erhebt Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Körperverletzung. Er bekennt standhaft gegenüber der Polizei: Der Antifaschist habe ihn brutal geschlagen und bewußt getroffen. Er sei als stellvertretender Vorsitzender bei diesen Personen bekannt.

Im Laufe des Ermittlungsverfahrens legt er ein ärztliches Attest vor, nach dem er angeblich 10 Tage wegen dieses Fußtritts stationär im Krankenhaus behandelt wurde. Als Zeugen für den angeblichen Fußtritt benennt Vollack 3 weitere Faschisten, einer davon ist Mike Pfeiffer. Er ist Vorsitzender des NPD- Kreisverbandes Konstanz und am fraglichen Abend Ordner bei der Veranstaltung in Tuttlingen. Er will Stefan 0. als denjenigen erkannt haben, der Vollack den angeblichen Fußtritt verpasst hat.

Polizei bahnt NPD- und DVU-Chefs den Zutritt zur Veranstaltung

Pfeiffers Einlassungen sind jedoch weniger in Bezug auf die konkreten Ereignisse an dem Abend interessant. Sie werfen vielmehr ein Schlaglicht auf die regionale Zusammenarbeit der Faschisten.

Pfeiffer sagt nämlich aus, Vollack vom Konstanzer OB-Wahlkampf her zu kennen. Zum anderen wird die gedeihliche Zusammenarbeit von Polizei und Faschisten aus deren Sicht recht gut charakterisiert: Er (Pfeiffer) habe sich in der Nähe der Polizeikräfte aufgehalten, da seine Aufgabe darin bestanden habe, die Einlaßkontrollen durchzuführen, d.h., den Einlaßkräften zu sagen, wer in die Halle gehen kann und wer nicht.

Wie die Polizei eingesetzt wird, um antifaschistischen Widerstand gegen das Abhalten faschistischer Hetzveranstaltungen zu brechen, dafür waren die Ereignisse dieses Abends ein Paradebeispiel: Ca. 80 Beamte bilden eine Gasse zwischen der Kanzlei von Mußgnug und der Stadthalle. Trotzdem gelangen Mußgnug, Frey und Konsorten nur mit Mühe an den Veranstaltungsort.

Alleine wären sie nie in die Halle gekomrnen, sie wären von den DemonstrantInnen daran gehindert worden.

1000.-DM für einen angablichen Fußtritt

Besagter Herr Mußgnug ist auch Rechtsbeistand von Vollack, womit sich das Bild abrundet.

Gegen Stefan wird ein Strafbefehl in Höhe von DM 1000,- erlassen, weil er angeblich eine gefährliche Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs, nämlich Springerstiefeln mit Stahlkappen, begangen hat.

Er legt Widerspruch gegen diesen Straf befehl ein. Zwei Prozeßtermine, bei denen zur Sache verhandelt werden sollte, sind bis heute geplatzt. Voraussichtlicher Prozeßbeginn ist der Herbst 1990.