linksrhein Quelle: Neues Nebelhorn 03/93
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"Warenkörbe" für Flüchtlinge in Friedrichshafen

Arbeitskreis Asyl erwägt Klage

Der Arbeitskreises Asyl (AK Asyl) protestiert dagegen, daß der Friedrichshafener Oberbürgermeister Bernd Wiedmann drei Monate vor der Oberbürgermeisterwahl den Flüchtlingen in Friedrichshafen die Sozialhilfe nicht mehr bar auszahlen will. Eier AK glaubt nicht, daß nach jahrelang bewährter Praxis, nun ausgerechnet im Oberbürgermeisterwahlkampf auf Naturalienverpflegung umgestellt werden muß. Der Sprecher des AK Asyl Baden-Württemberg, Pfarrer Werner Baumgarten, vermutet: "Wer dies tut, den leiten durchsichtige und egoistische Interessen. Denn alle Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, daß die Verpflegung ausländischer Flüchtlinge aus Großküchen oder mit Naturalpaketen zu großen Schwierigkeiten führt. Weder sind die Großküchen- und Naturalpakete den Eßgewohnheiten ausländischer Flüchtlinge angepaßt noch entsprechen sie der Würde hilfesuchender Menschen. Sie demütigen und entmündigen sie."

Der AK Asyl ist empört, "daß nach dem Schreckensjahr 1992 mit seinen ausländerfeindlichen Attacken und Mordanschlägen ein Oberbürgermeister den Sozialfrieden aufs Spiel setzt und ausländische Flüchtlinge zum Spielball seiner populistischen Wahlkampfstrategie macht." Er weist die unbewiesenen Verdächtigungen Wiedmanns zurück, die Friedrichshafener SozialhilfeempfangerInnen seien Doppel- und Mehrfachkassierer. "Alle vorliegenden Erkenntnisse in Baden-Württemberg widersprechen dieser pauschalen Verdächtigung." Der AK wehrt sich auch gegen unbewiesene Verdächtigungen, ein Großteil der Flüchtlinge arbeite schwarz. Nach alledem was der AK weiß, arbeiten relativ viele Flüchtlinge für niedrige Stundenlöhne. Schließlich weist der AK Asyl die Unterstellung zurück, alle Flüchtlinge in Friedrichshafen seien "Wirtschaftsflüchtlinge". Dazu sagt der Sprecher des AK's "Wer die Bilder aus Sarajewo oder Mogadischu, woher zur Zeit viele Flüchtlinge kommen, auf sich wirken läßt, dem bereiten solche Töne das kalte Gruseln. Noch sind wir ein Rechtsstaat, in dem kein Oberbürgermeister darüber richten kann, ob ein Asylantrag berechtigt ist oder nicht. Diese Entscheidung bleibt unabhängigen Gerichten vorbehalten."

Der AK Asyl läßt nun überprüfen, ob die Äußerungen des Friedrichshafener Oberbürgermeister den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Auch das Argument, eine Verpflegung mit Essenpaketen sei billiger wird vom AK widerlegt. Eine Essenlieferung, die für vier Tage reichen sollte, enthielt Waren im Wert von 25 Mark. Die Stadt Friedrichshafen zahlte dafür aber 43,20

Delf Bucher

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