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Konstanzer Büdnis gegen den Nato-Krieg
Redebeitrag
Demo am 24. April 1999

STOPPT den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien

Am 24. April 1999 rief ein Bündnis von Konstanzer Initiativen zu einer Demonstration gegen den Krieg der NATO gegen Jugoslawien auf. Die Abschlusskundgebung fand auf der Marktstätte statt. Dort hielt Jürgen Geiger vom Konstanzer "Bündnis gegen den NATO Krieg" eine Rede gegen den NATO-Krieg, in dem er die sofortige Einstellung der NATO-Angriffe forderte. An der Demonstration beteiligten sich ca. 250 Menschen

Während wir uns heute versammeln, fallen kaum zwei Flugstunden von hier entfernt Bomben auf Belgrad. Heute wie seit vier Wochen führt die NATO mit Flugzeugen, Raketen, Lenkwaffen und Helikoptern Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Obwohl es aufgrund der als Berichterstattung verkauften NATO-Propaganda schwierig ist, eine objektive Beurteilung der Lage vorzunehmen, ist doch eines inzwischen unübersehbar: Das einmonatige, permanente Bombardement zielt darauf ab, Jugoslawien zu zerstören, "in die Steinzeit" zurückzubomben, wie dies jüngst der US-General Westmoreland bezeichnet hat.

Vor allem seit Beginn der sogenannten zweiten Phase greift die NATO, zeitweise mit über 500 Einsätzen innerhalb von 24 Stunden, zielgerichtet zivile Einrichtungen an. Brücken, Bahnhöfe, Schienenwege, Straßen befinden sich ebenso im Visier der Kampfjets und Lenkwaffen wie Schulen, Krankenhäuser, Radiosender, Energieversorgungsunternehmen und Industriebetriebe.

Während allem Anschein nach die jugoslawische Armee verhältnismäßig wenig beeinträchtigt wurde, ist das Ausmaß der Zerstörung inzwischen enorm. Hunderte, wahrscheinlich tausende Tote und zahllose Verletzte unter der Zivilbevölkerung, zerstörte Städte und Dörfer, vernichtete Arbeitsstätten, Schulen, Krankenhäuser sind aufgrund der pausenlosen Luftschläge zu beklagen. Heute schon sind die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklungsmöglichkeiten auf Jahre hin zerbombt.

Schon allein dieses traurige Ergebnis spricht den vorgeblichen Zielen der Verantwortlichen in Washington, London, Paris und Bonn Hohn. Nur durch den Einsatz militärischer Mittel, hatten sie uns eingehämmert, könne eine "humanitäre Katastrophe" im Kosovo verhindert werden, nur so sei es möglich, die Menschenrechte der Kosovo-Albaner gegen "die Serben" zu verteidigen.

Jetzt ist die Katastrophe da! Sie ist da in Form eines völkerrechts- widrigen und terroristisch geführten Angriffskriegs des Westens.

Doch nicht nur die jugoslawische Zivilbevölkerung hat darunter zu leiden. Wie für jeden auch nur halbwegs über die Situation in der Region informierten Zeitgenossen klar war, hat sich die Lage im Kosovo von der ersten abgefeuerten Rakete an zugespitzt.

Mehr als die Hälfte der Kosovo-Albaner, die man vorgeblich schützen wollte, befinden sich mittlerweile auf der Flucht, die Mehrheit flieht in die benachbarten Ländern Albanien und Mazedonien, deren Infrastruktur deshalb kurz vor dem Zusammenbruch steht. Ähnliches gilt für die serbische Bevölkerung in der Region. Es ist schon eine dreiste Lüge, wenn Schröder, Fischer und Scharping heute immer noch nahezu ununterbrochen behaupten, die Menschen in der Region flöhen vor metzelnenden Serbenhorden.

Tatsächlich ist das Kosovo heute ein Gebiet in dem akute Gefahr für Leib und Leben besteht. Ob diese vom westlichen Bombenhagel ausgeht oder von der Eskalation im Krieg der jugoslawischen Armee mit der UCK, dürfte den Opfern am Ende ziemlich egal sein. Bomben fragen nicht nach Nationalitäten - 67 tote albanische Flüchtlinge, die ins Visier von NATO-Kampfjets geraten sind, legen darüber Zeugnis ab.

Der Konflikt im Kosovo zwischen albanischer und serbischer Bevölkerung besteht seit Jahrhunderten. Er ist nach dem Auseinanderbrechen des Bundesstaates Jugoslawiens, in dem den Albanern weitgehende Autonomieregelungen zugestanden worden waren, wieder aufgebrochen.

Die westlichen Staaten, allen voran Deutschland, sind für die Kriege und Konflikte mitverantwortlich, die seit diesem Auseinanderbrechen den Balkan erschüttern. Sie haben durch die einseitige Unterstützung einiger Teilrepubliken die Situation bewußt verschärft. Die Folge war, daß die Nationalitätenkonflikte, die im Tito-Jugoslawien endlich überwunden schienen, wieder angeheizt wurden. Der Aufschwung chauvinistischer Ideen in Serbien, aber nicht nur in Serbien ist eine direkte Folge davon. In den ethnischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre hat keine Seite saubere Hände behalten.

Daß hierzulande "die Serben" zum entmenschten Hauptfeind, andere Nationalitäten wechselweise zu hilflosen Opfern oder Freiheitskämpfer hochstilisiert werden, sagt mehr über die Motive derer aus, die solche Propagandalügen verbreiten, als über die tatsächliche Lage.

Politische Ansätze, den Konflikt im Kosovo zivil zu lösen, haben den Westen folgerichtig nie interessiert. Albanische Politiker, die in jahrelangem Ringen mit der Zentralregierung in Jugoslawien bemüht waren, zu einer neuen Autonomieregelung zu kommen, stießen bei den westlichen Staaten auf taube Ohren.

Erst als die UCK im Kosovo die ersten Schüsse abfeuerte, begann man sich für die Auseinandersetzung zu interessieren. Von diesem Zeitpunkt an arbeiteten die westlichen Staaten zielstrebig auf einen Militäreinsatz hin: darüber gibt die Chronologie der Ereignisse seit den Konferenzen von Rambouillet (im Februar dieses Jahres) und Paris (im März) Aufschluß.

Bei den Legitmitationsversuchen des Westens für den Krieg spielt bekanntlich die Behauptung eine große Rolle, man habe ja lange mit Milosevic verhandelt, dieser habe jedoch unnachgiebig jeden Kompromiß verweigert.

Nach Bekanntwerden der wochenlang geheimgehaltenen genauen Bestimmungen des militärischen Teils des Rambouillet-Vertrages muß dies ins Reich der Legende verwiesen werden. Deshalb sei ein kurzer Rückblick auf die Ereignisse der jüngsten Zeit gestattet.

Die Balkan-Kontaktgruppe - unter Einschluß Rußlands - verpflichtete die Konfliktparteien in der zweiten Januarhälfte auf Grundregeln für Verhandlungen. Danach sollte über militärische Maßnahmen zur Durchsetzung einer Autonomieregelung erst nach einer grundsätzlchen Vereinbarung verhandelt werden.

Dementsprechend enthielt der Textentwurf der Kontaktgruppe, der zum Auftakt der Rambouillet-Konferenz vorlag, keinen militärischen Implementierungsteil.

Die jugoslawische Regierung unterzeichnete den Entwurf für die Autonomieregelung, auch das ein Fakt, der heute gern verschwiegen wird.

Im Verlauf der Konferenz machte die albanische Seite jedoch deutlich, daß sie, wenn überhaupt, nur ein Abkommen unterzeichne, in dem eine NATO-geführte Implementierungstruppe vorgesehen ist.

Erst daraufhin legten die fünf westlichen Mitglieder der Kontaktgruppe - nun ohne Rußland - den inzwischen bekanntgewordenen sogenannten Annex B vor, der unter anderem eine Stationierung von 28 000 NATO-Soldaten im Kosovo vorsieht, und wie jedermann nachlesen kann, von Jugoslawien nicht mehr und nicht weniger verlangt als die bedingungslose Unterwerfung unter ein Besatzungsregime, das heißt die Kapitulation und die Aufgabe der staatlichen Souveränität.

Von da an bezeichneten die westlichen Staaten den Entwurf über die Autonomie-Regelung und Annex B als "unauflösliches Paket" und stellten die jugoslawische Delegation vor die Alternative: unterzeichnen oder Krieg.

Als sich Jugoslawien, wie nicht anders zu erwarten war, weigerte, dieser Erpressung nachzukommen, hatte man den Vorwand um loszuschlagen. So sieht Konfliktlösung a la NATO aus!

Welches Interesse haben die westlichen Staaten am Krieg gegen Jugoslawien? Daß das Argument, man wolle den Menschenrechten zum Durchbruch verhelfen, vorgeschoben und verlogen ist, zeigt allein die Tatsache, daß dieselben Staaten sich keinen Deut um gravierende Menschenrechtsverletzungen in zahlreichen anderen Staaten kümmern, ja selbst in solche Verbrechen verstrickt sind.

Zu Recht ist dabei immer wieder auf das Beispiel Türkei eingegangen worden, deren Armee in den letzten zehn Jahren zehntausende Kurden umgebracht hat. Dieses faschistische Regime genießt nicht nur die politische und wirtschaftliche Unterstützung derselben NATO-Staaten, die heute angeblich für die Menschenrechte ins Feld ziehen, es bezog auch den Großteil der Waffen, die in den Kurdengebieten zum Einsatz kommen, von diesen Staaten.

Ich will nur noch ein weiteres Beispiel geben, stellvertretend für zahlreiche andere: Eine der grausamsten "ethnischen Säuberungen" und "humanitären Katastrophen", die sich in diesem Jahrhundert auf dem amerikanischen Kontinent abgespielt hat, geschah in den letzten Jahrzehnten, insbesondere in den achtziger Jahren, in Guatemala. Hauptopfer einer der brutalsten staatlichen Schlächtereien waren die guatemaltekischen Indigenas, es gab hundertmal so viele Tote wie im Kosovo und doppelt so viele Vertriebene. Die Täter, ein Militärregime, gehörten zu den engsten Verbündeten der USA, die Mördermilitärs waren von diesen Menschenrechtsfreunden ausgebildet worden, sie erhielten Waffen, Berater, Geld.

Welche wirklichen Gründe gibt es also für den NATO-Krieg?

Nach dem Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten verkündete US-Präsident Bush "'neue Weltordnung". Folgerichtig zimmerte sich die NATO auf der Ratstagung in Rom im 1991 eine neue Strategie: Neben der Verteidigung des Bündnisgebietes sollte die NATO nunmehr auch weltweit zuschlagen dürfen. Nötig sei, den "freien Welthandel" zu schützen und den "Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen" zu sichern, kurzum, überall da mitzumischen, wo die "vitalen Interessen" ihrer Mitglieder bedroht sind.

Diese neue Ordnung ist nichts anderes als das angemaßte Recht der wirtschaftlich mächtigsten Staaten, überall auf der Welt militärisch einzugreifen, wenn es den eigenen militärischen und wirtschaftlichen Interessen dient. In den von Bundesverteidigungsminister Rühe ein Jahr später veröffentlichten "Verteidigungspolitischen Richtlinien" liest sich das so: Ziele von Bundeswehr-Einsätzen seien der "Schutz Deutschlands vor äußerer Gefahr und politischer Erpressung, die Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltordnung."

In der Folgezeit stellte die NATO ihre Armeen auf globale "Reaktionsfähigkeit" um. Die Feuertaufe erfolgte im Irak und in Bosnien, wobei der Kriegspakt allerdings noch vorgab, im Auftrag und im Interesse der UNO Frieden zu stiften. Solche kleinlichen Rücksichten werden seit der Bombardierung Jugoslawiens nicht mehr genommen, wo man sich die Lizenz zum Töten kurzerhand selbst ausgestellt hat.

Jugoslawien steht den ökonomischen und militärischen Interessen der mächtigsten NATO-Staaten entgegen, weil es auf ein bestimmtes Maß an Unabhängigkeit vom Westen besteht und sich nicht wie andere Teilrepubliken kurzerhand kaufen lassen will. Dabei hat das Land das Pech, in einer strategisch wichtigen Gegend zu liegen. Es geht für den Westen unter anderem um freien Zugang zu den reichen Ölvorkommen in Südosteuropa und Asien. Insbesondere für Deutschland geht es auch um die weitere ökonomische Infiltration des Balkan.

Darüber hinaus sollte aber nicht vergessen werden, daß so ein Krieg zum einen glänzende Geschäftsaussichten für die Rüstungsindustrie in den beteiligten Staaten bietet, und zum anderen Ruhe an der Heimatfront schafft. Wer spricht denn heute noch über das Problem der Arbeitslosigkeit...

Mit zwei Weltkriegen hatte Deutschland unsägliches Leid über die Welt gebracht. Heute führt es, zusammen mit den anderen NATO-Mächten, zum dritten Mal in diesem Jahrhundert einen Angriffskrieg. Damit haben die Verantwortlichen nicht nur, wie auch die anderen NATO-Staaten, das Völkerrecht gebrochen. Sie haben gleichzeitig den Nachkriegskonsens zerstört, nachdem niemals wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen soll.

Dieser Konsens findet seinen Niederschlag in zahlreichen Regelungen, Gesetzen, vor allem jedoch in der Verfassung. In Artikel 26 Grundgesetz heißt es:

"Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen."

Zahlreiche Bürger haben inzwischen Strafanzeige gegen die Bundesregierung wegen des von ihr begangenen Bruchs der Verfassung gestellt. Auch wenn der Generalbundesanwalt diese Anzeigen pauschal vom Tisch gewischt hat: die Bundesregierung hat den Boden der Verfassung verlassen. Mit dem Verfassungsbruch und der Nichtbeachtung zahlreicher anderer Gesetze haben sich die Verantwortliche" bereits tief in Verbrechen verstrickt.

Dabei kann man sich angesichts bestimmter Reaktionen von Scharping und Co des Eindrucks nicht erwehren, daß sie den Angriffskrieg inzwischen auch zur Selbstrechtfertigung fortsetzen.

Nach mehr als vier Wochen Krieg ist nur eines klar: Keine Lösung auch nur eines der zahlreichen Probleme dieses Konflikts ist erkennbar. Ganz offensichtlich hat sich die Lage seit dem Beginn des NATO-Angriffskriegs auf Jugoslawien überall verschlechtert: Die Zahl der Flüchtlinge nimmt ebenso rasant zu wie die der Getöteten und Verletzten; ganze Städte und Regionen liegen in Schutt und Asche; es wächst nicht zuletzt auch der Haß zwischen den Beteiligten. Jeder weitere Tag, an dem gekämpft wird, macht die Aussichten auf eine friedliche Regelung unwahrscheinlicher.

Mit diesem Wahnsinn muß Schluß gemacht werden! Sofort!

Die NATO muß ihren völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien sofort einstellen!

Die deutsche Regierung muß auf den Boden der Verfassung zurückkehren und sofort alle Truppen und Waffen abziehen!

Die an der NATO-Aggression beteiligten Staaten müssen umgehend ausreichende Mittel bereitstellen, um das durch den Krieg verschärfte Flüchtlingselend zu lindern!

Unter der Hoheit der Vereinten Nationen müssen direkte, unmittelbare Friedensverhandlungen zwischen den Konfliktparteien aufgenommen werden. Ziel muß ein für alle Beteiligten tragbarer Kompromiß auf Basis der UN-Charta sein, dessen Umsetzung die Vereinten Nationen auf eine vom UN-Sicherheitsrat zu beschließende Art und Weise sicherzustellen jst. Die NATO hat dort nichts mehr zu suchen - sie ist Kriegspartei.

Wir wenden uns von dieser Stelle aus auch an den jugoslawischen Staat und fordern ihn auf, daß er die durch den NATO-Krieg unterbrochenen Verhandlungen mit der albanischen Bevölkerung um eine Autonomieregelung fortsetzt, mit dem Ziel eine Lösung zu finden, die geeignet ist, die großen ökonomischen und sozialen Probleme in der Region zu lösen und damit die Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen schafft.

Der albanischen Bevölkerung sagen wir: Sie werden von ihrer angeblichen "Schutzmacht" grausam mißbraucht. Die NATO-Staaten, die andernorts die größten Menschenrechtsverbrechen nicht nur dulden, sondern daran beteiligt sind, haben sie zum Spielball ihrer Machtinteressen gemacht. Wie immer der Krieg auch ausgeht: Die Kosovo-Albaner werden zu den größten Verlierern zählen. Deshalb löst euch aus dieser tödlichen Umklammerung.

Krieg verhindert keine humanitäre Katastrophe - er ist die Katastrophe!


[LinksRhein]  [Seeseiten]  Christof Mainberger, 24. 4.99