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letzte Änderung: 21/11/02 11:59

Antifa

Er glaubte an die Einheit der Linksparteien

21.11.2002, 11:59, Südkurier

Vor 100 Jahren wurde der Konstanzer Rechtsanwalt, NS-Gegner und kurzzeitige Minister Hans Venedey geboren



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Konstanzer Anwalt, Sozialist, kurzzeitiger hessischer Innenminister und Gegner der Remilitarisierung der Bundesrepublik: Hans Venedey (1902-1969)

Er kämpfte gegen die reaktionären Totengräber der Weimarer Republik ebenso wie gegen das Terrorregime der Nationalsozialisten und die Wiederbewaffnungspläne der demokratischen Regierung Konrad Adenauers. Seine große Vision war die Vereinigung von SPD und Kommunistischer Partei zum Schutz der Demokratie. Nach dem letztmaligen Scheitern dieser Option in der unmittelbaren Nachkriegszeit war seine politische Karriere beendet. Heute vor 100 Jahren wurde der Konstanzer Rechtsanwalt, Stadtrat und kurzzeitige hessische Innenminister Hans Venedey geboren.

Sein Vater, der Rechtsanwalt Martin Venedey, saß 1891 bis 1921 als Abgeordneter der Demokraten im badischen Landtag. Großvater Jakob gehörte 1848 dem Frankfurter Paulskirchenparlament an, dem ersten Versuch, eine gesamtdeutsche demokratische Volksvertretung zu etablieren.

Solche Familientraditionen prägen. Hans Venedey studierte Jura wie Vater und Großvater, doch politisch verließ er als 26-Jähriger die bürgerlich-republikanischen Pfade der Familie und schloss sich der SPD an. Als er auch dem sozialdemokratischen Schutzbund "Reichsbanner Schwarz Rot Gold" beitrat, forderte ihn seine studentische Burschenschaft auf, sichzwischen beiden zu entscheiden. Venedey entschied gegen die antidemokratische Burschenschaft.

Drei Jahre vor Beginn der NS-Diktatur wurde der junge Jurist in den Konstanzer Stadtrat gewählt. Gemeinsam mit französischen Pazifisten organisierte er unter dem Dach der "Deutschen Friedensgesellschaft" im Konstanzer Konzil einen Friedenskongress.

Die bereits zahlreichen Nationalsozialisten der Stadt protestierten lautstark gegen die Konferenz. Venedey vertrat eine Auffassung, die schon damals in beiden Parteien mehrheitlich abgelehnt wurde: Sozialdemokratie und Kommunisten dürften sich nicht länger gegenseitig bekämpfen, müssten eine gemeinsame linke Volksfront gegen den Nationalsozialismus bilden.

Nach dem 30. Januar 1933 wurde es für den Sozialisten gefährlich im Heimatland. Kurzzeitig landete er in willkürlicher "Schutzhaft", kam frei, wurde vor neuer Verhaftung gewarnt und floh in letzter Minute über die Schweizer Grenze. Sein Bruder Hermann, Lehrer an der Zeppelin-Oberrealschule, folgte nach, nachdem er sich geweigert hatte, unter der Hakenkreuzflagge zu unterrichten.

Für die Brüder begann das materiell gefährdete, bedrückte Leben in der Emigration. Hans Venedey ging nach Frankreich, heiratete die Schweizerin Leni Frei und arbeitete für Flüchtlingsorganisationen, die Schiffspassagen für jüdische Verfolgte organisierten. Nach Kriegsbeginn wurde er interniert, floh nach Lyon, entkam 1942 der Gestapo in die Schweiz, arbeitete dort in der Gruppe "Freies Deutschland" und wurde als deutscher Linker wieder interniert.

Im Sommer 1945 nach Deutschland zurückgekehrt, wurde der unbelastete, durch seine politische Arbeit im Exil profilierte Venedey von der amerikanischen Militärregierung zum hessischen Innenminister ernannt. In dieser Funktion beteiligte er sich an den Beratungen zu einer hessischen Landesverfassung.

Erneut machte sich Venedey im politischen Tagesgeschäft dafür stark, SPD und KPD zu vereinen. Erste strategische Allianzen wurden geknüpft. Doch der strikt auf Westkurs eingeschworene SPD-Parteivorsitzende Kurt Schumacher vereitelte weitere Aktionen in dieser Richtung: Der Zentralvorstand der SPD und die Parteiorganisation in Groß-Hessen schlossen Hans Venedey aus der Partei aus. "Wir sehen einen Feind in ihm", urteilte Kurt Schumacher in einem Brief vom Mai 1946 an den amerikanischen Besatzungsgouverneur General Clay und gab Venedey damit preis. Dessen parteipolitische Karriere im antikommunistisch eingestellten Westdeutschland war damit beendet. Er legte sein Ministeramt nieder und kehrte in seine Heimatstadt zurück.

Die folgenden zwei Jahrzehnte arbeitete er als Anwalt, vertrat jüdische Bürger in ihren Restitutionsansprüchen ebenso wie belastete NS-Parteigänger in den Entnazifizierungsverfahren und trat als Strafverteidiger hervor.

In den frühen 50er-Jahren engagierte er sich öffentlich gegen die Remilitarisierung der Bundesrepublik, weshalb das Landesamt für Wiedergutmachung die Rückzahlung der Haftentschädigung forderte, die er wegen der Inhaftierung im Nationalsozialismus erhalten hatte. Mit seinen Auftritten gegen die Wiederbewaffnung habe er die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik aktiv bekämpft, lautete die absurde Begründung.

Ungerührt von solcher Repression nahm Hans Venedey weiterhin an politischen Ostermärschen teil und gab sich ungebrochen. Doch zuletzt sei er ein "resignierter Beobachter der politischen Verhältnisse" gewesen, wie sein Sohn Walter rückblickend schreibt. Am 6. Januar 1969 ist Hans Venedey 67-jährig in seiner Heimatstadt gestorben. Sein Sohn setzt die Anwaltstradition der Familie in Berlin fort - in Sozietät übrigens mit dem prominenten PDS-Politiker und Anwalt Gregor Gysi.

Tobias Engelsing, Südkurier 21.11.02