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letzte Änderung: 18/11/02 23:56
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Gender
Villa Courage gibt auf
18.11.2002, 23:56, junge welt
Freiburg: Frauenflüchtlingshaus muß wegen fehlender öffentlicher Unterstützung dichtmachen
Villa Courage – der Name des vor zwölf Jahren in Freiburg gegründeten bundesweit ersten Frauenflüchtlingshauses der Republik war Programm: »Unser zentrales Ziel war es, das Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl der Migrantinnen zu stärken, ihren passiven Opferstatus zu überwinden und die Frauen wirklich und wirksam aus ihren Abhängigkeitsverhältnissen zu befreien«, erklärt Nelida Enciso de Monzel, die langjährige Leiterin der Einrichtung, gegenüber junge Welt. Auch politisch habe man sich engagiert, beispielsweise ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für ausländische Ehefrauen gefordert.
Nun steht das Projekt vor dem Aus. »Nicht, weil es keinen Bedarf mehr an einer solchen Zufluchtsstätte gibt, sondern weil wir keine Wege mehr gefunden haben, sie zu finanzieren«, sagt Enciso de Monzel. »Nachdem alle unsere Bemühungen, das Grundstück zu kaufen, gescheitert sind, alle unsere Anträge auf zumindest minimale regelmäßige Zuschüsse abgelehnt und die Spenden immer weniger wurden, konnten und wollten wir so nicht mehr weitermachen«. Für die Zentrale Informationsstelle für Autonome Frauenhäuser (ZIF) ist die Schließung der Villa Courage schlicht eine »Katastrophe«. »Das ist ein Riesenverlust, für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen entsteht eine große Lücke«, klagt ZIF-Mitarberin Erika Kienzler.
1990 hatte der Freiburger Verein Villa Courage auf Initiative von terre des femmes das Haus im Freiburger Umland gegründet, um ausländischen Frauen und Kindern in extremen Notsituationen einen Zufluchtsort zu bieten, der sie vor körperlicher und sexueller Gewalt seitens ihrer Ehemänner, Väter oder Verwandten schützt. Im Zentrum der Arbeit stand neben Maßnahmen zur Lösung konkreter Notsituationen die »Hilfe zur Selbsthilfe«. Die Berliner »Stiftung Umverteilen« hatte das Haus auf Erbpachtbasis zur Verfügung gestellt. 1992 zog erstmals eine Migrantin mit ihren Kindern in das Frauenflüchtlingshaus ein, das Platz für 30 Frauen und Kinder bot. Seitdem haben über 350 Frauen und rund 500 Kinder in der Villa Courage Zuflucht gefunden.
Daß die Villa nun schließen muß, lastet der Verein vor allem der Stadt und dem Landkreis an, die das Haus nicht fördern wollten. »Unsere Arbeit wurde zwar verbal anerkannt, die Finanzierung wurde aber mit dem Argument des angeblich fehlenden Bedarfs abgelehnt«, kritisieren die Bewohnerinnen. »Und dies in einer Zeit, wo die Regierenden zu mehr Eingreifen gegen rechte Gewalt und für ein Engagement für ausländische und jüdische Menschen aufrufen.« Die laufenden Kosten beliefen sich auf rund 30 000 Euro, rund 6500 Euro mußten jährlich für den Pachtzins aufgebracht werden, 10 000 Euro betrugen die jährlichen Unterhaltskosten für Frauen und Kinder ohne Aufenthaltserlaubnis. Außerdem lastete eine Darlehenschuld von 200 000 Euro auf der Villa, die größtenteils aus der Aufbauphase des Projekts stammte. Immerhin soll die Anlauf- und Beratungsstelle der Villa Courage in Freiburg vorerst bestehen bleiben. »Wir hoffen, daß das Geld für die Miete und die anfallenden Kosten ausreicht«, sagt Enciso de Monzel.
Martin Höxtermann
junge welt 19.11.02