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Rasthaus vorläufig gekippt

26.09.2002, 18:57, Rasthaus

Asyl | Freiburg | Grenzregime | Festung Europa | Rasthaus

Der Gemeinderat der Stadt Freiburg hatte am 24.09.02 über das Projekt 'rasthaus' zu entscheiden. Er hat dies mit der überwiegenden Mehrheit der Gemeinderätinnen und -räte abgelehnt. Das Projekt ist damit allerdings nicht gescheitert, sondern wird weiter vorangetrieben.


[update 26.12.02] Aktionsbericht: ein Rasthaus für Menschen ohne Papiere - Teil 2 Radio Dreyeckland 17.12.02

Kurz zur Vorgeschichte:

Der 'förderverein rasthaus' hatte -nach seiner Gründung im Rahmen der Initiative "kein mensch ist illegal"- 1998 einen offiziellen Kaufantrag an die Stadt Freiburg gestellt. Dieser beinhaltete, ein ehemaliges Kasernengebäude zu kaufen, das bis zum August 02 noch als Abschiebelager für das Land Baden-Württemberg genutzt wurde. Nach der Auflösung dieses Lagers fiel das Gelände (mit insgesamt noch 5 Gebäuden) zurück an die Stadt Freiburg. Die notwendige Verwendung dieser Gebäude stand jetzt auf der Tagesordnung. Das Haus sollte als Herberge und Rastplatz für Menschen gelten, die Aufenthaltsprobleme haben.

Das Gelände, auf dem die ehemaligen Kasernengebäude stehen, wird innerhalb der Stadt und nach aussen inzwischen als Modell-Stadtteil dargestellt: eine Mischung aus Eigenheimen, jungen Familien, integriertem Wohnen, Alternativ- und Studentinnen-Siedlung. Das Gelände mit seinen vielen NeubewohnerInnen (fast 50 % Votum für die Grünen) hatte sich für die Einrichtung des 'rasthaus' in 'ihrem' Stadtteil ausgesprochen. Weitere Organisationen wie pax christi, das Friedensforum, terre des hommes, das Diakonische Werk, der Kulturrat etc. hatten sich in den letzten Wochen für die Einrichtung einer Anlaufstelle ausgesprochen, bei der keine Fragen nach Aufenthaltsstatus gestellt werden. Die meisten Schritte von rasthaus wurden in den letzten Jahren von ausführlicher Pressearbeit begleitet. Ebenso gab es Berichte zu vergleichbaren Projekten, z.b. in Italien oder Mexico.

Die Stadt Freiburg hatte sich vier Jahre lang verleugnen lassen. Es gab weder eine Rückmeldung auf das Kaufangebot noch eine Möglichkeit zur Besichtigung des Geländes. Das Problem der 'Illegalisierten' sollte wegdefiniert werden; man vermute es eher in den Großstädten, nicht aber in der Provinz. Man wollte das Problem aussitzen und der Initiative den Atem nehmen.

Als der Förderverein vor einem Jahr eine Mini-Version von 'rasthaus' eröffnete, stellte sich heraus, dass die Absicht des Tot-Schweigens wohl nicht aufgehen konnte. Positiv entwickelte sich unerwartet auch die Kandidaten-Kür zur Oberbürgermeisterwahl der Stadt im Frühjahr 02. Es gab niemand der drei Kandidaten und einen Kandidatin, die sich gegen 'rasthaus' aussprachen. Auch der Sieger aus dieser Kür, der Grüne Salomon, hatte sich ausdrücklich in der Öffentlichkeit für 'rasthaus' eingesetzt. Die Chancen waren also recht günstig.

Einen Tag nach der Oberbürgermeisterwahl meldete sich allerdings die Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Freiburg zu Wort. Sie erkannten - sollte 'rasthaus' Wirklichkeit werden - die Einrichtung eines "rechtsfreien Raums", insbesondere auch, da die sie tragenden Initiativen in den letzten Jahren "mit fundamental orientierter Kritik ihren Widerstand gegen die staatliche Flüchtlingspolitik in der D6ffentlichkeit zum Ausdruck gebracht haben." Die Stadt würde sich mit einer Zustimmung zum Verkauf des Hauses an die Initiative strafbar machen, polizeiliche Maßnahmen würden "erheblich erschwert", ein "permanenter Konfliktherd geschaffen". Die Stadt Freiburg solle diese Aspekte in ihren Entscheidungsprozess einbeziehen.

Folglich erarbeitete die Stadt Freiburg eine Vorlage, in der 'rasthaus' aus (finanziellen und) rechtlichen Erwägungen abgelehnt wurde. Die finanziellen Erwägungen waren recht eigenartig: vom 'rasthaus' lag ein ausreichendes Preisangebot vor. Blieben die rechtlichen 'Argumente'. Da die Ansichten der Stadt hierzu recht dürftig waren, es gab zunächst nicht einmal eine rechtliche Darstellung, konnte im Gegenzug z.b. auf die Institution des Kirchenasyls, die Fixerstuben oder die sogen. Baby-klappe Bezug genommen werden, mit denen auch rechtliches Neuland betreten wurde. Nicht zuletzt hätte auch die Erkenntnis der Süßmuth-Kommission hilfreich sein können, wenn der Wille zur Änderung bestanden hätte.

Auch der Bezug auf die Deklaration Freiburgs als "Offene Stadt" hätte der Stadt gut anstehen können. Seit 2 Jahren tritt die Stadt gegen "Fremdenhass und Rassenwahn" ein und hat damit vor einer Woche erfolgreich Front gemacht gegen eine NPD-Demonstration mit mehr als 15.000 Leuten auf der Strasse.

In der Debatte im Gemeinderat am 24.9.02 war von derartigen guten Beschlüssen aber keine Rede mehr. Allenfalls eine Minderheit erkannte, dass dem Problem nicht mit rechtlichen Kommentaren und leeren Worten beizukommen ist. Eine 'grosse Koalition' aus der Mehrheit der Grünen, der SPD und CDU war sich einig, dass die Stadt sich bereits mit dem Verkauf des Hauses an 'rasthaus' strafbar machen würde (§ 76, 92 a). Im übrigen fürchtet man das Einschreiten der Landesbehörde.

Letztlich waren 5 Gemeinderäte für 'rasthaus', 4 enthielten sich der Stimme, 36 waren dagegen. Die Konsequenz: der Kaufantrag verschwindet im ReiDFwolf, das Haus wird nunmehr abgerissen. Die anderen vier Gebäude (s.o.) wurden in der gleichen Sitzung mit sehr strikten Bedingungen an soziale Initiativen vergeben; dazu gehören Sozialwohnungen, Jugendzentrum resp. Kindergarten.

Die Initiative 'rasthaus' konnte sich dieses Ergebnis lange vorher ausrechnen. Trotzdem war die öffentliche Thematisierung in dieser Richtung ein notwendiger Schritt, um die Sensibilität für das Problem auf der regionalen Ebene deutlicher zu machen. Geplant sind nun ein öffentliches Hearing, welches Teile der Grünen mit einem Teil der Wohlfahrtsverbände veranstalten wollen. Die Stadt Freiburg soll einen Bericht zur Lage der 'Illegalen' abgeben (den sie aus eigener Unkenntnis vermutlich nicht beisteuern können), im Rahmen ihres Berichts zur Lage der Flüchtlinge (für den Oktober geplant). 'rasthaus' wird sich auf dem Immobilienmarkt umschauen, damit die Stadt ihr eigenes oder von der Landesbehörde definiertes "rechtliche Problem" nicht als Sperre aufrecht erhalten kann.



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