Gegen Grenzen: Demonstration in Zürich
12.08.2002, 15:07, indymedia schweiz
Grenzregime
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Kundgebung gegen die herrschende Migrationspolitik und für eine Gesellschaft ohne Ausschaffungs- und andere Gefängnisse. Freitag 16. August 02; 18:30 Uhr; Hechtplatz Zürich
No Border ist ein internationales Netzwerk, das für die Rechte von MigrantInnen eintritt. Seit einigen Jahren werden in der ganzen Welt Grenzcamps organisiert. Mit dieser Aktionsform setzen sich die No-Border-AktivistInnen für die Bewegungsfreiheit aller Menschen ein.
- Tarifa in Südspanien, wo eine unbekannte Anzahl Flüchtlinge aus Afrika beim Versuch, die Gibraltarenge und die abgeschottete europäische Aussengrenze zu überwinden, scheitert und stirbt.
- Die ostdeutsche Aussengrenze, wo jährlich über 500 Tote zu beklagen sind. [das ist in der Größenordnung falsch, LinksRhein]
- Und das australische Flüchtlingslager in Woomera.
Das sind nur einige Orte, wo jeden Sommer für die Rechte von Flüchtlingen, Sans-Papiers (illegalisierte ImmigrantInnen) und MigrantInnen demonstriert wird.
Verhaftung in Strasbourg
Vom 19. bis zum 28. Juli trafen sich circa zweitausend AntikapitalistInnen, AntirassistInnen und selbstorganisierte MigrantInnen aus ganz Europa zu einem internationalen Grenzcamp im französischen Strasbourg unter dem Motto "No Border - No Nation". Schwerpunkte dieses Camps waren Migration, Globalisierung und der Kampf der Sans-Papiers. Im Laufe einer Demonstration gegen die Abschiebepolitik der EU am 24.07.02 wurden 20 Menschen verhaftet und durch den übermässigen Einsatz von Tränengas, Gummischrot und Knüppeln zum Teil schwer verletzt.
Gegen Ende der Demo wurde der 23-jährige, in Paris lebende Ahmed verhaftet. Er wurde von einer Tränengaspetarde mitten ins Gesicht getroffen, kurz später mit unglaublicher Brutalität von Polizisten zu Boden gezerrt und mit Handschellen 20 Meter bis zum Polizeiauto geschleift. Ahmed ist nach wie vor in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Prozess am 21. August. Ihm drohen drei Jahre Gefängnis, da man ihm vorwirft, einen Polizisten beleidigt, geschlagen und ihm die Hand gebrochen zu haben.
Der zuständige Préfet von Strassburg verbot infolge der Ereignisse dieses Tages alle weiteren Kundgebungen und Demonstrationen der TeilnehmerInnen des No-Border-Camps. Nachdem bereits Globalisierungsgegner kriminalisiert wurden, besteht nun die Gefahr, dass mit EU-kritischen und No-Border AktivistInnen dasselbe geschieht. An Ahmed soll ein Exempel statuiert werden, um andere abzuschrecken. Deshalb ist sein Prozess ein Kampf um die Meinungs- und Bewegungsfreiheit von uns allen. Doch es ist ebenso wichtig, Ahmed persönlich und finanziell zu unterstützen. Öffentlicher Druck könnte dazu führen, dass in seinem Prozess milder entschieden wird.
Hier die Adresse von Ahmed in Strasbourg. Er freut sich über Post - am Besten in französisch, englisch geht aber auch:
Ahmed Menguini
6 rue engelman
67 035 STRASBOURG
FRANCE
Schengen und Strasbourg
Im luxemburgischen Schengen ratifizierten die europäischen Staaten bilaterale Verträge, die eine schrittweise Abschaffung der Grenzkontrollen in die Wege leiteten. Mit der Begründung, das nun entstandene Sicherheitsdefizit der einzelnen Staaten zu vermindern, wurde 1995 das SIS (Schengener Informationssystem) in Betrieb genommen. Dessen Zentrale - der grösste
europäische Polizeicomputer - befindet sich in Strasbourg.
Jedes Land besitzt ein eigenes SI-System - so genannte SIRENEBüros - wo national zur Fahndung ausgeschriebene Personen oder Sachen eingegeben werden. Über die Zentrale können ohne zeitliche Verzögerungen die Informationen aller angeschlossenen Länder abgefragt werden. Zugang zu den über 10 Mio. gespeicherten Daten haben Grenz- und Zollbehörden, inländische Polizei- sowie Ausländerbehörden und konsularische Stellen, die für die Ausgabe von Visa zuständig sind.
In Strasbourg sind ca. 2 Mio. personenbezogene Daten gespeichert. Obwohl das System mit dem Kampf gegen organisiertes Verbrechen legitimiert wird, beziehen sich nur 1% der Daten auf wegen Kriminaldelikten Gesuchte. 80 - 90 % der Daten betreffen Nicht-EU-Angehörige, welche zur Ausschaffung oder zur Zurückweisung an den Grenzen ausgeschrieben sind.
Im Zusammenhang mit dem Dubliner Abkommen werden die Fingerabdrücke aller Flüchtlinge, die in einem EU-Land Asyl suchen, zentral gespeichert, um zu verhindern, dass in einem anderen Land ein weiterer Antrag gestellt werden kann.
In einigen Ländern ist die Anzahl der Asylgesuche bereits zurückgegangen, da bei einer Ablehnungsquote von 50 - 70 % viele den direkten Weg in die Illegalität vorziehen. Sie vergrössern das Heer von unterbezahlten, leicht ausbeutbaren Sans-Papiers. Mit einem System wie dem SIS lässt sich dieses Heer nach Bedarf steuern.
Schengen und die Schweiz
Die Schweiz ist noch kein Schengenmitglied, befindet sich jedoch in Verhandlungen mit der EU. Allen voran kämpft Ruth Metzler - Vorsteherin des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements - um eine schnelle Aufnahme, damit die Schweiz nicht zum Asylausweichland wird.
Da die Aufnahme wegen dem Widerstand seitens der Kantone, der SVP und der Bevölkerung noch längere Zeit dauern wird, hat die Schweizer Regierung separate Verträge mit den Anrainerstaaten geschlossen. Die Abkommen mit Deutschland und Österreich gehen weit über die Schengener Bestimmungen hinaus. Sie beinhalten "grenzüberschreitende polizeiliche Massnahmen" wie Verfolgung, Observation und Verhaftung in öffentlichen Räumen sowie gegenseitige Amtshilfe (z.B. Weitergabe von Fingerabdrücken). Es sind keine zeitlichen oder örtlichen Grenzen bestimmt.
Die in der Schweiz laufenden asyl- und ausländerrechtlichen Änderungen zielen auf eine Integration in Schengen ab. Einschätzungen betreffend An- oder Aberkennung des F-Status für vorläufig Aufgenommene sowie Entscheidungen, wann ein Land sicher genug für eine Rückkehr ist, orientieren sich in der Schweiz bereits an der EU-Asylpolitik.
Ein weiteres Beispiel ist das neue Ausländergesetz (AuG), welches diesen Herbst in Kraft tritt. Es gilt nur noch für Drittstaatenangehörige, da seit 1998 für EU-Bürger ein separates Gesetz existiert.
Das neue AuG schränkt die Möglichkeit, eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten, drastisch ein. Wer keine Niederlassungsbewilligung C besitzt, wird in Zukunft jederzeit mit einer fadenscheinigen Begründung die Bewilligung entzogen werden können. Nicht nur die illegale Einreise ist strafbar. Neu wird auch die illegale Ausreise geahndet. Dies wird auch auf Umsteigende am Flughafen angewandt werden. Auch private Fluchthelfer werden verfolgt. (Bisher galt dies nur für organisierte Schlepper.) Dieser Punkt kann nur im Zusammenhang mit den Forderungen der EU betrachtet werden.
Schengen und die Zukunft
Die Schweiz ist nicht das einzige Land, das Anschluss an Schengen sucht. Die USA, Kanada und einige andere haben ebenfalls angefragt. Ein weiterer Ausbau des SIS soll es er-möglichen, beliebig neue Länder zu ernetzen. Damit wäre der Weg zu einer globalen Polizeifahndung offen.
Auch das Spektrum der Datenerfassung wird erweitert. Es wird Datenbanken für abgelaufene Visa, Demonstranten, Fussball-Hooligans und Terroristen geben. Visumspflichtige Besucher müssen in Zukunft bei ihrer Abreise darauf bestehen, dass ihre Ausreise im System erfasst wird, damit ihnen beim nächsten Besuch die Einreise nicht verweigert wird. Binnengrenzen können beliebig wieder kontrolliert werden, um z.B. unliebsame AktivistInnen von der Teilnahme an Protestveranstaltungen abzuhalten.
Bewegung zur Unterstützung der Papierlosen Zürich, Sans Papiers Kollektiv Bern, Knastcafé Gittersäge, Anarchophobia? Revolutionäre Jugend Zug, 1.-Mai-Komitee, Büro gegen finstere Zeiten, Blaue Hilfe,
No Nation - No Border - Fight Law And Order
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