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letzte Änderung: 25/06/02 14:48

AKW

Überregionales Treffen gegen Atomendlager in Benken

25.06.2002, 14:29, Südkurier, BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein

Am Samstag, den 29. Juni findet das zweite überregionale Treffen zum atomaren Endlager in Benken von 15 - 18 Uhr in Gottmadingen im AWO-Café, Hauptstraße 62, statt. Privatpersonen, Bürgerinitiativen und Vereine von dies- und jenseits der Grenze wollen weitere gemeinsame Aktionen gegen ein atomares Endlager am Hochrhein planen.



Atomarer R(h)einfall?
Gorleben am Hochrhein

Der weltbekannte Rheinfall bei Schaffhausen entstand vor ca. 14 000 - 17 000 Jahren während der letzten Eiszeit. Im kleinen Schweizer Dorf Benken, direkt am Rheinfall gelegen, könnte das Schweizer Endlager für hochradioaktiven Atommüll entstehen. Dieses Lager soll die gefährlichsten Gifte der Menschheit für viele hunderttausend Jahre sicher aufbewahren. Die Frage der Sicherheit oder Unsicherheit eines solchen Atommülllagers betrifft nicht nur die Anwohner in einem kleinen Radius um den Rheinfall, sondern alle Menschen der Region und insbesondere die vielen Millionen Menschen in der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Belgien und Holland, die ihr Trinkwasser aus dem Uferfiltrat des Rheins beziehen.

Woher kommt der hochradioaktive Atommüll?

Hochradioaktiver Müll entsteht insbesondere in Atomkraftwerken. Wenn man den bisherigen Angaben der Nationalen Genossenschaft zur Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA) glauben kann, soll hauptsächlich der Müll aus den 5 Schweizer AKWs ins Endlager. Die Brennelemente der Atomanlagen wurden bisher in Cap la Hague und Sellafield "wiederaufbereitet". Zusätzlich zu den gefährlichen Atomtransporten kam es in den dortigen Wiederaufarbeitungsanlagen zu einer radioaktiven Vergiftung des Meeres und der Luft. Der dort anfallende, stark radioaktive Müll kommt jetzt in ein grosses Zwischenlager in Würenlingen. Dort muss er zumindest 40 Jahre abkühlen, bevor er auch nur annähernd "endlagerfähig" ist. Da die "legale" Meeresvergiftung in den Wiederaufarbeitungsanlagen immer mehr auf Widerstand stösst und da die Aufarbeitung immer teuer wird, sollen in Zukunft auch die Brennstäbe nach einer Zwischenlagerung direkt endgelagert werden.

Wieviel Atommüll soll ins Endlager?

Im Jahr 2001 hat der BUND einige Fragen an die NAGRA gestellt. Es ging um die zentralen Fragen, die in den Hochglanzprospekten der NAGRA nicht behandelt werden. Wir stellten Fragen nach der chemischen Zusammensetzung der Abfälle, der geplanten Dauer der Endlagerung und der Quantität der Abfälle. Die einzige konkrete Antwort war, dass 130 m³ hochradioaktive Abfälle und 4800 m³ Brennelemente ins Endlager sollen. Über die Zusammensetzung, die Gefährlichkeit und die Halbwertszeiten der Abfälle wollte die Nagra noch nichts sagen. Eine ehrliche, umfassende Antwort passt nicht ins psychologisch geschickte Durchsetzungskonzept der Atomindustrie.

Wie gefährlich ist Atommüll?

In einem AKW entsteht in einem Jahr pro Megawatt Leistung ca. die kurz- und langlebige Radioaktivität einer Hiroshimabombe. Das heisst, allein im AKW Leibstadt entsteht die Radioaktivität von ca. 1100 Hiroshimabomben. Ein Teil dieser Radioaktivität zerfällt nach relativ kurzer Zeit. Manche radioaktiven Abfälle zerfallen in wenigen Jahren z.B. Krypton-85: 10,76 Jahre. Andere radioaktive Gifte haben extrem lange Halbwertszeiten z.B. Jod-129: 17 000 000 Jahre. Ins Endlager kommt ein "Cocktail" aus vielen gefährlichen Abfallstoffen. Ein atomares Endlager muss also Sicherheit über viele Halbwertszeiten geben, über Zeiträume , die unser Vorstellungsvermögen sprengen. Es fällt schwer, die Gefahren und Gefährdungszeiträume von Atommüll zu denken.

Das Beispiel Plutonium

Beim Betrieb eines AKW mit 1000 MW Leistung entstehen pro Jahr ca. 200 - 250 kg Plutonium. Der giftigste Stoff der Welt

Plutonium - sinnigerweise benannt nach Pluto, dem griechischen Gott des Totenreiches - ist der giftigste Stoff, den es gibt. Seine kurzreichende Alpha-Strahlung reißt gewissermassen tiefe Schneisen in jedes lebende Gewebe und zerstört es. Dabei kann es nur schwer oder gar nicht ausgeschieden werden, es setzt sich fest, reichert sich sogar an, die Strahlung ist bei einer Halbwertszeit von 24 000 Jahren faktisch dauerhaft vorhanden. Bereits wenige Millionstel Mikrogramm können sofort, sogar nur etliche Milliardstel Gramm (Nanogramm) langfristig tödlich wirken..... (Frankfurter Rundschau)

Plutonium und der Pharao

Wenn der bekannte ägyptische Pharao Cheops vor 4550 Jahren nicht die berühmte Pyramide gebaut, sondern ein AKW 4 Jahre lang betrieben hätte, dann wären neben vielen anderen Abfällen ca. 1000 kg Plutonium zusammengekommen. Bei einer Halbwertszeit von 24 110 Jahren (Plutonium 239) wären heute noch 877 kg vorhanden. Nach 10 Halbwertszeiten, also nach 241 100 Jahren müssten immer noch ca. 0,1% der Ausgangsmenge, also 1 kg Plutonium dauerhaft sicher gelagert werden. Mit der schon im Normalbetrieb gefährlichen Nutzung der Atomenergie (Harrisburg, Tschernobyl) hat die Atomindustrie weltweit ein unglaubliches Gefahrenpotential für die nachfolgenden Generationen geschaffen.

In die Alpen?

Beim Gedanken an ein sicheres Endlager in der Schweiz denken die meisten Menschen zuerst an die Alpen. Aber die Alpen sind ein geologisch sehr junges Gebirge, das jährlich immer noch um einige Millimeter wächst. Ein solch junges Gebirge hat Risse, Klüfte und Spalten und kommt für ein atomares Endlager für langlebige hochradioaktive Spaltprodukte nicht in Frage.

Oder nach Benken?

Darum war ein Endlager in tiefen Granitschichten, überdeckt von Sedimenten als zweite Sicherheitsbarriere, das ursprüngliche Konzept der NAGRA. Doch fand sich in der Schweiz, trotz intensiver, teurer Suche, keine geeignete Granitformation im Untergrund. Und dann erlebten die Umweltschützer auf beiden Seiten des Hochrheins, wie die NAGRA, nach dem Scheitern der Endlagerpläne im Granit, einen immer ungeeigneteren Untergrund der Schweiz als ideale Endlagerstätte ins Gespräch brachte. Aus dem ursprünglich geplanten Endlager im Granit wurde über Nacht die Endlagervariante Sediment. Ein Endlager für die gefährlichsten Gifte der Menschheit soll jetzt auch im Sedimentgestein (Opalinuston) möglich sein. Bei der NAGRA bestimmt das Gestein das Bewußtsein. Im Untergrund von Benken gibt es zwischen 400 und 900 Meter Tiefe eine nur ca. 105 - 125 Meter dicke (dünne!?) Schicht Opalinuston, die den Atommüll aufnehmen soll.

Offene Fragen

Wer kann beurteilen, wie sicher der Untergrund von Benken für viele hunderttausend Jahre ist? Was passiert, wenn durch die Wärmeabgabe des Atommülls der Opalinuston trocknet und sich Risse bilden? Das von Ingenieuren, Technikern und Politikern für hunderttausende von Jahren absolut sicher gehaltene atomare Endlager in Morsleben droht bereits wenige Jahrzehnte nach der Inbetriebnahme zusammenzustürzen. Wem kann die Bevölkerung am Hochrhein glauben? Den teueren, psychologisch geschickten Werbekampagnen und den Ingenieuren der NAGRA? Oder den kritischen Fachleuten, den Umweltschützern auf beiden Rheinseiten? Und wo geht bei Prognosen über derart lange Zeiträume Ingenieurwissen in Glauben und Hoffnung über? Viele Politiker hoffen im ruhigen Züricher Weinland auf einen geringeren Widerstand und eine geduldigere Bevölkerung als beispielsweise in Ollon. Dort in der französischsprachigen Schweiz lassen sich die Menschen in Sachen leicht- und mittelaktiver Atommüll nicht alles gefallen. Und die deutschen Nachbarn bekommen sowieso nur die Illusion von Beteiligung.

Gefahren für Anwohner und Rheinanlieger

Gefahren bringt ein Atomlager auf jeden Fall. Die Atommülltransporte nach Benken und die konkrete Einlagerung wären unfallgefährdet und jeder Castortransport wäre ein ideales Angriffsziel für Terroristen. Unfallmöglichkeiten gibt es bei der Einlagerung der Abfälle, und ein schwerer Unfall heißt bei Plutonium und anderen radioaktiven Stoffen immer auch Katastrophe und langfristige Räumung von grossen Gebieten. Ein undichtes Endlager am Rheinfall könnte das Grundwasser vor Ort, aber auch den Rhein als Trinkwasserquelle von Millionen Europäern gefährden.

Wohin mit dem Atommüll?

Da haben die Atomindustrie und ihre Paten in der Politik (nicht nur in der Schweiz!) uns und den nachfolgenden Generationen ein schier unlösbares Problem beschert. Gute und einfache Lösungen gibt es nicht. Da gibt es gefährliche Utopien "ab in die Sonne" und kluge Überlegungen (Hütekonzept). Da setzen die einen auf Salzstöcke und andere auf Granit. Marcel Burri beschreibt ein altes Diskussionspapier der atomenergiefreundlichen US Atomic Energie Commission. Diese hatte die geologischen Bedingungen an ein Endlager für hochradioaktive Stoffe folgendermassen beschrieben:

* Mindesttiefe für das Lager 3000 Meter
* in einer unbewohnte Region
* ohne hohe Erhebungen (Berge) in der Nähe
* ohne Verbindungen zwischen den unteren Gesteinsschichten und dem Wassersystem an der Oberfläche
* Keine komplexen geologischen Strukturen(Falten, Spalten)
* Keine Erdbebengefahr
* Gewöhnliches Gestein, das wirtschaftlich bedeutungslos ist

Vergleichen Sie bitte selbst einmal die geologische und geographische Situation am Hochrhein mit diesen Anforderungen. Für ein solches Endlager müssten alle Bedingungen erfüllt sein. In Benken trifft keine einzige dieser Bedingungen zu.

Überlegungen und Diskussionsvorschläge

* Wenn die (atomare) Badewanne überläuft, dann stellt man zuerst den Wasserhahn (AKWs) ab, bevor man ans Aufwischen (Deponieren) geht.
* Angesichts der beschrieben Lagerprobleme und der Gefahren im sogenannten Normalbetrieb müssen die AKW s weltweit schnellstmöglich abgestellt werden.
* Dann müssen kritische und vor allem unabhängige Geologen weltweit nach Endlagerstandorten suchen
* In diesen möglichen Endlagerstandorte sollte der Atommüll rückholbar eingelagert werden (kontrolliertes Langzeitlager)
* Diese Atommülllager dürfen nicht der nationalen Souveränität eines einzelnen Staates unterliegen (UN - Hoheit)

Und die Schweiz?

Die Schweiz erscheint aufgrund der Grösse und der geologischen Gegebenheiten (junge Gebirge, keine massive Granitscholle, ....) zu klein und zu ungeeignet für ein derartiges Endlager. Ein Atommüllexport und gleichzeitiger Weiterbetrieb der AKW ist aber nicht akzeptabel.

Was tun?

Ein mögliches Endlager in Benken bringt nicht nur der Hochrheinregion ungeahnte Gefahren. Menschen, Umeltverbände und Bürgerinitiativen auf beiden Seiten des Rheins engagieren sich gegen diese Gefahr. Jetzt ist es wichtig, einen breiten grenzüberschreitenden Dialog über diese Gefahren in Gang zu bringen und den Widerstand auch entlang des Rheins bis zur Mündung zu organisieren. Immer noch ist es entsetzlich einfach, die Menschen über die Grenzen hinweg gegeneinander auszuspielen. Im Konflikt um den Fluglärm waren manche Reaktionen, Artikel und Äusserungen auf beiden Seiten des Rheins erschreckend. Es gibt nicht "Unseren A-Müll" und "Eueren A-Müll", auch wenn manche Politiker das so sagen. So wenig wie es nach Tschernobyl "Unsere Gefahr" und "Euere Gefahr" gibt.

Informieren Sie sich, engagieren Sie sich

Dieses Papier und insbesondere die Diskussionsvorschläge zu Möglichkeiten der Endlagerung sollen dem Einstieg in die Diskussion dienen. Endgültige Wahrheiten gibt es hier nicht. Neue Initiativen müssen gegründet und vernetzt werden. Wo sind die Stelltafeln, Plakate, Schilder, Aufkleber, Leserbriefe, die das Nein der Region zeigen? Dieses Informationsblatt gibt es zum Selbstkostenpreis beim BUND Regionalverband. Bestellen Sie Informationsblätter für Ihre Gemeinde, ihren Verein, Ihre Strasse, Ihre Partei, Ihre Freunde, Ihr Lokal und Ihre Schule.

Weitere Informationen und Kontaktadressen finden Sie hier auf unserer Homepage; und schauen Sie ruhig auch mal auf der Homepage der Nagra vorbei http://www.nagra.ch/

Axel Mayer

Quelle: BUND Südlicher Oberrhein