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Melting Pot der Multitude?

25.06.2002, 08:14, AG3F

Grenzregime | Strasbourg | Grenzcamp | SIS | Festung Europa | Migration

Artikel in analyse und kritik über das internationale nobordercamp in Strasbourg


Internationales Nobordercamp in Strasbourg

Es wird sicher das größte und internationalste Grenzcamp werden, das bisher in Europa stattgefunden hat. 2000 und mehr AktivistInnen von Helsinki bis Malaga, von London bis Kiew werden mittlerweile erwartet, wenn ab 19. Juli die Zelte für zehn Tage aufgeschlagen werden, voraussichtlich im Parc du Rhin. Denn nach einer ersten kleinen Öffentlichkeitsaktion Mitte Mai in der Strasbourger City hatte die Stadtverwaltung zur allgemeinen Überraschung diesen Platz am Rheinufer, direkt an der Europabrücke, inclusive der Bereitstellung weiterer Infrastruktur angeboten. Vom Vorbereitungskreis war bislang eine Fläche favorisiert worden, die sich in unmittelbarer Nähe einer Banlieu, einer der migrantisch geprägten Vorstadtsiedlungen, befindet. Nun mutmaßen einige, dass es den Verantwortlichen darum geht, die CampaktivistInnen vom "sozialen Sprengstoff der Vorstädte" fernzuhalten. Dies dürfte jedoch kaum gelingen. Denn insbesondere die lokale Vorbereitungsgruppe macht seit Jahren die rassistische Polizeigewalt in den Banlieus immer wieder zum Thema, und in der Gesamtvorbereitung herrscht Einigkeit darüber, dass die Situation in den Vorstädten ein zentraler inhaltlicher und praktischer Bezugspunkt des Camps sein soll.

Die Idee, für Strasbourg ein Grenzcamp vorzuschlagen, gründete ja zunächst im dort angesiedelten SIS-Bunker, der Koordinationszentrale des Schengen-Informations-Systems. In dieser supranationalen Fahndungsdatei sind in erster Linie illegalisierte und ausgewiesene MigrantInnen gespeichert, die zur Festnahme und Abschiebung ausgeschrieben sind bzw. deren Einreise verhindert werden soll. Das SIS symbolisiert insofern das moderne europäische Grenzregime, und es wird deshalb sicher nicht nur bei der Abschlußaktion des Strasbourger Camps, am 27. Juli, im Mittelpunkt stehen, sondern schon während der Woche besucht und belagert werden.

Mit dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof und dem Europaparlament, mit dem Hauptquartier des Eurocorps sowie einem Abschiebeknast hat Strasbourg zweifellos weitere interessante, grenzcamptouristische Attraktionen zu bieten.

Doch liegt die entscheidendere Bedeutung dieses Camps in der absehbaren internationalen Zusammensetzung ihrer AktivistInnen bzw. der damit verbundenen Frage, in wie weit es gelingt, neue Austausch- und Kooperationsformen zu entwickeln. Die erste Initiative zu diesem Projekt ging zwar vom europaweiten, antirassistischen Netzwerk "noborder" aus. Doch schon beim ersten Treffen in Strasbourg erweiterte sich der Kreis in unterschiedlichste Richtungen: Sogenannte GlobalisierunsgegnerInnen aus dem PGA (peoples global action)-Umfeld kamen hinzu, Samba- und Pink-Silver-Gruppen, MedienaktivistInnen, HausbesetzerInnen und LandkommunardInnen ... und das Workshop-angebot im Camp selbst wird vom Bau von Komposttoiletten bis zum Programmieren mit freier Software reichen.

Was "Freedom of Movement" mit "Freedom of Information" zu tun hat, warum und wie sich antikapitalistische und antirassistische Widerstandsansätze auf europäischer Ebene verbinden lassen ... dies sind nur zwei der Schlüsselfragen, die sich die vorbereitenden Gruppen als Themenschwerpunkte gestellt haben. Das Strasbourg-Camp hat jedenfalls beste Chancen, inhaltlich-praktische Cross-Over-Prozesse auf internationaler Ebene zu befördern und damit wichtige Impulse in die weitere Entwicklung einer "Bewegung der Bewegungen" einzubringen.

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