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| letzte Änderung: 01/12/02 16:43 |
Medien
Etwa 25 Leute kamen gestern abend in die Studiobühne an der Uni Konstanz um Markus Mohr bei seinem Dia-Vortrag über 30 Jahre nicht nur autonomer Plakatkunst in Deutschland zu lauschen

Bei dem vorwiegend studentischen Publikum war die Konstanzer Linke deutlich unterrepräsentatiert. Als Veranstalter traten der Kultur-AK des AstA sowie die Infogruppe B² auf. Die Berliner Gruppe HKS13 (der Name stammt von der Bezeichnung der Drucker für das auf linken Plakaten typischerweise vorkommende Rot) sammelte in jahrelanger Kleinarbeit ca. 8500 Plakate, fotografierte sie, recherchierte den Entstehungskontext und veröffentlichte Teile davon vor 2 Jahren in dem Buch "hoch die kampf den - 20 Jahre Plakate autonomer Bewegung".
In ihrem neuen Buch "vorwärts bis zum nieder mit - 30 Jahre Plakate unkontrollierter Bewegung" wurde sowohl der inhaltliche als auch der zeitliche Fokus erweitert. Es sind nun Plakate bis zurück zur Studentenrevolte (ab Ende der 60er Jahre) enthalten und der thematische Kreis wurde auf sämtliche linken emanzipatorischen Gruppen ausgedehnt. Die Produktionsbedingungen für dieses "größte Plakatarchiv im deutschsprachigen Raum" waren, wie der Referent versicherte, bescheiden: die Plakate wurden mit einer selbstgebastelten Saugvorrichtung an einer Stellwand fixiert und mit einer Spiegelreflexkamera und einer Digitalkamera abfotografiert.
Das von der HKS 13 herausgegebene Buch (s.u.) bildet mit 800 Farbfotos zwar nur einenen Bruchteil der Plakate ab (die restlichen Fotos werden in Form von komprimierten und teilweise nicht mehr leserlichen Bildern auf CD mitgeliefert), aber dessen eigentliche Stärke liegt eh woanders. In gut zwei dutzend Artikel versuchen unterschiedliche Autoren unter Themen wie die Gewalt- und Militanzfrage, Antisemitismus auf Plakaten und Plakate gegen Antisemitismus, Häuserkampf, K-Gruppen, die Entwicklung der Grünen etc. die fast unüberschaubar grosse Plakatmenge zu strukturieren, ihren politsichen Kontext zu rekonstruieren und kritisch zu diskutieren.
Ähnlich war auch der Vortrag von Markus Mohr aufgebaut. In seinem nicht unkomischen und mitunter selbstironischen Streifzug durch linke Plakatkunst demonstrierte er anschaulich, mit welchen grafischen Mitteln und welcher Bildersprache die z.T. sehr heterogenen Bewegungen mit unterschiedlichem Erfolg versucht haben, die Öffentlichkeit zu erreichen. Dort wo die Gruppe die PlakatentwerferInnen ausfindig machen konnte, hatte sich manchmal herausgestellt, wie sehr die Interpretation eines Plakats von der Intention der AutorInnen abweichen kann. Und lange nicht alle Plakate die vor 20 oder 30 Jahren geklebt wurden, würden mit den Aussagen, die sie transportieren, heute noch als politisch korrekt durchgehen. So ist heute kaum mehr angesagt, sich auf ein "Volk" oder eine nationale Befreiungsbewegung zu beziehen, was in den 70er Jahren in der antiimperialistischen Szene ja durchaus verbreitet war. Als krass negatives Beispiel wurde auch ein Plakat der Palästinasolibewegung von 1989 gezeigt, das Hitler neben dem israelischen Premierminister Begin über dem Text "Wir wollen Faschismus" zeigt. Darüber hinaus sprach sich Markus Mohr grundsätzlich dafür aus, Anschlussflächen für Antisemitismus oder Aussagen, die auch Rechte ansprechen, auf Plakaten zu meiden.
Es gab und gibt durchaus viele Gründe gegen Atomkraftwerke zu sein (konservativ bis links, Umweltschutz bis Antirepression), was sich eben auch in den Plakaten der Antiatombewegung widerspiegelt. Nicht immer ist erkennbar, dass ein Plakat ein linkes Plakat ist. Ein schlechtes Plakat ist nach Markus Mohr auch eines, das zu textlastig ist. Die Leute wollten eben nicht einen langen Text lesen, wenn sie vor einem Plakat stehen. Ausschlaggebend für die Qualität sei letztendlich jedoch immer die Mobilisierungsfähigkeit eines Plakats, und nicht die aufwändige Technik seiner Herstellung. Und gerade Plakate, die mit einfachsten Mitteln (ohne PC-Einsatz) hergetellt wurden, können eine hohe Ausdruckskraft besitzen.
Als letztes Plakat zeigte Markus Mohr ein aktuelles Plakat der Antiglobalisierungsbewegung, mit dem tot am Boden liegenden Carlo Guiliano und dem Schriftzug "Mörder! Kapitalismus tötet" Dieses Plakat vermittle keine Idee von Solidarität und sei somit eigentlich schlecht gelungen. Als Bennetton Plakat wäre es möglicherweise ausgezeichnet. Dem wurde in der unmittelbar darauf folgenden Diskussion teils zugestimmt, teils widersprochen. Insbesondere wurde bemerkt, das der Verweis auf Bennetton trägt nicht, da die Motive der Bennetton Werbung ihres Kontextes entledigt sind, was ja bei diesem Genua-Soliplakat keineswegs der Fall ist.
Diese gelungene und kurzweilige Veranstaltung hätte schon ein paar mehr Leute - vor allem aus der Konstanzer Linken - verdient gehabt.
Ich denke zwar, dass neue elektronische Medien heute zunehmend wichtig sind für die Moblisierung zu Veranstaltungen, das heisst aber nicht, dass Plakate ausgedient hätten. Sie spielen auch weiterhin eine bedeutenden Rolle bei Mobilisierungen und in Besitznahme von öffentlichem Raum.
vgl. vorwärts bis zum nieder mit - 30 jahre plakate unkontrollierter bewegungen 8300 Plakate Online bei nadir (darunter auch 3 Konstanzer Plakate :-)
HKS13 (2001)vorwärts bis zum nieder mit - 30 Jahre Plakate unkontrollierter Bewegung. Assoziation A
es wäre schön, etwas mehr über die mir unbekannte "Infogruppe B²" zu erfahren. nehmt bitte mit mir kontakt auf.
grüsse
thomas