Boykottaktion von Freiburger Flüchtlingen
29.05.2002, 19:08, SAGA
Asyl
| Freiburg
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Auf einer Versammlung der BewohnerInnen eines Freiburger Sammellagers beschlossen diese am Mittwoch mehrheitlich, symbolisch den Einkauf für den folgenden Tag zu boykottieren.
Freiburg (27-05-02). In der Nacht zum 17. Mai brannte es in der Bissierstr. 9 (Sammellager der Stadt Freiburg für Flüchtlinge). Ein Gebäude wurde durch diesen Brand völlig unbewohnbar. Zahlreiche BewohnerInnen, darunter auch einige kleinere Kinder, haben durch diesen Brand schwere traumatische Schäden davon getragen - von den materiellen und körperlichen Schäden abgesehen. Der Brand in der Bissierstrasse ist nicht der einzige in den letzten Wochen gewesen: am 15.1. 02 brannte es in Tübingen, am 26.3. brannte es in Konstanz, am 8.4. brannte es in Weingarten. Betroffen waren jeweils Unterkünfte für Flüchtlinge. In den Medien wurde hierzu wenig bis gar nichts berichtet.
Die betroffenen BewohnerInnen in der Bissierstr. fühlten sich in ihrer Not zunächst allein gelassen; auch der Sozialdienst des Deutschen Roten Kreuz begab sich ins Pfingst-Wochenende. Der Ersatzwohnraum, der angeboten wurde, konnte den Betroffenen nicht die notwendige Sicherheit vermitteln, also übernachteten sie teilweise draussen. Auf einer kurzfristig einberufenen Versammlung wurden am 21.5. dem (neuen) Sozialbürgermeister der Stadt Freiburg die zentralen Forderungen der Mehrheit der BewohnerInnen vorgetragen (vgl. Anlage). Die Reaktion der Stadt Freiburg bestand in einer strikten Zurückweisung, aber auch in einer Ablehnung jeglicher Gespräche zu diesen elementaren Voraussetzungen der menschlichen Lebensbedingungen. Das empörte viele der Teilnehmenden.
Auf einer weiteren internen Versammlung der BewohnerInnen beschlossen diese am Mittwoch mehrheitlich, symbolisch den Einkauf für den folgenden Tag zu boykottieren. Der Stadtverwaltung war diese Entscheidung bekannt, sie versuchte ihrerseits auf die BewohnerInnen einzuwirken, dass - im Fall des Boykotts - ihr weiterer Aufenthalt gefährdet sei. In Medienberichten liest und hört sich dies genau umgekehrt an: die BewohnerInnen hätten zumindest psychischen Druck ausgeübt, "deutsche Asylhelferkreise" hätten dies unterstützt. Es würden nunmehr alte Forderungen nach sicheren Unterkünften und sozialen Lebensgestaltungen aufgewärmt. Der Sozialdienst bemühe sich hingegen um eine "engmaschige Deeskalation".
Wir möchten hiermit nochmals klarstellen, dass die Betroffenen ihre berechtigten Forderungen nicht erfinden müssen, sie liegen auf der Hand. Ihre Sicherheit und ihr Leben ist durch die Art der Unterbringung gefährdet. Es sind ihre Kinder, die die Schädigungen davontragen. Es sind ihre Fluchterlebnisse, die hier weitere schreckliche Aktualität erfahren. Die Anschuldigungen in den Medien gegen die "Asylhelferkreise" weisen wir zurück. Niemand von den Medien hat diese Situation beobachtet, eine eigene Grundlage zu derartigen Berichten existiert also nicht. Unsere Arbeit besteht darin, die Forderungen der Betroffenen zu unterstützen, z.b. auf verschiedenen Ebenen die sachlich begründete Argumentation vorzutragen. Es gibt - entgegen der offiziellen Version - durchaus Handlungsspielräume für die Stadt Freiburg; man muss allerdings gewillt sein, diese nutzen zu wollen. Wenn jedoch z.b. in der Frage der Postzustellung die Stadt Freiburg nicht einmal Handlungsbereitschaft erkennen lässt, dann ist eklatant offen, wie viel Interesse eine "offene Stadt Freiburg" (gegen Fremdenhass und Rassenwahn!) an den ihr anvertrauten Flüchtlingen hat.
Wir werden nicht nachlassen, diese (völlig naheliegenden) Forderungen der Betroffenen zu unterstützen. In der nächsten Zeit dürfte sich auch der künftige grüne Oberbürgermeister Salomon aufgefordert sehen, seinen Ankündigungen während der Vorwahlzeit Taten folgen zu lassen. Der Ausländerbeirat wird sich ebenfalls mit der Situation in der Bissierstr. beschäftigen müssen.
SAGA
Quelle: Stattzeitung für Südbaden im Internet [www.stattweb.de]
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